Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Filmfestspiele Venedig: Unter dem Vulkan
> Lidokino 5: Einsame Monster und ein umfassend umwölktes Neapel bei den
> Filmfestspielen von Venedig.
Bild: Schön, aber gefährlich: Der Vesuv dräut stets am Horizont der Stadt Ne…
Julia Roberts auf dem roten Teppich zu erleben, tut was mit einem. Da kann
man noch so sehr von sich behaupten, vom Starrummel nicht groß berührt zu
werden. Es mag für einen selbst heftiger sein, zum Beispiel beim Warten in
der Schlange vor Filmbeginn von einem durchnässenden Regenschauer erwischt
zu werden. Dagegen ist dieser kurze Moment, in dem man merkt, dass die
Person, die wenige Meter vor einem in einem Fahrzeug mit verdunkelten
Scheiben eskortiert wurde und dann dem Wagen entstieg, tatsächlich Julia
Roberts auf dem Weg zur Premiere des [1][Films „After the Hunt“] ist, um
einiges erfreulicher.
Auch der Regisseur Guillermo del Toro hat für seinen Wettbewerbsfilm
„Frankenstein“ ein paar Stars verpflichtet, allen voran Oscar Isaac in der
Titelrolle, Mia Goth als sein Schwarm Elizabeth Lavenza und Christoph
Waltz als Frankensteins Förderer Henrich Harlander. Vermutlich war del
Toros Beitrag für die Wahl des Goldenen Löwen bei den 82. Filmfestspielen
von Venedig sogar der am meisten erwartete Film überhaupt. Die Hoffnung,
dass sich sein Erfolg von [2][2017, als er auf dem Lido mit „The Shape of
Water“ den Hauptpreis gewann], wiederholen könnte, dürfte da mit
hineingespielt haben. Und zwischen dieser Monster-Mensch-Romanze und der
Geschichte, die er in „Frankenstein“ erzählt, bestehen sogar einige
Parallelen.
Erneut gibt es ein Ungetüm, diesmal aber ein von Menschenhand erschaffenes.
Jacob Elordi übernimmt den Part des Geschöpfs, das so kunstreich mit Narben
quer über den Körper ausgestattet ist, dass man den Schauspieler kaum
erkennt. Zunächst hat das Geschöpf auch wenig mehr zu tun, als zu brüllen.
Del Toro folgt Mary Shelleys literarischer Vorlage darin, dass er einsetzt
mit der Nordpolexpedition eines Segelschiffs. Dieses spürt den verletzten
Frankenstein im Eis auf und nimmt ihn an Bord, wo er seine Geschichte zu
erzählen beginnt.
Frankensteins Weg vom gehorsamen Schüler des strengen Vaters zum
fanatischen Wissenschaftler, der für seine Idee, künstliches Leben zu
schaffen, buchstäblich über Leichen geht, hat del Toro üppig bebildert und,
wo er konnte, mit seiner Vorliebe für Steampunk gewürzt. Frankensteins
Labor, in einem ehemaligen Wasserturm eingerichtet, steckt voller Rohre und
Apparaturen mit reichlich patinierten Verzierungen, alles liebevoll
verfallen.
Die Handlung, in zwei Teile geordnet, folgt zunächst Frankensteins Bericht,
um dann dem Geschöpf das Wort zu überlassen. Damit läuft die Geschichte auf
ein Plädoyer des Monsters hinaus, einen Platz in der Welt zu finden, in der
es gar nicht vorgesehen ist. Die Absicht ist zweifellos gut, man versteht
die Botschaft beim Zuschauen auch. Doch man leidet kaum mit diesem allzu
künstlich verunstalteten Geschöpf, Elordi trägt daher schwer daran, sein
Monster zu einer Figur zu machen. So lässt del Toro die Sache sich zum
Morallehrstück auswachsen, statt Horror serviert er einiges an Ekel, doch
ein Meisterwerk wird daraus nicht.
Das gibt es eher bei Gianfranco Rosi, der mit einem Dokumentarfilm in
Schwarzweiß antritt. „Sotto le nuvole“ folgt mehreren Menschen um Neapel
durch ihren Alltag. Feuerwehrleute erkunden unterirdisch die Tunnel von
Grabräubern oder müssen beim Telefondienst Notrufe aller Arten annehmen und
bilden so ein Panorama sozialer Nöte ab. Eine Gruppe japanischer
Archäologen arbeitet daran, die Reste der im Schatten des Vesuvs gelegenen
Villa Augustea freizulegen, während syrische Schiffsleute im Hafen nahe
Neapel ukrainisches Getreide aus einem Frachter entladen, teils mit
maximalem Körpereinsatz.
Über allem liegt die Bedrohung durch das bei Neapel gelegene Vulkangebiet
Phlegräische Felder. Der Supervulkan sorgt seit zwei Jahren für verstärkte
Aktivität mit Erdbeben, die Sorge, dass „etwas passieren“ könnte, hört m…
den Anrufern bei der Feuerwehr deutlich an. Gianfranco Rosi wechselt
nüchtern gehaltene Bilder von seinen Protagonisten bei der Arbeit elegant
mit Aufnahmen von Wolkenfeldern oder aufsteigender Vulkanasche ab, was mit
den schwebenden Klängen der Filmmusik von Daniel Blumberg einen ersten
Höhepunkt ergibt. Einen poetischen.
1 Sep 2025
## LINKS
[1] /Filmfestspiele/!6107578
[2] /Preisverleihung-Filmfestspiele-Venedig/!5446224
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Kolumne Lidokino
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Monster
Vesuv
Neapel
Reden wir darüber
Kulturkolumnen
Kolumne Lidokino
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
## ARTIKEL ZUM THEMA
Filmfestspiele: Vor Ethikern sei gewarnt
Lidokino 4: Luca Guadagnino zeigt bei den Filmfestspielen die Uni als Sodom
und Gomorrha. Julia Roberts spielt eine Adorno lesende Philosophin.
Filmfestspiele von Venedig: Der Präsident überrascht mit einer untypischen Fr…
Lidokino 2: Bei den Filmfestspielen von Venedig gerät zur Eröffnung ein
Präsident ins Zweifeln und manche Ordensschwester in Not.
Filmfestspiele Venedig: Auch Stars sind am Ende Aliens
Lidokino 3: Schauspielprominenz, zerrissenes jüdisches Leben im
sozialistischen Ungarn und Besuch von Aliens bei den Filmfestspielen von
Venedig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.