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# taz.de -- Die Kunst der Woche: Elementares Sehen
> Bewegte Malerei gibt es mit Lee Bae, Tauba Auerbach und Dan Walsh zu
> sehen. Am Freitag feiert das Goldrausch-Künstler*innenprogram 35 Jahre
> Jubiläum.
Bild: Blick in Lee Baes Ausstellung „Syzygy“ bei Esther Schipper
Die Räume von Esther Schipper sind zum Malgrund geworden. Für seine erste
Einzelausstellung in der Galerie hat Lee Bae Boden und Wände komplett mit
weißem Papier versehen und diesen seine großzügigen, weiten
Pinselaustreichungen beigegeben. Das Schwarz zum Pigment zerriebener
Holzkohle, das die Handschrift des Künstlers prägt, verläuft in gezielten
Setzungen an den Wänden.
In der Raummitte versammeln sich die Pinselstriche, einer Waschung gleich,
in verschiedensten Schattierungen. Sie umschmiegen eine tiefschwarze Säule
und lassen eine räumliche Malerei entstehen, die man immer und immer wieder
umrunden möchte. Hier bilden sich Wellen und fließende Bewegungen, dort
dichte Ansammlungen des holzkohlegetränkten Mediums, das der Künstler
selbst herstellt. Dunkle Kanten, wo der Pinsel abgesetzt wurde, treffen auf
feinste Linien, die die Pinselhaare erzeugen, wo der Künstler der Hand
erlaubt, zu vibrieren.
In diesem Malraum stellt Lee Bae, der zwischen Seoul und Paris lebt, auch
acht Arbeiten aus seiner Serie „Issu Du Feu“ (2000–2025) als dicht gehän…
Gruppe aus – Werke, die aus unzähligen Holzkohlestücken bestehen, die der
Künstler zu Bildern zusammensetzt und anschließend poliert. Die Spuren der
sichtbar gebliebenen Holzmaserungen und Jahresringe absorieren das Licht
oder geben es frei, sodass die Komposition schillert.
Dass der Raum mit Schuhüberzug oder am besten gleich auf Socken betreten
wird, lädt zum bedachten Schleichen ein und so lohnt sich auch ein Blick
hinter den „Brushstroke–10J“ aus Holzkohletusche auf Papier, der auf 263 x
172,8 cm gerahmt im Winkel von der Decke hängt und an nur einer Ecke ganz
leicht den Boden berührt. Auf seiner Rückseite spiegelt sich der ebenfalls
2025 entstandene „Brushstroke 11J“ – nicht den Besucher_innen, sondern der
Wand zugewandt.
Lee Bae vermag es, dem Material, das er verwendet, ebenso viel Wirkung
einzuräumen wie den fertigen Arbeiten selbst. So wird die Holzkohle bei Lee
Bae zur eigenen Akteurin, die sich scheinbar frei durch den Raum bewegt und
auch dann noch präsent ist, wenn sie in Form der skulpturalen
„Brushstrokes“ A1 bis A3 (2025) nicht mehr physisch vorhanden, sondern in
Bronze nachempfunden ist. Frei schwebend bewegen sich die Skulpturen von
den Wänden in den Raum und begegnen uns je nach Laufrichtung direkt auf
Augenhöhe.
Wie anderswo im Werk des Künstlers wohnt auch den in Feuer getauften
Bronzearbeiten ein ganzer Wald inne. In früheren Kreisläufen umfasste die
Werkgruppe „Issu Du Feu“ auch Installationen aus mit Feuer bearbeitete
Pinienstämmen. Fast ist es, als seien auch sie hier in Berlin zugegen.
Auch Tauba Auerbach präsentiert erstmals bei Esther Schipper. Die
farbintensiven Malereien aus der Serie „Extended Objects“ (2025), legen
Bewegung in der Farbe frei. Für Tauba Auerbachs besondere Maltechnik stellt
die Künstler:in, die auch mit Video und Kalligraphie arbeitet und
Musikinstrumente baut, ihre Instrumente oft selbst her oder fährt
Maserierungswerkzeuge wie eine Rechen durch die Acrylfarbe. Prozess, Zufall
und Forschung verdichten sich im vorderen Bereich der Galerie auf
mittelgroßen Bildern.
