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# taz.de -- Klagerechte für Konzerne gegen Politik: Kritik an Investitionsabko…
> Der Bundestag soll EU-Verträge mit zwei asiatischen Ländern ratifizieren.
> Unter Robert Habeck hielt das Wirtschaftsministerium das noch für
> „riskant“.
Bild: Die Flaggen von EU und Vietnam: Die Europäische Union will Investitionsa…
Am Donnerstagabend stimmt der Bundestag über zwei
Investitionsschutzabkommen der EU mit Singapur und Vietnam ab. Die
Nichtregierungsorganisationen Powershift, Netzwerk Gerechter Welthandel und
Umweltinstitut München kritisieren, dass diese Abkommen neue
[1][Klagemöglichkeiten für Investoren schaffen] und fossile Investitionen
schützen.
Fabian Flues von Powershift rät den Abgeordneten, die beiden Abkommen nicht
zu ratifizieren: „Die Abgeordneten haben die Pflicht und Verantwortung,
dafür zu sorgen, dass keine Risiken sowohl für Deutschland als auch die
Partnerländer entstehen.“
Damit EU-Investitionsschutzabkommen wirksam werden, müssen alle nationalen
Parlamente sie ratifizieren, also in ein Gesetz gießen. Das
Investitionsabkommen mit Vietnam stammt von 2019, das von Singapur von
2018. Die beiden asiatischen Länder haben sie längst ratifiziert, in der EU
fehlen jeweils noch neun Mitgliedsstaaten, einschließlich Deutschland. Die
Bundesrepublik hat bereits bilaterale Verträge mit beiden Ländern, die
durch die EU-Abkommen ersetzt werden sollen.
## Klagerecht für Unternehmen gegen Staaten
Besonders problematisch sehen die globalisierungskritischen Organisationen
die in den Abkommen enthaltenden Investor-Staat-Schiedsverfahren. Hiermit
können Unternehmen bei privaten Schiedsgerichten Staaten verklagen. Viele
tun das auch, wenn sie künftige Profite etwa durch Umweltschutzmaßnahmen
bedroht sehen. „Deshalb ist der Investitionsschutz von fossilen Industrien
besonders bedenklich“, sagt Flues.
Im Fall von Singapur ist im Vertrag festgelegt, dass Investoren auch noch
20 Jahre nach Aufkündigung des Abkommens klagen dürfen. Bei Vietnam sind es
15 Jahre.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) hatte
noch im Frühjahr [2][in einem internen Papier] Bedenken an der
Ratifizierung des Abkommens mit Singapur geäußert. Das darin neu
eingeführte Investorschiedsverfahren sei „riskant“, hieß es dort.
In dem Papier vom März schrieb das Ministerium: Da Singapur ein großer
Investor sei und gleichzeitig „klagefreudige“ Unternehmen beheimate, wären
mit dem Inkrafttreten des Abkommens „ernstzunehmende Klagerisiken“ gegen
den deutschen Staat verbunden. Hinzu komme, dass Singapur ein wichtiger
Standort für Kanzleien sei, die sich auf ebenjene Schiedsgerichtsverfahren
spezialisieren.
Weiter argumentierte das Wirtschaftsministerium, die Klagemöglichkeit sei
unnötig, da Deutschland und auch Singapur über funktionsfähige
Rechtssysteme verfügen. Die Einführung von Investor-Staat-Schiedsverfahren
„ist daher im Fall Singapur nicht gerechtfertigt“, lautete das Fazit.
Auf eine Anfrage der taz macht das Wirtschaftsministerium der neuen
Bundesregierung unter Katherina Reiche (CDU) nun eine Kehrtwende. Da
Investoren vor Investitionsgerichten mit fest bestellten Richtern klagen,
gegen deren Entscheidungen Berufung eingelegt werden könne, schaffe das
Abkommen eine „angemessene Balance zwischen Investitionsschutz und der
Wahrung öffentlicher Interessen, Regelungen zu erlassen“, die etwa dem
Umwelt- oder Gesundheitsschutz dienten, erklärt eine Sprecherin.
Die Ratifizierung trage zu „einer aktiven Handelspolitik der EU bei“ und
leiste „einen Beitrag zur Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen der
EU und Deutschlands“.
## Klimaschutz fehlt in den Abkommen
Die NGOs kritisieren zudem fehlenden Klimaschutz in beiden Abkommen, die
das Pariser Klimaabkommen nicht erwähnen. Anders als beim [3][Abkommen mit
Kanada (Ceta)] gibt es auch keinen Versuch durch eine Zusatzerklärung, das
Risiko von Klagen gegen Klimaschutzmaßnahmen zu reduzieren. Eine
Möglichkeit wäre, Geschäfte mit fossilen Energieträgern und der passenden
Infrastruktur vom Investitionsschutz auszunehmen.
Beim Abkommen mit Vietnam kommt aus Sicht der NGOs hinzu, dass es „ein
völlig falsches Signal“ angesichts der sich verschlechternden
Menschenrechtslage senden würde. Powershift fordert die Freilassung des
[4][Aktivisten Dang Dinh Bach], der seit vier Jahren in Haft ist, weil er
sich für Umweltschutz in seinem Land eingesetzt hat. Er wurde zu einer
langjährigen Gefängnisstrafe wegen angeblicher Steuerhinterziehung
verurteilt.
12 Nov 2025
## LINKS
[1] /Deutschland-vor-dem-Schiedsgericht/!6113768
[2] https://assets.ctfassets.net/jq1xw71av3v5/7tVv20TsARtZNuXbHLgFh8/4b32085471…
[3] /Handelsabkommen-mit-Kanada/!5895644
[4] /In-Vietnam-inhaftierter-Umweltaktivist/!6025874
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Investitionsschutz
Klage
Unternehmen
Welthandel
Schwerpunkt Klimawandel
Reden wir darüber
Freihandel
Investitionsschutz
Mercosur
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