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# taz.de -- Filmfestspiele von Venedig: Der Präsident überrascht mit einer un…
> Lidokino 2: Bei den Filmfestspielen von Venedig gerät zur Eröffnung ein
> Präsident ins Zweifeln und manche Ordensschwester in Not.
Bild: Noomi Rapace als Mutter Teresa in „Mother“
Der italienische Regisseur Paolo Sorrentino ist einer der bekanntesten
Namen des italienischen Kinos von heute. Allerdings erfreut er sich nicht
gerade uneingeschränkter Beliebtheit. Sein zur Selbstverliebtheit neigender
Stil, bei dem er Bilder in Zeitlupe mit oft bloß behaupteter Bedeutsamkeit
auflädt, kann hin und wieder zur Geduldsprobe werden. Dass sein jüngster
Film „La Grazia“ nicht nur die 82. Filmfestspiele von Venedig eröffnet,
sondern zugleich im Wettbewerb antritt, stellt daher ein leichtes Risiko
dar.
Sorrentino lässt seinen Lieblingsschauspieler Toni Servillo darin einen
fiktiven italienischen Staatspräsidenten spielen, dessen Amtszeit sich dem
Ende nähert. Mariano De Santis ist ein brillanter Jurist, dem
Berufsklischee entsprechend etwas steif, hinter seinem Rücken nennt man ihn
gern Stahlbeton. Seine Tochter Dorotea (Anna Ferzetti) berät ihn, arbeitet
ihm zu und kümmert sich sogar um seine Lebensführung. Statt Pasta verordnet
sie ihm zum Abendessen Quinoagerichte.
Etwas nagt an diesem vollendet altersweisen Presidente, denn er hat den Tod
seiner Frau mit dem symbolischen Namen Aurora vor acht Jahren bisher nicht
verwunden. Er soll ein Gesetz zur Euthanasie unterschreiben, findet aber
stets neue Änderungswünsche und erbittet regelmäßig Aufschub. Doch nach und
nach kommen die Dinge bei ihm in Bewegung.
Vor allem dieser Gesetzentwurf und zwei Gnadengesuche bei Mordfällen
bringen ihn auf andere Ideen. Nachdem er alle möglichen juristischen
Überlegungen zur Euthanasie erwogen und sogar Rat beim Papst (mit grauen
Braids: Rufin Doh Zeyenouin) gesucht hat, überrascht er seinen Stab
schließlich mit der für ihn untypischen Frage: „Wem schulden wir unsere
Tage?“
## Komische Höhepunkte
Das alles ist mit der bei Sorrentino gewohnten Zerdehntheit, andererseits
aber auch mit dem Sorrentino glücklicherweise eigenen Witz erzählt. Für
komische Höhepunkte sorgt Marianos Freundin Coco Valori (Milvia
Marigliano), die etwa sehr wenig von Doroteas Diätregime hält und auch
ansonsten nicht zu übermäßigem Respekt vor Amtsträgern neigt.
Zu Lachen gibt es in Teona Strugar Mitevskas Biopic „Mother“, mit dem die
Reihe Orizzonti eröffnete, hingegen sehr wenig. [1][Mitevska war 2019 in
der Berlinale mit der Gesellschaftssatire „Gott existiert, ihr Name ist
Petrunya“ im Wettbewerb] vertreten. Diesmal widmet sich die
nordmazedonische Regisseurin einer Station im Leben von Mutter Teresa, die
ihrerseits im heute Skopje genannten Üsküb geboren wurde, das damals noch
zum Osmanischen Reich gehörte.
Im Film wartet Teresa, mit nuancierter Strenge von Noomi Rapace dargeboten,
in Kalkutta darauf, dass der Heilige Stuhl ihr Gesuch, einen eigenen Orden
zu gründen, nach Jahren des Briefeschreibens endlich bewilligt.
Die Tage, die Mitevska systematisch herunterzählt, stellen Teresa und ihr
Kloster ähnlich den sieben Plagen auf die Probe. Eine ungewollte
Schwangerschaft im Kloster und die Zweifel Teresas an ihrer Mission sorgen
für ein heilloses Durcheinander, in dem auch Albträume und Anflüge von
Wahnsinn ihren Platz haben. Sogar einen Selbstmordversuch muss Teresa
verhindern. Dank Rapace’ Spiel, in dem ihre starre Mimik die
unterschiedlichsten Regungen wiederzugeben in der Lage ist, gerät die
heftige emotionale Dringlichkeit und hektische Kameraarbeit nicht zur
Bußübung.
29 Aug 2025
## LINKS
[1] /Berlinale-God-Exists-Her-Name-is-Petrunya/!5571811
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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