| # taz.de -- Hexen, Serienmörder, Kriegsherren: Der Spieleinsatz sind Menschenl… | |
| > Die Ausstellung „Scherben der Realität. Berlin – Dreistadt“ in der | |
| > Kommunalen Galerie Berlin zeigt Zusammenhänge individuellen Leides und | |
| > struktureller Macht. | |
| Bild: Dorota Nieznalska, Pamięć zapośred-niczona (fragment) / Mediated Memor… | |
| Die Welt ist zerrissen, nicht nur heute. Darauf macht die Ausstellung | |
| „Scherben der Realität. Berlin – Dreistadt“ in der Kommunalen Galerie | |
| Berlin in Wilmersdorf deutlich. [1][Künstlerinnen aus Polen], der Ukraine, | |
| Mexiko und Deutschland gehen darin gebrochenen Biografien und | |
| Großkonflikten nach, und demonstrieren auf sehr unterschiedliche Weise, wie | |
| eng das je individuelle Leiden mit den politischen Rahmensetzungen | |
| verbunden ist. | |
| Dorota Nieznalska etwa spürt in ihrem Videoessay „Schwarze Pädagogik“ den | |
| Prägungen nach, die der pädophile Serienmörder Jürgen Bartsch im | |
| Salesianer-Internat Aulhausen erfahren haben mag. Militärische Strenge | |
| verbunden mit Frömmigkeit und sexuellen Übergriffen durch mindestens einen | |
| der Erzieher hatten nach Ansicht der zum Prozess hinzugezogenen Psychiater | |
| einen starken Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung Bartschs. | |
| Nieznalska kombiniert düster wirkende Schwarz-weiß-Bilder des Klosters mit | |
| Auszügen aus den Gesprächen des forensischen Psychiaters Wilfried Rasch mit | |
| Bartsch. Die Thematik Kirche, Unterdrückung von Sexualität und Missbrauch | |
| beschäftigt die in Danzig geborene Künstlerin schon länger. 2002 wurde sie | |
| schlagartig bekannt mit ihrer Installation „Passion“. | |
| Die verband das Bild eines Penis auf einem gold leuchtenden Kreuz mit dem | |
| Video eines sich im Kraftraum verausgabenden jungen Mannes. Die Arbeit trug | |
| ihr einen Prozessmarathon wegen vermeinlicher Blasphemie ein. | |
| ## Die Künstlerin Hannah Shumska kommt aus der Ukraine | |
| Die [2][aus der Ukraine kommende], jetzt aber in Polen lebende Hanna | |
| Shumska verknüpft in der Breitband-Animation „Ein Traum mit offenen Augen“ | |
| Krieg mit privaten Szenen. Zwei Männer ohne Kopf sieht man an einem Tisch | |
| würfeln. Nach jeder Aktion landen Silhouetten getöteter Soldaten auf einem | |
| Haufen. Ihr Einsatz sind Menschenleben. | |
| Auf einem Bildschirm, vor dem eine junge Frau sitzt, sind derweil Füße | |
| marschierender Soldaten zu sehen, während sich am Horizont ein Feuerball | |
| erhebt. Es blühen allerdings auch Blumen, und eine weitere Frauengestalt | |
| mit einem Flügel, der an Engel wie an Adler erinnert, stapft mit einem | |
| Koffer, aus dem Erinnerungsbilder purzeln, durch die Szenerie. | |
| Höhepunkt der Gruppenausstellung ist Anka Lesniaks Auseinandersetzung der | |
| österreichisch-ungarischen Bildhauerin Teresa Ries. Die wurde – ähnlich in | |
| diesem Jahrhundert Nieznalska – bereits 1896 durch einen Skandel berühmt. | |
| Ries präsentierte damals eine aus feinstem Carrara-Marmor gefertigte nackte | |
| Frauengestalt als „Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht“. Ries, die | |
| jüdischer Herkunft war, floh 1942 aus Wien. | |
| Ihre Werke überstanden den Krieg, wurden aber teils massiv beschädigt. | |
| [3][Der „Hexe“ etwa fehlten Locken, Zehen, ein Teil der Nase und auch eine | |
| Hand]. Die hielt ursprünglich eine Schere, die oft als Kastrationswerkzeug | |
| gedeutet wurde. Aus den Zerstückelungen der Figur selbst, aber auch aus der | |
| Kastrationsthematik entwickelt Lesniak eine vielschichtige Rekonstruktion. | |
| Im Videoteil arbeitet sie die Biografie von Ries und die Geschichte der | |
| Hexenskulptur auf. Eine Installation aus hängenden Scheren zerschneidet | |
| jetzt die Luft. Und auch ein Schminkköfferchen mit eher martialischen | |
| Werkzeugen gibt sie der Hexenfigur bei. | |
| Irritierend ist bei der von Marta Smolinska und Norbert Wiesneth | |
| kuratierten Ausstellung allerdings der Titelteil „Berlin – Dreistadt“. Zw… | |
| sind die insgesamt zehn Künstlerinnen teilweise mit Berlin und teilweise | |
| mit den drei zusammenhängenden Städten Gdansk, Gdynia und Sopot verbunden. | |
| Ihre hier präsentierten Arbeiten weisen aber keine direkt an diese Städte | |
| gebundene Bezüge auf. Es wirkt eher wie eine Form von Stadtmarketing und | |
| lenkt von der Essenz der stärkeren Positionen ab. | |
| 13 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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| 7. Oktober 2023 | |
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