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# taz.de -- Demokratie unter Überwachung: Die Zerstörung der liberalen CDU
> Familienministerin Karin Prien droht Demokratieprojekten mit dem
> Verfassungsschutz. Das zeigt, wie getrieben und leichtfertig ihre Union
> ist.
Bild: Ist auf die CDU im Kampf um die Demokratie Verlass? Demonstration des Bü…
Berlin taz | Es ist eine Weile her, dass ein gewisser Rezo i[1][n einem
viel beachteten Video] zum Rundumschlag gegen die Unionsparteien ausholte.
Die CDU ließ sich damals zu einer herablassenden Antwort hinreißen: „Die
Währung von YouTubern sind Klickraten. Die Währung einer Volkspartei ist
Vertrauen.“ Die Christdemokraten erinnerten an ihre Verpflichtung „allen
Menschen in Deutschland“ gegenüber und an das Gebot von „Maß und Mitte“,
nach dem sie ihr Handeln ausrichteten.
Sechs Jahre und einen gehöriger Rechtsruck später muss man feststellen: Maß
und Mitte sind der Union ganz schön abhandengekommen. Das zeigen die
Asyl- oder Bürgergelddebatten, das [2][Totalversagen im Umgang mit Frauke
Brosius-Gersdorf] und Julia Klöckners entfesselter Kulturkampf gegen alles
Regenbogenfarbene. Parteifreunde wie Schleswig-Holsteins
Ministerpräsident Daniel Günther, die für eine sachliche und
unideologische Union stehen, müssen sich fühlen wie die FDP in der
Ampelkoalition: ein zunehmend ungeliebter Fremdkörper.
Die Zerstörung der liberalen Union hat natürlich mit dem Aufstieg der AfD
zu tun. CDU und CSU glauben wohl immer noch, dass sie die rechtsextreme
Partei dadurch kleinhalten können, dass sie genauso laut „Ausländer raus“
und „Genderwahnsinn“ rufen wie das Original. Das heißt, das erhoffen sich
wohl diejenigen innerhalb von CDU und CSU, die es mit der viel beschworenen
Brandmauer ernst meinen.
Dass die Basis das teils anders sieht, ist gut dokumentiert: Auf kommunaler
Ebene stimmt die CDU schon fleißig mit der AfD, und zwar längst nicht mehr
nur, wenn es gegen Geflüchtete geht. Und wie getrieben die Führungsriege
der Union ist, kann man schließlich sehr gut an ihrem [3][Umgang mit
Demokratieprojekten] ablesen.
## Prien lässt Demokratieprojekte prüfen
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Bundesfamilienministerin Karin Prien
den Abgeordneten ihrer Fraktion versprach, Demokratieprojekte vom
Verfassungsschutz durchleuchten zu lassen. Und zwar offenbar, weil
Abgeordnete kritisch nachgefragt hatten, warum das in ihrem Ministerium
angesiedelte Bundesprogramm „Demokratie leben!“ von 182 Millionen Euro
(2024) nun leicht auf 200 Millionen Euro in diesem Jahr (und ähnliche
Summen in den Folgejahren) aufgestockt worden war.
In dem Schreiben, [4][das das Portal Netzpolitik öffentlich machte], heißt
es wörtlich: „Mich haben Fragen nach dem Grund für die Anhebung des
Haushaltstitels erreicht. Das ist vor dem Hintergrund der Kleinen Anfrage
aus Ihren und Euren Reihen vom Frühjahr dieses Jahres nachvollziehbar.“
Darüber lässt sich streiten. In [5][der Kleinen Anfrage], die Prien
erwähnt, attackierte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Verbände,
Organisationen und Vereine scharf, die zu Protesten gegen Rechtsextremismus
aufgerufen hatten – das war wohlgemerkt deswegen geschehen, weil die Union
im Bundestag einen Tabubruch beging und bei ihrem Antimigrationsantrag
auch auf die Stimmen der AfD setzte.
Bis heute scheint die Union in dem Punkt zu keiner Selbstkritik fähig.
Stattdessen äfft sie auf Bundes- und teils auf Landesebene den AfD-Vorwurf
nach, dass NGOs, die sich gegen rechts engagieren, ihre „Neutralität“
verletzten.
## So bedroht wie nie
Als langjährige Bildungsministerin in Schleswig-Holstein (übrigens unter
Ministerpräsident Günther) muss Prien wissen, dass dieses Argument
Bullshit ist – politische Bildung und Demokratiearbeit kann nie neutral
sein, wenn extremistische Positionen demokratische Werte bedrohen. Prien
selbst steht zwar außer Verdacht, an der Brandmauer rütteln zu wollen.
Nach Bekanntwerden der Deportationsfantasien der AfD etwa lobte sie die
Proteste aus „der Mitte der Gesellschaft“ und sprach aus, was auch viele
Linke dachten: „Unsere liberale Demokratie ist bedroht wie nie.“
Mit ihrem Schreiben an die Fraktion sendet Prien aber nun ein ganz anderes
Signal: nämlich, dass die Zweifel an der Förderung von
zivilgesellschaftlichen Akteuren berechtigt seien. Möglich, dass die
Ministerin mit diesem Schritt vor allem die eigenen Reihen besänftigen
wollte. Den Preis dafür aber zahlen alle, die sich für Toleranz und
Vielfalt einsetzen. Hunderte Demokratieprojekte stehen jetzt unter
generellem Extremismusverdacht – während die wahren Extremisten von AfD und
Co im Land schon längst die kritische Zivilgesellschaft [6][einzuschüchtern
versuchen.]
## Seite an Seite mit der AfD
Erschreckenderweise sind es vermehrt auch CDUler, die der AfD in ihrem
Feldzug tatkräftig zur Seite stehen. Erst diese Woche hat der
AfD-CDU-dominierte Stadtrat im sächsischen [7][Wurzen] verhindert, dass
bereits gesammelte Spenden an das örtliche Demokratienetzwerk ausgezahlt
werden: ein gezielter Schlag, denn damit entgehen dem Netzwerk für
Demokratische Kultur auch noch staatliche Fördermittel in Höhe von 70.000
Euro.
Im thüringischen Suhl hat sich kürzlich ein früherer NPD-Kader für die AfD
in einen Demokratieausschuss wählen lassen – mutmaßlich mit Stimmen der
CDU. Nun entscheidet ein Neonazi über Gelder aus dem Bundesprogramm
„Demokratie leben!“.
Das sind die Gefahren, die eine Ministerin ihrer Fraktion entgegenhalten
sollte. Doch zur Normalisierung der AfD und ihrem Anteil daran schweigt die
Union. Und verspielt damit das Vertrauen sehr vieler Demokrat:innen in
diesem Land. Nach wie vor sieht eine große Mehrheit in der AfD und im
stärker werdenden Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie.
Wer sich nach Maß und Mitte zu richten beansprucht, kann daraus nur einen
Schluss ziehen.
12 Sep 2025
## LINKS
[1] /Kolumne-Macht/!5594961
[2] /Schwarz-Rot-in-der-Krise/!6102598
[3] /Zivilgesellschaftliche-Foerderung-bedroht/!6079058
[4] https://netzpolitik.org/2025/zivilgesellschaft-familienministerin-will-demo…
[5] /Angriff-der-Union-auf-Zivilgesellschaft/!6072388
[6] /Demos-fuer-queere-Sichtbarkeit/!6092757
[7] /Demokratienetzwerk-in-Sachsen/!6113366
## AUTOREN
Ralf Pauli
## TAGS
Brandmauer
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Konservative
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