Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 100 Jahre Bauhaus in Dessau: Im besten Sinne modern
> Das Bauhaus in Dessau wird von rechts angefeindet. Umso wichtiger ist es,
> die Orte progressiver Erinnerung zu schützen.
Bild: Klare Formen: Das Bauhaus in Dessau 1926
Schon wieder wird das Bauhaus 100 Jahre alt. Während 2019 der [1][Jahrestag
der Bauhausgründung] begangen wurde, ist es nun – eine globale Pandemie,
eine zweite Trump-Regierung, einen weltweiten Handelskrieg, mehrere
verheerende Kriege und Hungersnöte, einen länderübergreifenden Anstieg
rechtsextremer Kräfte sowie die allesüberschwappende künstliche Intelligenz
später – das Jubiläum der Dessauer Schule, welches ab September gefeiert
wird. Genau der richtige Zeitpunkt also, mal wieder über das Bauhaus zu
sprechen.
1919, quasi parallel zur Weimarer Republik, wurde die Kunstschule in Weimar
von Walter Gropius gegründet. Unter dem Gesamtkunstwerk der Architektur
sollten alle Künste vereint werden, ob Malerei, Skulptur, Musik oder
Fotografie, ob Industrie-, Produkt-, Textil- oder Grafikdesign. Der
Schwerpunkt der Fachbereiche lag in den Werkstätten, geschlechtliche
Gleichberechtigung wurde (im Rahmen der Zeit) gefördert, allerlei
alternative Unterrichts- und Lebensformen ausprobiert – das Ganze unter der
Lehre legendärer Künstler:innen wie etwa László Moholy-Nagy, Paul Klee,
Marianne Brandt, Wassily Kandinsky oder Lyonel Feininger.
Es waren Etatkürzungen der Thüringer Regierung, die das Bauhaus zum Umzug
zwangen. Die Wahl fiel auf Dessau im heutigen Sachsen-Anhalt, in ein von
Walter Gropius geplantes neues Schulgebäude. Es steht trotz Umnutzung,
Brand, Umbauten und Rückbauten bis heute mittlerweile auch unter
[2][Unesco-Weltkulturerbe-Schutz].
Zu Recht und Gott sei dank, möchte man meinen, gilt das Bauhaus schließlich
bis heute als Wiege der gestalterischen deutschen Moderne. Was genau das
heißt, lässt sich dieser Tage sicherlich am besten vor Ort erkunden: „An
die Substanz“ heißt die [3][Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe], die
dort anlässlich des Jubiläums stattfindet und die Schule, ihre Lehrer,
Schüler, Dinge, Materialien und ihr Erbe in den Mittelpunkt rückt.
## Angriff der AfD
Ein passender Titel, will doch plötzlich, so viele Jahre später, die AfD –
diese Partei für das Ewiggestrige – der Institution an ebenjene Substanz.
Erst im Oktober 2024 bezeichnete die sachsen-anhaltinische Landtagsfraktion
das Bauhaus [4][als einen „Irrweg der Moderne“], das Gebäude als eine
„historische Bausünde“, die schlichte Formensprache der dort
hervorgebrachten Gestaltung als „Entfremdung des Menschen von seiner
Umwelt“ und forderte eine „kritische Auseinandersetzung“ mit der Geschich…
des Bauhauses, welches es prompt in die Nähe des Kommunismus rückte.
Ludwig Mies van der Rohe, der letzte und berühmteste Direktor der Schule,
kann damit nicht gemeint sein. Nach der Schließung der Schule 1933
versuchte er noch einige Jahre, sich dem NS-Regime anzubiedern, und
emigrierte erst 1938 in die USA, nachdem der Erfolg in Deutschland unter
den Nationalsozialisten ausblieb. Dort freundete er sich unter anderem mit
dem Architekten Philip Johnson an, der zeitweise glühender Anhänger des
deutschen Faschismus und seiner Ästhetik war.
Wäre die Kenntnis über seine Person nicht so unwahrscheinlich, ließe sich
der Angriff der AfD viel eher auf das Wirken des zeitweiligen Direktors
Hannes Meyer beziehen, der von 1928 bis 1930 zwischen Gropius und Mies van
der Rohe die Leitung der Kunstschule in Dessau übernahm. Wegen seiner
kurzen Wirkzeit und seiner politischen Überzeugung verschwindet er in der
Rezeptionsgeschichte häufig im Schatten der bekannten Vor- und Nachfolger.
Der Schweizer Architekt war ein überzeugter Sozialist, ein Praktiker,
Analytiker und Rationalist. Und doch bestechen seine Entwürfe durch
Details, die so liebevoll, durchdacht und schlicht schön sind, dass auch
das Irrationale einen Platz in seinem Herzen gehabt haben muss. Meyer
musste 1930 aus politischen Gründen zurücktreten. Der Rest seines Lebens
ist Tragödie.
## Faschistische Vernichtungsideologie
„Volksbedarf statt Luxusbedarf“ war sein Leitgedanke. Blickt man auf die
nach innen gewölbte Decke der Klassenräume der von ihm gebauten
Gewerkschaftsschule bei Bernau, die verhindert, dass es zum Schattenwurf
der Hand auf dem Papier bei Tageslicht kommt, versteht man, dass auch im
Volksbedarf ein wenig Luxus für alle wohnen kann. Blickt man hingegen auf
die Parolen der AfD und ihr Brüllen nach Zerstörung eines gesamtdeutschen
identitätsstiftenden Kulturguts unter dem Deckmantel der Elitenkritik,
versteht man, dass es sich um nichts als faschistische
Vernichtungsideologie handelt. Und blickt man zurück auf hundert Jahre
Bauhaus Dessau, versteht man, wie wichtig es ist, die Orte progressiver
Erinnerung, Ästhetik, Bildung und echter kultureller Identität zu schützen.
Das wäre dann auch im besten Sinne modern – denn das bedeutet laut Duden
unter anderem: „an der Gegenwart, ihren Problemen und Auffassungen
orientiert, dafür aufgeschlossen; in die jetzige Zeit passend“.
1 Sep 2025
## LINKS
[1] /Essay-zum-100-Bauhaus-Jubilaeum/!5589177
[2] https://www.unesco.de/staette/das-bauhaus-und-seine-staetten-in-weimar-dess…
[3] https://bauhaus-dessau.de/an-die-substanz-auftakt/
[4] /Bauhauskritik-der-AfD/!6038993
## AUTOREN
Hilka Dirks
## TAGS
wochentaz
Bauhaus Dessau
Bauhaus
Schwerpunkt AfD
Reden wir darüber
Moderne
Design
Bauhaus
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Berliner Moderne“: Erlaubte Sentimentalitäten
Der Siedlungsbau der 1920er Jahre ist wohnungspolitisch ein Vorbild für die
heutige Wohnungsnot. Das zeigt auch ein Blick auf die Hufeisensiedlung.
Deutsch-jüdische Designerinnen: Eleganz und Spiel
Gestalterinnen der Moderne: Der Nationalsozialismus hat viele von ihnen in
die Vergessenheit gedrängt. Das Jüdische Museum in Berlin stellt sie vor.
Ausstellung im Mies van der Rohe Haus: Kunst ist konkret
Eine Ausstellung im Berliner Mies van der Rohe Haus zeigt Kunst von Max
Bill, der einst am Bauhaus studierte. Blieb dies in seinem Werk sichtbar?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.