Es ist eine Freude, dabei zuzusehen wie Tauba Auerbachs komplexe,
feingliedrige, sich in unzählige Schattierungen und Wellen auffächerende
Farbformationen vor monochromen hintergründen zu schweben beginnen. Und
sind wir nicht gerade eben noch bei Lee Bae Maserungen und Wellen gefolgt?
Eine Begegnung zweier Künstler:innen, die sich nicht besser ergänzen
könnten.
Einem intensiven Farbstudium lässt sich auch in der [1][Galerie Thomas
Schulte] beiwohnen, in der Ausstellung „Assembly“ des Malers Dan Walsh. Wo
die Annordnung sich auf seinen minimalistischen Acrylgemälden an
geometrischen Verläufen und Widerholungen orientiert, liegen im Innern
seiner zu Gruppen angeordneten ellipsenartigen Formen, nennen wir sie
Farbcontainer, feine Variationen und Abweichungen.
In der Gesamtheit der Bildfläche wiederum sind es auf den ersten Blick
strenge Grids, die in Erscheinung treten, beim zweiten Blick per Augenmaß
angeordnete Stapel, und beim dritten, trotz ihrer Abgeschlossenheit zum
Gegenüber springende Elemente. Zumindest wollen sie hinüber, sie suchen den
Kontakt.
## 35 Jahre Goldrausch
Das Goldrausch Künstler*inneprojekt, das jährlich einer Gruppe in
Berlin arbeitender Bildender Künstler:innen als
Professionalisierungsprogramm dient, feiert dieses Jahr 35. Jubiläum. 35
Jahre praktischer Feminismus also, mit dem das Förderprogramm den
strukturellen Schieflagen in der Kunstwelt entgegenwirkt – am Freitag (17.
10., 18 Uhr) wird diese beharrliche Form der Solidarität in der Galerie am
Körnerpark gefeiert, zeitgleich zur dazugehörigen Abschlussausstellung.
Neben Workshops zu Selbstpräsentation, Web-Auftritt, Publikationen und
Kunstmarkt, schließt das Postgraduiertenseminar stets mit einer solchen
Gruppenausstellung der Beteiligten ab, die von einem umfangreichen Katalog
begleitet wird. So vielfältig wie die künstlerischen Position – mehr als
500 Künstler*innen wurden mit dem Programm bisher gefördert, darunter
Namen wie Bettina Allamoda, Yalda Afsa, Monica Bonvicini, Astrid Busch,
Pauline Curnier Jardin, Elisa Duca, Maria Eichhorn, Friederike Feldmann,
Veronika Kellndorfer, Hanne Lippard, Henrike Naumann und Mirae kh RHEE –
sind auch die wechselnden Orten, die die Ausstellung hosten, unter ihnen
die Berlinische Galerie, das Haus am Waldsee, der Projektraum Flutgraben
e.V. Berlin, die Fahrbereitschaft oder der Kunstraum Kreuzberg/Bethanien.
Dieses Jahr kehrt die Abschlussausstellung unter dem Titel „Up Close“ in
die Galerie im Körnerpark zurück, wo sie zuletzt 2013 gezeigt wurde. Die
Schau mit 15 Positionen wurde diesmal von Yolanda Kaddu-Mulindwa (Leiterin
Kommunale Galerien Neukölln) und Mona Hermann (Künstlerin und Goldrausch
Alumna) kuratiert, die während der Laufzeit auch Rundgänge anbieten (u. a.
30. Oktober 2025 + 22. januar 2026, je 18 Uhr).
Gespannt sein darf mensch wie immer auf alle Arbeiten. Ich bin es jetzt
schon auf Belén Resnikowskis Videoarbeit „Posnanski ausgraben“, in der
Migration und Erinnerung zwischen persönlichen Archiven und kollektivem
Wissen erzählt werden, vor allem aber die coolste Großmutter ever als
Protagonistin auftritt: Myra, die nicht davor zurückschreckt, auch
Auslassungen in der Familiengeschichte zu betrachten. Ebenso freue ich mich
auf Sophia Tabatadzes Zeichnungen, auf denen die Künstlerin abstrakte, von
Pigmenten und Beobachtungen gefütterte Welten baut. Soweit der Teaser.
Weltenbauer:innen, so lautet das Stichwort für alle an Goldrausch
beteiligten, then and now.
16 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.galeriethomasschulte.com/exhibitions/
## AUTOREN
Noemi Molitor
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