| # taz.de -- Mercosur-Deal: Aus der Zeit gefallen | |
| > Das Abkommen fokussiert sich zu sehr auf den Freihandel und zu wenig auf | |
| > Klima- und Umweltschutz. Für einen Neustart ist es noch nicht zu spät. | |
| Bild: Protest europäischer Landwirte gegen den Mercusur-Deal in Brüssel, am 4… | |
| Seit zwanzig Jahren tobt der Streit um das Freihandelsabkommen mit den | |
| südamerikanischen Mercosur-Staaten. Landwirte und Umweltschützer, | |
| Menschenrechtler und Politiker aller Couleur haben ernstzunehmende Bedenken | |
| angemeldet. Immer wieder wurden sie von der EU-Kommission abgebügelt. | |
| [1][Nun hat die Brüsseler Behörde Fakten geschaffen und den Mercosur-Deal | |
| abgesegnet]. | |
| Wenn es nach dem Willen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen | |
| (CDU) geht, dann soll das Abkommen, das sie persönlich abgeschlossen hat, | |
| im Eiltempo ratifiziert werden und noch vor Jahresende in Kraft treten. | |
| Hinter ihr steht Kanzler Friedrich Merz. Von der Leyens Parteikollege hat | |
| geholfen, den Deal gegen den Willen Frankreichs zu verabschieden. | |
| Getrieben werden Merz und von der Leyen von der schieren Not. Nachdem sie | |
| den Handelsdeal mit US-Präsident Donald Trump vermasselt haben, brauchen | |
| sie ein Erfolgserlebnis. Mercosur bot sich an, denn vom Ende der | |
| Zollbarrieren in Lateinamerika würde vor allem Deutschland profitieren. | |
| Doch das Abkommen liefert keine Antworten auf die tiefe Krise, die | |
| Deutschland und die EU durchlaufen. Es kann weder die schwere Niederlage | |
| gegen Trump vergessen machen noch die dringend nötigen Impulse für die | |
| Wirtschaft geben. Klar, die deutsche Autoindustrie freut sich auf neue | |
| Exportmärkte. Doch das macht die hohen neuen US-Zölle auf alle europäischen | |
| Waren nicht im Ansatz wett. [2][Selbst Studien im Auftrag der Europäischen | |
| Kommission rechnen nur mit einem Wachstumsimpuls von 0,1 Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts]. | |
| ## Übertriebene Hoffnung | |
| Übertrieben ist auch die Hoffnung, dass die EU durch eine engere | |
| Zusammenarbeit mit Mercosur außenpolitisch gestärkt wird. Das Abkommen habe | |
| eine „strategische Bedeutung“, die weit über die Wirtschaft hinausgehe, | |
| heißt es in Berlin und Brüssel. Doch die wichtigsten Mercosur-Staaten, | |
| Argentinien und Brasilien, gehen längst eigene Wege. Brasilien hat sich dem | |
| Lager der Brics-Staaten angeschlossen, die Alternativen zum Westen suchen. | |
| Derweil hält Argentinien unter dem ultraliberalen Präsidenten Javier Milei | |
| ausgerechnet Trump die Treue. Auch da dürfte es den Europäern schwerfallen, | |
| den Kurs in ihrem Sinne zu beeinflussen. Angesichts der sich | |
| herausbildenden multipolaren Weltordnung droht der EU der Abstieg in die | |
| dritte Liga. | |
| Natürlich ist eine Annäherung an Lateinamerika wünschenswert. Nicht einmal | |
| die härtesten Kritiker des Mercosur-Abkommens bestreiten die Notwendigkeit, | |
| sich dem Globalen Süden zuzuwenden. Doch dies geht nicht mit einer | |
| Vereinbarung, deren Wurzeln auf den Neoliberalismus im 20. Jahrhundert | |
| zurückgehen. Der Handelspakt ist völlig aus der Zeit gefallen; ein Neustart | |
| wurde verpasst. | |
| Dabei haben Umwelt- und Klimaschützer sowie grüne und linke Politiker | |
| rechtzeitig eine Umkehr gefordert. Früher als von der Leyen haben sie | |
| erkannt, [3][dass Freihandel in Zeiten der Klimakrise und des | |
| Protektionismus nicht die allein selig machende Antwort sein kann]. Doch | |
| die Forderung nach einem „Reset“ wurde ignoriert. | |
| ## Unfaire Konkurrenz für Europas Landwirte | |
| Stattdessen hat die EU-Kommission einige kosmetische Veränderungen | |
| vorgenommen. Das Pariser Klimaabkommen wurde in den Vertragstext | |
| aufgenommen, der umstrittene Investitionsschutz endlich gestrichen. Doch | |
| weil der Fokus weiter auf Freihandel liegt, birgt der grün angemalte und | |
| mit Schutzklauseln versüßte Deal immer noch erhebliche Risiken. | |
| Europas Landwirte müssen unfaire Konkurrenz durch billige Agrarprodukte aus | |
| dem Mercosur fürchten. Die Gefahr einer weiteren Entwaldung am Amazonas – | |
| künftig dann auch für Rindfleischexporte nach Europa – ist nicht gebannt. | |
| Sogar das Demokratieproblem ist nicht gelöst, im Gegenteil. Schon bisher | |
| gab es ein eklatantes demokratisches Defizit, weil die EU-Kommission ohne | |
| Rücksicht auf viele Mitgliedstaaten weiterverhandelt hat. Doch nun wird das | |
| Dilemma noch größer. Das Abkommen wurde nämlich in zwei Teile aufgespalten | |
| – den Handel, für den allein die EU zuständig ist, und die politischen | |
| Vereinbarungen. | |
| Das erklärte Ziel: Kritikern wie Frankreich soll die Möglichkeit genommen | |
| werden, den Handelsteil durch ein Nein zu stoppen. Nun reicht schon eine | |
| qualifizierte Mehrheit, um das Abkommen in Kraft zu setzen. Da Polen und | |
| Österreich signalisiert haben, dass sie ihren Widerstand aufgeben, scheint | |
| diese Mehrheit in Reichweite. | |
| Dennoch ist die Schlacht um Mercosur noch nicht verloren. Zum einen rollt | |
| eine neue Protestwelle an, die die Zustimmung erschweren dürfte. Zum | |
| anderen hat das Europaparlament ein Wörtchen mitzureden. Da gehen die | |
| Bedenken quer durch alle Fraktionen. Die letzte Schlacht könnte spannend | |
| werden. | |
| 6 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Freihandelsabkommen-mit-Suedamerika/!6108009 | |
| [2] https://umweltinstitut.org/welt-und-handel/meldungen/showdown-um-den-eu-mer… | |
| [3] /EU-Mercosur-Abkommen/!6098758 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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