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# taz.de -- Verbandschef über Offshore-Windparks: „Wir brauchen mehr Planung…
> Stefan Thimm ist Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore.
> Ein Gespräch über hohe Risiken für Investoren und Umweltschäden.
Bild: Ein Offshore-Windpark in der Ostsee
taz: Herr Thimm, Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU)
[1][lässt ein Gutachten zum künftigen Strombedarf erstellen], das
sogenannte Energie-Monitoring. Was heißt das für den Ausbau von
Windkraftanlagen in der deutschen Nord- und Ostsee, der sogenannten
Offshore-Windenergie?
Thimm: Die gesetzlich festgelegten Ausbauziele für die Offshore-Windenergie
beruhen auf Annahmen zum künftigen Strombedarf. Bis 2030 sollen 30 Gigawatt
installiert sein, bis 204.5 70 Gigawatt – wobei wir das 2030-Ziel nach
heutigem Stand erst 2032 erreichen werden. Wer den prognostizierten
Strombedarf künstlich kleinrechnet, öffnet der Verzögerung beim Ausbau der
Erneuerbaren Tür und Tor. Dann entfällt der preisdämpfende Effekt von Wind-
und Solarstrom, die Strompreise bleiben hoch, und wir riskieren den Verlust
energieintensiver Industriearbeitsplätze.
taz: Stimmt es, dass der Strombedarf niedriger sein wird als angenommen?
Thimm: Derzeit liegt der Stromverbrauch tatsächlich unter den bisherigen
Annahmen – vor allem, weil der Hochlauf bei Wärmepumpen und E-Mobilität
langsamer verläuft als geplant. Aber: Wenn wir die Klimaziele ernst nehmen
und bis 2045 klimaneutral werden wollen, muss der Strombedarf wieder
deutlich steigen. Die Nachholeffekte kommen – und auf sie müssen wir uns
heute schon vorbereiten.
taz: Welche Konsequenzen hat es für [2][die Offshore-Windenergie], wenn die
Politik den angenommenen Strombedarf senkt?
Thimm: Dann stellt sich die Frage, ob die Ausbauziele für die
Offshore-Windenergie unverändert bleiben. Wir sagen: Ja. Offshore-Wind ist
ein zentraler Baustein der künftigen Stromversorgung. Der Wind auf See weht
sehr konstant; eine Offshore-Anlage erzeugt im Schnitt rund viermal so viel
Strom wie eine Photovoltaikanlage mit derselben Leistung und bis zu 1,7-mal
so viel wie eine Windkraftanlage an Land. Diese Effizienz darf nicht
leichtfertig verspielt werden.
taz: Bei Solarenergie und Windkraft an Land drohen bei ungünstigen
Wetterverhältnissen sogenannte Dunkelflauten, in denen kaum Strom erzeugt
wird. Gibt es das auch bei Offshore-Windkraft?
Thimm: Die spielen bei uns eine untergeordnete Rolle, vor allem wenn mal
auch küstenferne Gebiete für Offshore-Wind genutzt werden. Dort weht der
Wind oft dann besonders stark, wenn er näher an der Küste schwächer ist.
Und andersherum. Diese Gebiete stabilisieren gegenseitig das Gesamtsystem.
Zudem erzeugen wir besonders viel Energie im Winterhalbjahr, also in
Zeiten, in denen beispielsweise Solaranlagen deutlich weniger leisten.
Deshalb ist Offshore-Windenergie besonders wichtig für Deutschland. Die
Bundesregierung wäre also gut beraten, die Ausbauziele nicht zu kürzen.
Zumindest wenn sie die Strompreise wettbewerbsfähig halten möchte.
taz: Warum würden durch weniger Windräder im Meer höhere Kosten entstehen?
Thimm: Weniger Offshore-Windenergie müsste kompensiert werden durch eine
andere Energieerzeugung, die im Winter Strom zur Verfügung stellt, und zwar
dauerhaft und CO2-neutral. Jetzt kann man sagen: Das kann vorübergehend ein
Gaskraftwerk machen. Das ist nicht grundsätzlich falsch – macht uns aber
abhängig von Marktschwankungen. Und wirft uns beim Klimaschutz zurück. Und
das kostet beides viel Geld, und zwar langfristig.
taz: Im August hat zum ersten Mal bei einer Ausschreibung für Windflächen
in der deutschen See [3][kein einziger Bieter ein Gebot abgegeben]. Ist das
ein Ergebnis der Energiepolitik der neuen Bundesregierung?
