# taz.de -- Die Wahrheit: Bela Lugosis Auferstehung | |
> Die Band Bauhaus hat die Darkwave-Hymne schlechthin geschaffen, und wer | |
> bei ihrem ersten Konzert in Deutschland dabei war, darf sich Guru nennen. | |
Neulich las ich etwas über Anna de Ville. Die 28-jährige amerikanische | |
Pornodarstellerin aus Portland, die im wahren Leben wohl Emily Anne Wiprud | |
heißt, aber mit ihrem Künstlernamen lieber auf eine teuflische Stadt in den | |
analen Gefilden des Marquis de Sade anspielt, hat eines mit mir gemeinsam. | |
Nein! Nicht ihre sexuellen Vorlieben und schon gar nicht ihr gutes Aussehen | |
oder ihre schier unvergängliche Jugend, die sie offenbar im hedonistischen | |
Sinne gern, ausgiebig und gewissenhaft verschwendet. | |
Aber Frau Wiprud ist ein begeisterter Fan von Bauhaus. Der größte Hit der | |
1978 im englischen Northhampton gegründeten Darkwave-Band ist [1][„Bela | |
Lugosi’s Dead“]. Die Gothic-Hymne schlechthin. Das neunminütige Stück ist | |
eine Hommage an den berühmten Dracula-Darsteller der dreißiger Jahre. Und | |
ich war beim ersten Auftritt von Bauhaus in Deutschland dabei. Also nicht | |
in den Dreißigern. Aber am 27. März 1980. Vor 45 Jahren. | |
Wenn ich [2][gothisch gestimmten jungen Leuten] von dieser historischen | |
Begebenheit berichte, bekommen sie glänzende Augen, fallen vor mir auf die | |
Knie und vollziehen mit beiden ausgestreckten Armen eine Gebetsgeste, die | |
Orantenhandlung genannt wird. Als wäre ich ihr Guru. Apropos, große alte | |
Männer. [3][Guru Guru] habe ich damals ebenfalls live gesehen. Mit Mani | |
Neumeier. Der Krautrocker, der den „Elektrolurch“ gab. Aber das ist eine | |
andere elektrisierende Geschichte. | |
Bauhaus jedenfalls traten in meinem Heimatort Moers auf, genauer: in einer | |
Diskothek elf Kilometer vor den Toren der kleinsten Großstadt Deutschlands | |
– im Aratta. Von dem die „Bauhaus List of Live Shows“ im Internet | |
behauptet, der Club habe „Ratter“ geheißen. Drei Tage später erst spielten | |
Bauhaus im mittlerweile weltbekannten SO36 in Berlin-Kreuzberg. Das heute | |
längst vergessene Aratta hingegen war ein winziger Laden auf dem Land, in | |
dem auch die Toten Hosen oder Die Ärzte früh auftraten, zu dem man | |
allerdings trampen musste, weil nichts Öffentliches dorthin fuhr, was vor | |
allem zurück mitten in der Nacht ein heikles Problem darstellte. | |
Am vorigen Sonntag hatte das Berliner Radioeins wieder einen seiner | |
„Sommersonntage“ im Programm und präsentierte [4][„die 100 besten Songs | |
zwischen New Wave & Gothic“]. Bauhaus erreichte mit „Bela Lugosi’s Dead“ | |
Platz drei. Und vor meinem inneren Auge erschien mein Uralt-Kumpel Udo | |
Gansewig, der ungefähr 50 Zentimeter vom Bauhaus-Sänger Peter Murphy | |
entfernt von einem Duisburger Ur-Punk mit dem krummen Künstlernamen Willi | |
Wucher im Schleudergang tanzend herumgewirbelt wurde, woraufhin der | |
Aratta-Besitzer uns androhte, dass wir sofort rausfliegen, wenn wir nicht | |
aufhören. | |
Willi Wucher ist heute noch pöbelnder Punk. Denn: „Punk never dies.“ | |
Perfekt wäre die Story, wenn er und Anna de Ville verheiratet wären. Dann | |
könnten sie sich mit vollem Doppelnamen Wucher-Devil nennen. „Undead, | |
undead, undead …“ | |
14 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://youtu.be/Yy9h2q_dr9k?si=UfOQU47Nr1XhRI5M | |
[2] /Gothic-Revival/!6062514 | |
[3] /Die-Elektrolurche/!1720537/ | |
[4] https://www.radioeins.de/musik/top_100/2025/dark-wave/our_darkness_die_top_… | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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