| # taz.de -- Jurist über Abkommen mit Südamerika: „Das EU-Mercosur-Abkommen … | |
| > Die EU verspricht Schutz für Mensch und Natur entlang globaler | |
| > Lieferketten – doch verschleppt die Gesetze dazu. Einschätzungen eines | |
| > Völkerrechtlers. | |
| Bild: Weil die EU verschiebt, wird Südamerika entwaldet | |
| taz: Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron | |
| haben sich dafür ausgesprochen, [1][das Lieferkettengesetz der EU | |
| abzuschaffen]. Können sie das rechtlich einfach so stoppen? | |
| Markus Krajewski: Beide Länder können die EU-Richtlinie nicht einfach | |
| abschaffen, sie ist europaweit verbindlich. Aktuell muss sie bis 2028 | |
| umgesetzt werden, nachdem sie bereits um ein Jahr verschoben wurde. Nach | |
| meinem Dafürhalten ist die Bundesregierung rechtlich daran gebunden, in | |
| diesem Zeitraum nichts zu tun, was die Umsetzung der Richtlinie gefährdet. | |
| Daraus ergibt sich, dass sie auch das deutsche Lieferkettengesetz gar nicht | |
| komplett streichen darf – jedenfalls nicht ersatzlos. Was Deutschland | |
| machen kann: In dem Moment, in dem man die EU-Richtlinie umsetzt, das | |
| deutsche Gesetz aufzuheben. So habe ich auch den Koalitionsvertrag immer | |
| verstanden. Ob das den Unternehmen nutzt, die sich jetzt auf diese Gesetze | |
| eingestellt haben, wage ich zu bezweifeln. Besser wäre, das | |
| Lieferkettengesetz anzupassen. | |
| Was können Merz und Macron erreichen? | |
| Marcus Krajewski: Deutschland und Frankreich können sich im EU-Rat und | |
| EU-Parlament darum bemühen, dass da vielleicht noch entbürokratisiert wird, | |
| wie es heißt. Aber letztlich müssen die beiden Co-Gesetzgeber im Rahmen des | |
| Vorschlages der Kommission bleiben, und die will die Richtlinie ja gerade | |
| nicht abschaffen. | |
| Der honduranische Landwirt Yoni Rivas hat [2][auf Basis des | |
| Lieferkettengesetzes eine Beschwerde eingereicht]: Auch ein deutsches | |
| Unternehmen sei in die gewaltsame Vertreibung seiner Gemeinschaft durch | |
| eine Palmölfirma verwickelt. Was können solche Beschwerden bewirken? | |
| Marcus Krajewski: Es ist eine Innovation des Lieferkettengesetzes, das | |
| Betroffene von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzungen | |
| Beschwerde einlegen können. Sie können sich ans zuständige Bundesamt für | |
| Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) wenden und hätten, wenn das Amt | |
| untätig bleibt, die Möglichkeit zu klagen – nicht gegen das Unternehmen, | |
| sondern gegen das Amt. Was dabei rumkommt, ist schwer zu sagen. Viele | |
| Rechteinhaber erwarten vielleicht zu viel. Das Bafa prüft nur, ob ein | |
| Unternehmen seine Sorgfaltspflichten eingehalten hat. | |
| Wie bewerten Sie es, dass neben dem Lieferkettensorgfaltsgesetz auch die | |
| EU-Richtlinie über eine entwaldungsfreie Lieferkette um ein Jahr verschoben | |
| wurde? | |
| Marcus Krajewski: Die Entwaldungsrichtlinie enthält – wie die | |
| Lieferkettenrichtlinie – eine Sorgfaltspflicht, richtet sich aber nur auf | |
| bestimmte Produkte wie Palmöl, Soja oder Rindfleisch, bei denen Entwaldung | |
| droht. Anders als bei der Lieferkettenrichtlinie geht es hier nicht um | |
| allgemeine Unternehmenspflichten, sondern konkret um Importverbote für | |
| nicht nachhaltige Produkte. Insofern ist die Entwaldungsrichtlinie das | |
| schärfere Schwert – aber nur für spezifische Fälle. | |
| Die Lieferkettenrichtlinie erfasst breiter Menschenrechte und | |
| Umweltstandards, verlangt größere Umstellungen, hat aber kein | |
| vergleichbares Sanktionsinstrument. Wir brauchen beides. | |
| Mehr Entwaldung und weniger Umweltschutz fürchten Kritiker*innen auch | |
| durch [3][das Mercosur-Abkommen der EU mit vier Ländern Lateinamerikas]. | |
| Ende 2024 hat Kommissionspräsidentin von der Leyen das Abkommen in Uruguay | |
| unterzeichnet. Wie wird es weitergehen? | |
| Marcus Krajewski: Es gibt nur eine politische Einigung, der finale | |
| Abkommenstext liegt noch nicht vor. Die juristische Endfassung und | |
| Übersetzung in alle EU-Amtssprachen steht noch aus. Danach müssten alle | |
| Mitgliedstaaten ratifizieren. Derzeit gibt es Bestrebungen, den Handelsteil | |
| – der rund 90 Prozent ausmacht – abzutrennen, um ihn als reines EU-Abkommen | |
| schneller in Kraft zu setzen. Das geht aber erst, wenn der finale Text | |
| vorliegt. Aus Frankreich kommt massiver Widerstand aus der Landwirtschaft. | |
| Wagen Sie eine Prognose? | |
| Marcus Krajewski: Das Zeitfenster mit verlässlichen demokratischen | |
| Regierungen in Brasilien und Argentinien hat sich [4][mit Milei als | |
| argentinischem Präsidenten] geschlossen. Ich würde aber nicht sagen, dass | |
| das Abkommen tot ist. Angesichts der Weltlage kann es sein, dass die EU | |
| sagt: Wir schließen als Block ab. Oder es bleibt unmöglich, weil es zu | |
| viele gegensätzliche Interessen gibt – etwa, weil Frankreich das Abkommen | |
| verhindern will. | |
| 12 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Maximilian Arnhold | |
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