# taz.de -- Ausstellung in Berlin: Vom Kinderstar zum Modefotografen | |
> Rico Puhlmann verstand es, Mode für Hochglanzmagazine fotografisch zu | |
> inszenieren. Das Berliner Museum für Fotografie widmet ihm nun eine | |
> Retrospektive. | |
Bild: Christy Turlington mit Amethyst und einer Halskette von Stephen Dweck. In… | |
Als sich die Mode aus Berlin zurückzog, verließ auch Rico Puhlmann die | |
Stadt. Bis dahin war er neben [1][F. C. Gundlach], Hubs Flöter oder | |
[2][Charlotte March] ein bekannter und viel beschäftigter Modefotograf. | |
Sein Weggang 1970 nach New York war riskant. Könnte er sich dort gegen | |
Richard Avedon oder Irving Penn durchsetzen? Die Wette ging auf. | |
Bereits im August desselben Jahres hatte er seine erste Veröffentlichung in | |
Glamour, zwei Jahre später sein erstes Titelfoto im Hochglanzmagazin | |
Harper’s Bazaar, für das er bis 1992 auch mit Supermodels wie Cindy | |
Crawford und [3][Naomi Campbell] regelmäßig große Fotostrecken schuf. | |
Er war schon einmal ein Star gewesen und dann ausgestiegen. Damit setzt | |
seine große Retrospektive „Rico Puhlmann. Fashion Photography 50s–90s“ im | |
Museum für Fotografie ein. Ein Kinderstar der UFA, seit der Berliner 1940 | |
als Sechsjähriger zum ersten Mal vor der Kamera stand, spielte er bis 1954 | |
in rund 15 Filmen. | |
Es wären mehr geworden, hätte er sich nicht 1951 an der Hochschule für | |
Bildende Künste im Fach Modegrafik eingeschrieben. Aber ganz ließ ihn der | |
Film nicht los. Nach dem Wechsel vom Stift zur Fotokamera kam das im | |
Filmstudio erworbene Gespür für Licht und Kulissen bei seinen | |
Modeinszenierungen deutlich zur Geltung. | |
## Ab den 1970er widmete er sich dem Film | |
Ab 1973 wurde er selbst Filmer und stellte – noch immer von der Stadt und | |
ihrem Straßenbild fasziniert – Beiträge aus New York für [4][das vom SFB | |
produzierte „Modejournal]“ her. Wie in der Ausstellung zu sehen, mischte er | |
inszenierte Szenen, in denen professionelle Models New Yorker Labels wie | |
Ralph Lauren, Calvin Klein oder Oscar de la Renta vorstellten, mit | |
dokumentarischen Street-Style-Aufnahmen, beispielsweise von den Puerto | |
Ricaner:innen und Schwarzen, die sich am Wochenende am Bethesda | |
Fountain im Central Park trafen. | |
Die zweimal im Jahr am Sonntagnachmittag im ersten Programm ausgestrahlten | |
Beiträge, die Puhlmann mit aktuellen Charthits unterlegte, trugen | |
maßgeblich dazu bei, dass amerikanische Mode in Deutschland populär wurde. | |
Indem Puhlmann die Trends des Street Styles wie Plateauschuhe, Kniestrümpfe | |
oder riesige Goldkreolen sehr genau beobachtete, lieferte er einen | |
direkten, unverstellten Blick auf die Jugendkultur, wie ihn die damalige | |
Modepresse nicht kannte. Ihm war auch der modische Einfluss von New | |
Hollywood mit Filmen wie „Chinatown“, „The Clou“ oder „The Great Gats… | |
vor allem auf junge Männer bewusst. | |
Als echter Mode-Aficionado selbst Teil der Pop- und Subkultur konnte er ab | |
1980 mit seinem Engagement bei GQ (Gentlemen’s Quarterly) an der Seite von | |
Bruce Weber das Bild eines neuen, modernen Mannes entwerfen, der natürlich | |
längst schon in den Straßen der internationalen Metropolen unterwegs war. | |
Dank seines sportlich gestählten Körpers konnte der neue Mann Kleidung | |
lässig tragen. Weiche, fließende Stoffe waren kein Tabu mehr. Ja, er durfte | |
es sich selbst bequem machen, wie Puhlmanns Aufnahme von zwei regelrecht | |
hingebetteten Männermodels 1982 in GQ zeigt. | |
## Puhlmann ging es nie um Tabubruch | |
Anders als [5][Helmut Newton] oder [6][Guy Bourdin] ging es Rico Puhlmann | |
nie um den Tabubruch. Vielmehr agierte er bei seinen Fotoshootings zunächst | |
als Kenner von Mode und Kleiderhandwerk und dann als Profi in der Kunst der | |
Performance. | |
Puhlmanns Aufnahmen sind sehr lebendig. Das liegt auch daran, dass er gerne | |
im Freien arbeitet und die Mode im Kontext von Alltag, Urbanität, Freizeit | |
und Reisen zeigt. Wie sich dieser, sein spezifischer Stil entwickelt hat, | |
lässt sich anhand der frühen Modezeichnungen, Polaroids und Filme, der | |
Zeitschriftencover und großen Bildstrecken sowie der Terminkalender gut | |
nachvollziehen. | |
In der sorgfältig und kenntnisreich gehängten Ausstellung kommen nicht nur | |
Foto- und Mode-, sondern auch Presse- und Kulturgeschichte zur Sprache. | |
[7][Und weil gerade Jubiläum ist]: Typisch für Puhlmanns Idee vom Auftritt | |
der Mode ist das Model, das er 1995 vor dem von [8][Christo und | |
Jeanne-Claude] verhüllten Reichstag fotografiert. | |
Die Aufnahme ist ein heiteres Modebild – weit entfernt vom statuarisch | |
präsentierten Glamour einer Modefotografie, mit der in dieser Zeit | |
Fotografen wie Steven Meisel oder Mario Testino im Zusammenspiel mit | |
Stylisten, Make-up-Artists und Art Direktoren die Deutungshegemonie | |
gegenüber der Mode beanspruchten. | |
Rico Puhlmann wollte da nicht mitgehen und orientierte sich wieder nach | |
Europa. Der verhüllte Reichstag erschien in der italienischen | |
Modezeitschrift Amica. Für einen weiteren Auftrag bestieg er am 17. Juli | |
1996 den Flug TWA 800 nach Paris und kam beim Absturz der Maschine gleich | |
hinter Manhattan ums Leben. | |
30 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Nachruf-auf-FC-Gundlach/!5385416 | |
[2] /Zwei-markante-Fotoausstellungen/!5858877 | |
[3] /Buch-ueber-Model-Naomi-Campbell/!5729284 | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=lWsLlytEwYI | |
[5] /Helmut-Newton-im-Museum-fuer-Fotografie/!5814911 | |
[6] /Guy-Bourdin-Ausstellung-in-Hamburg/!5055158 | |
[7] /25-Jahre-Christos-Reichstagsverhuellung/!5691747 | |
[8] /Doku-Christo--Walking-on-Water/!5584896 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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