| # taz.de -- Agrarministerkonferenz zu Pestiziden: Unionsminister wollen weniger… | |
| > Die Agrarressorts etwa von Bayern und Sachsen möchten das Vetorecht des | |
| > Amts bei der Pestizidzulassung abschaffen. Eine grüne Ministerin hält | |
| > dagegen. | |
| Bild: Erstmal ordentlich umgraben und das Umweltbundesamt aushölen | |
| Berlin taz | Fast alle LandesagrarministerInnen von CDU, CSU und FDP | |
| mobilisieren gegen das Vetorecht des Umweltbundesamts (UBA) bei der | |
| Zulassung von Pestiziden. Sachsen und sechs weitere Bundesländer mit | |
| Ressortchefs der Union sowie die FDP-Ministerin aus Rheinland-Pfalz fordern | |
| in insgesamt zwei Anträgen für die am Mittwoch beginnende | |
| [1][Agrarministerkonferenz] in Heidelberg, das UBA künftig nur noch als | |
| „Benehmensbehörde“ einzustufen. | |
| Bisher sieht das Pflanzenschutzgesetz vor, dass Pestizidprodukte nur | |
| „[2][im Einvernehmen] mit dem Umweltbundesamt“ hinsichtlich von Schäden an | |
| der Natur erlaubt werden dürfen. Denn Pestizide bekämpfen Schädlinge, | |
| tragen aber auch dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten | |
| aussterben. | |
| Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, | |
| Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen begründen ihre Forderung damit, | |
| dass es „eine zunehmende Anzahl von Bekämpfungslücken“ gebe. Sprich: Die | |
| LandwirtInnen hätten zu wenig Auswahl an Pestiziden, um unerwünschte | |
| Insekten, Pflanzen oder Pilze zu bekämpfen. Wenn das so weitergehe, werde | |
| „der Anbau einzelner Kulturen in Deutschland in absehbarer Zeit nicht mehr | |
| möglich sein“. | |
| Daher bitten sie den Bund, „das Zulassungsverfahren effizienter und zügiger | |
| zu gestalten“, unter anderem durch Schwächung des UBA, damit das | |
| federführende Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit | |
| (BVL) „souveräne, transparente und wissenschaftsbasierte Entscheidungen | |
| fristgerecht“ treffen könne. | |
| ## „Direkt aus der Feder der chemischen Industrie“ | |
| Sie verlangen auch, dass Deutschland sich für „eine Novellierung“ der | |
| EU-Pflanzenschutzverordnung einsetzt, die der Chemieindustrie zu streng | |
| ist. In eine ähnliche Richtung dürfte die Forderung gehen, die | |
| „Anwendungsbestimmungen und Auflagen zu vereinfachen“, die die Behörden f�… | |
| den Einsatz von Pestiziden erlassen. | |
| Dabei geht es zum Beispiel um Vorschriften, die Mindestabstände zu | |
| Gewässern vorschreiben oder den Einsatz bei starkem Wind verbieten. Die | |
| Antragsteller wollen nach eigener Darstellung „eine bessere | |
| Verständlichkeit, Praxistauglichkeit sowie Kontrollierbarkeit“ der Regeln | |
| erreichen. | |
| Bei Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) scheinen seine Länderkollegen | |
| von der Union auf offene Ohren zu stoßen. Er arbeitet gerade nach eigenen | |
| Angaben daran, dass „die Zulassungssituation von Pflanzenschutzmitteln | |
| verbessert“ und für „schnelle“ Verfahren durch „Verschlankung der | |
| behördlichen Zusammenarbeit“ gesorgt wird. | |
| „Ich habe den Eindruck, dass einige Anträge auf der AMK direkt aus der | |
| Feder der chemischen Industrie kommen“, sagte Niedersachsens Ministerin | |
| Miriam Staudte der taz. Dazu zähle auch der Antrag, das Umweltbundesamt | |
| durch eine Herabstufung seiner Kompetenzen „zu degradieren“. | |
| „Ich lehne es entschieden ab, die Belange des Artenschutzes, die wichtige | |
| Prüfung der Auswirkungen chemischer Substanzen auf Umwelt und Natur, so wie | |
| hier geplant, hinten anzustellen“, so die Grünen-Politikerin. | |
| Artenvielfalt, gesunde Böden, saubere Luft und unbelastetes Wasser seien | |
| zentrale Voraussetzungen, um langfristig gesunde Lebensmittel zu erzeugen. | |
| Fraglich ist auch, ob es wirklich so viele „Bekämpfungslücken“ gibt, wie | |
| von den Unionsministern behauptet. Staudte hat im Zusammenhang mit der | |
| Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade, die Kartoffeln und Zuckerrüben | |
| schadet, darauf hingewiesen, dass sich das Insekt auch mit vielfältigen | |
| Fruchtfolgen und Schwarzbrachen bekämpfen lasse. | |
| Anders als Agrar- und Chemielobby suggerieren, sind hierzulande nicht | |
| weniger, sondern sogar mehr Pestizidwirkstoffe erlaubt als in mehreren | |
| Nachbarländern. „Nach Angaben der EU-Kommission waren 2024 in Deutschland | |
| Pflanzenschutzmittel mit 281 Wirkstoffen regulär zugelassen, in den | |
| Niederlanden 266, in Österreich 248 und in Polen 277“, teilte ein | |
| UBA-Sprecher [3][Ende Juli der taz] mit. | |
| ## Mehr erlaubte Pestizide in Deutschland als früher | |
| Hinzu kämen Mittel mit Wirkstoffen, die eigentlich von der EU verboten | |
| sind, die ein Staat aber wegen einer nicht anders abwendbaren Gefahr für | |
| Agrarpflanzen ausnahmsweise erlauben darf. „In Deutschland ist die Zahl der | |
| Notfallzulassungen mit insgesamt 64 Fällen im Jahr 2024 besonders hoch, was | |
| die Zahl der de facto verfügbaren Wirkstoffe, auch im Vergleich zum | |
| Ausland, noch weiter erhöht“, so das UBA, das die Umweltrisiken von | |
| Pestiziden vor der Genehmigung prüft. | |
| Das UBA widersprach auch der Kritik, dass heute weniger Pestizidwirkstoffe | |
| in Deutschland erlaubt seien als früher. „Die Zahl der in Deutschland | |
| zugelassenen Wirkstoffe ist in den letzten zehn Jahren nicht gesunken, | |
| sondern sogar leicht angestiegen“, so der UBA-Sprecher. 2013 seien nach | |
| BVL-Angaben 269 Wirkstoffe zugelassen gewesen, 2023 seien es 9 mehr | |
| gewesen. „2024 ist die Zahl nochmals gestiegen.“ | |
| 24 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.agrarministerkonferenz.de/documents/2025-09-02-herbst-agrarmini… | |
| [2] https://www.gesetze-im-internet.de/pflschg_2012/BJNR014810012.html | |
| [3] /Umweltbundesamt-zu-Kritik-der-Agrarlobby/!6099034 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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