Thimm: Nein, die Regeln für die Auktionen sind festgelegt worden, bevor die
neue Bundesregierung angetreten ist. Der Grund für die fehlenden Gebote
sind die Marktrisiken, die der Gesetzgeber den Entwicklern von Projekten
zumutet. Das sorgt für Verunsicherung bei einigen Akteuren. Aber die gute
Nachricht ist: das lässt sich durch bessere Ausschreibungsregeln ändern.
taz: Wie könnten Projekte für Investoren attraktiver werden?
Wir brauchen mehr Planungssicherheit. Deshalb fordern wir die Einführung
sogenannter Contracts for Difference, wie es sie in Großbritannien bereits
gibt. Der Staat garantiert einen Mindestpreis pro Kilowattstunde, den
Bieter in einer Auktion ermitteln. Liegt der Marktpreis darüber, schöpft
der Staat die Differenz ab. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
hat berechnet, dass durch diese Sicherheit für Investoren die Kosten so
stark fallen, dass die Stromerzeugungskosten um 30 Prozent sinken.
Investoren müssen nicht mehr ihre Glaskugel herausholen, um den Erlös pro
Megawattstunde Strom in zehn oder mehr Jahren schätzen zu können.
taz: Die Branche fordert auch den Ausbau der Häfen. Warum?
Thimm: Wir brauchen einen Ausbau der Hafen-Infrastruktur, damit die
Komponenten für Windenergieanlagen auch umgeschlagen werden können. Dazu
sind schwerlastfähige und lange Kai-Kanten erforderlich. Vom Hafenausbau
würden auch die Photovoltaik und die Windenergie an Land profitieren – und
nicht zuletzt das Militär, da sehen wir Synergien. Das zeigt uns der Hafen
im dänischen Esbjerg. Die Bundesregierung hat den
500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds aufgelegt und will die Zeitenwende
umsetzen. Da kann man nur sagen: Bitte gebt das Geld dafür auch für die
Häfen aus. Sonst schafft ihr ein Nadelöhr.
taz: Offshore-Windenergie [4][ist nicht unumstritten]. Kritiker:innen
weisen auf die Beeinträchtigung der Ökosysteme im Meer hin.
Thimm: Ja, hin und wieder gibt es Reibungspunkte. Für uns ist zwar klar,
dass Offshore-Wind ein Instrument zum Klimaschutz ist, der Ökosysteme
stresst. Aber wenn wir Offshore-Windenergieanlagen mit Raubbau und auf
Kosten der Natur betreiben würden, würden wir Klimaschutz und Artenschutz
gegeneinander ausspielen. Das funktioniert nicht.
taz: Aber der Bau der Anlagen ist doch ein harter Eingriff in die Natur?
Thimm: Die zuständigen Behörden und unsere Mitgliedsunternehmen beobachten
die Meeresumwelt sehr genau. Der Bau der Anlagen ist zwar laut, wird aber
streng überwacht. Vor Rammarbeiten, also bevor wir Fundamente installieren,
vergrämen wir Schweinswale, damit sie mindestens zwei Kilometer entfernt
sind. Wir wissen, dass die Tiere binnen 48 Stunden zurückkehren. Unsere
jüngste Studie dazu zeigt sogar: Innerhalb von Offshore-Windparks im
Betrieb halten sich mehr Schweinswale auf als in der unmittelbaren
Umgebung. Der Grund ist, dass dort neue Ökosysteme entstehen, weil dort
nicht gefischt werden darf. Wir finden dort Kabeljau, Krebse, und vor
Helgoland finden wir wieder den blauen europäischen Hummer, der als vom
Aussterben bedroht gilt. Es wird immer deutlicher, dass Offshore-Windparks
wertvolle Biotope sind.
20 Aug 2025
## LINKS
[1] /Reiches-umstrittenes-Energiegutachten/!6099622
[2] /Offshore-Windpark/!t5010088
[3] /Ausschreibung-von-Windkraftanlagen/!6102109
[4] /Studie-zu-Offshore-Windparks/!5898804
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
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