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# taz.de -- Deutschland vor dem Schiedsgericht: Energiekonzern klagt gegen Steu…
> Die Klesch Group verklagt Deutschland, Dänemark und die EU – mit einem
> ersten Erfolg. Ein neuer Bericht zeigt die Macht von privaten
> Schiedsgerichten.
Bild: Die Raffinerie Heide der Klesch Gruppe in Hemmingstedt
Berlin taz | Unternehmen haben ein besonderes Instrument, um sich gegen
unbequeme Gesetze zu wehren: Sie können Staaten vor privaten
Schiedsgerichten verklagen. Abgemacht haben das viele Länder selbst in
sogenannten Investitionsschutzabkommen. Welches Ausmaß diese Klagen
angenommen haben, zeigt [1][ein neuer Bericht] von mehreren europäischen
Umweltorganisationen, darunter die deutsche Powershift.
„Multinationale Konzerne nutzen die Abkommen, um in alle Bereiche des
öffentlichen Lebens, des Umweltschutzes und sogar der Sicherheitspolitik zu
ihren Gunsten einzugreifen“, sagt Fabian Flues, Handelsexperte bei
Powershift. Auch Privatpersonen, etwa Aktionäre oder Oligarchen, klagen.
Das tun sie nicht nur, wenn sie investiertes Geld verloren haben, sondern
auch, wenn staatliche Maßnahmen ihnen zukünftige erwartete Gewinne kaputt
machen.
Laut Bericht wurden seit Beginn der Verfahren in den 1960er Jahren bis Ende
2024 weltweit 1.401 Streitfälle gegen 136 Staaten angestrengt, bei denen es
insgesamt um mehr als 1,1 Billionen US-Dollar geht. Was am Ende tatsächlich
gezahlt wird, ist nicht transparent, denn die Verfahren sind größtenteils
geheim. 59 Prozent der abgeschlossenen Fälle gewannen Investoren.
## Klesch will Übergewinnsteuer nicht zahlen
Jüngstes Beispiel gegen Deutschland: Dem internationalen
Industrierohstoffkonzern Klesch-Group mit Sitz in London und Genf gehören
zwei Raffinerien in Deutschland und Dänemark. Er klagt seit Oktober 2023
gegen die EU-Sondersteuer für Energieunternehmen gegen Deutschland,
Dänemark und die EU.
Die EU hat diese sogenannte [2][Übergewinn]- oder Zufallsgewinnsteuer
initiiert, nachdem die Energiepreise in die Höhe geschossen waren, als
Europas größter Gasimporteur Russland 2022 die Ukraine angriff. Viele
Energiekonzerne konnten ihre Gewinne verdoppeln, während Verbraucher unter
steigenden Preisen litten. Die Steuer sollte einen Teil dieser übermäßigen
Zufallsgewinne abschöpfen.
## Unbemerkter Erfolg vor Schiedsgericht
Im Juli 2024 erzielte Klesch fast unbemerkt einen großen Erfolg im Fall
gegen Deutschland. Die Schiedsrichter ordneten an, dass Deutschland die
Steuer in Höhe von 47,2 Millionen Euro für 2022 nicht einziehen darf. Die
Anordnung gilt noch nicht für 2023. Hierfür werden 69,4 Millionen erst
dieses Jahr fällig. Auch dagegen klagt Klesch. „Die Entscheidung ist
ungewöhnlich und fatal“, sagt Flues. Sie gebe eine Vorschau, wie die
Richter argumentieren könnten. Sollten sie beim Urteil die Übergewinnsteuer
für unzulässig erklären, drohen weitere Klagen, fürchtet Flues.
Das sehen auch im Investitionsrecht führende Anwaltskanzleien so. Die
Münchner Kanzlei Addleshaw Goddard resümierte: „Betroffene Unternehmen
können sich so gegebenenfalls auch mit Mitteln des Investitionsschutzes zur
Wehr zu setzen“ und bot ihre Dienste an.
## Klausel erlaubt Klagen 20 Jahre nach Austritt
Das private Schiedsgericht begründet die Entscheidung damit, dass es für
die Klesch Group im Falle eines Sieges möglicherweise nicht „einfach“ wär…
die Steuer vom deutschen Staat zurückzufordern. Flues fürchtet genau das
Gegenteil: dass es für Deutschland schwer wird, die Steuer nachträglich
einzufordern. Denn Klesch versuche gerade seine Ölraffinerien
„auszubluten“.
Die deutsche Raffinerie ist überschuldet, zahlt aber hohe Gewinne an den
Mutterkonzern. „Die Klesch Group könnte behaupten, dass sie kein Geld mehr
zur Zahlung der Steuer hat“, vermutet Flues. Das wäre nicht untypisch.
Klesch wird dafür kritisiert, Unternehmen zu übernehmen, „um das Maximale
herauszupressen“ an Gewinnen und sie dann wieder abzustoßen.
Der Konzern klagt auf Basis des Energiechartavertrags, aus dem
Deutschland – wie der Großteil der EU – 2023 ausgetreten ist. Eine Klausel
im Vertrag besagt jedoch, dass Klagen auch noch bis 20 Jahre nach Austritt
möglich sind. Deutschland hat zudem [3][weitere 80
Investitionsschutzverträge mit Staaten]. Diese Verträge sollen eigentlich
Investoren in Ländern schützen, wo die Rechtssicherheit gering ist. Vor
allem deutsche Unternehmen profitieren davon, sie bestreiten die
viertmeisten Klagen international.
Bundesregierung wie EU argumentieren, dass neuere Abkommen „anerkannte
Gemeinwohlziele“ berücksichtigen. Das wiederholt auch ein Sprecher des
Wirtschaftsministeriums gegenüber der taz. „Das ist der völlig falsche
Schluss“, sagt Flues. Das grundsätzliche Problem einer Paralleljustiz werde
nicht behoben. Und: „Ob diese behaupteten Verbesserungen einen Unterschied
machen, ist fragwürdig“.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version wurde auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgericht Ende 2024 hingewiesen, das die Übergewinnsteuer
für rechtmäßig erklärte. Wir haben den Satz entfernt, weil es sich hierbei
um ein anderes Instrument gehandelt hatte.
17 Sep 2025
## LINKS
[1] https://10isdsstories.org/
[2] /2-Billionen-Euro-Uebergewinne/!6007770
[3] /Vertraege-zu-Investitionsschutz/!5982978
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Investitionsschutz
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