# taz.de -- Die Wahrheit: Was zählt, ist auf dem Petersplatz | |
> Es ist wieder Konklave-Zeit. Wie immer berichtet die Wahrheit live von | |
> der spannungsgeladenen Papstwahl aus dem Estadio Vaticano in Rom. | |
Bild: Eisenharter Stürmer des Vatikans in Purpurrot: Camillo „Don“ Ruini | |
Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, wir melden uns hier aus dem | |
herrlichen Estadio Vaticano, das mit rund 100.000 Zuschauern ausverkauft | |
ist. Unter dem vom Architekturbüro Michelangelo wunderbar gestalteten | |
Tribünendach ist die Stimmung euphorisch. Auch 5.000 Kollegen sind auf den | |
Presseplätzen versammelt, um das Konklave gemeinsam mit Ihnen daheim live | |
zu erleben. | |
Bei angenehmen Frühlingstemperaturen erwarten wir eine spannungsgeladene | |
Partie mit allem, was ein Konklave zu bieten hat. Aber wie heißt es so | |
schön: Das Konklave hat seine eigenen Gesetze. Der Ausgang ist ungewiss, | |
wobei wir eins bereits vorab wissen: Am Ende werden wir einen verdienten | |
Sieger haben. Oder wie der große Bochumer Papst Hermann I. einmal sagte: | |
Hätte, wenn und aber, alles nur Gelaber. | |
Was zählt, ist auf dem Petersplatz. Das Spielfeld ist in einem guten | |
Zustand, und die Mannschaften stehen auch schon bereit. Die Italiener wie | |
immer lautstark und siegessicher. Aber heute könnten ihnen die Afrikaner | |
einen Strich durch die Rechnung machen. Allerdings streicheln und tätscheln | |
sie gerade wieder einmal die Köpfe der Einlaufkinder eine Spur zu lange und | |
zu intensiv, als hätten sie seit Jahren keine Messdiener mehr gesehen. | |
Doch lauschen wir zunächst der Hymne: „Veni Creator“. Wer den Text mitlesen | |
und vor allem mitsingen möchte, kann das wie immer auf unserer | |
Teletextseite 666 tun … | |
So, meine Damen und Herren, hören Sie den Jubel? Eine erste La Ola streicht | |
durch diesen römischen Hexenkessel. Die letzten Takte des Musikkorps der | |
Schweizer Garde sind kaum verklungen, da bittet der Camerlengo Kevin | |
Farrell die Spielführer zu sich und mahnt ein faires Konklave an. Artig | |
reichen sich die Purpurröcke die Hände und tauschen Wimpel aus. Eine | |
gespannte Erwartung liegt überm weiten Rund. Jedes Konklave beginnt bei | |
null. | |
## Steilpass aus den Wolken | |
Und schon geht’s los. Ein Auftakt nach Maß für die Italiener, die mit ihrem | |
Star Pietro Parolin von Inter Mailand über den rechten Flügel kommen. Er | |
pflückt den Steilpass aus den Wolken und – Foul! Foul! Der Camerlengo | |
stürzt herbei und nestelt auch schon am Karton. Gelbe Karte! Zu Recht! Der | |
Mann in Schwarz verwarnt Fridolin Ambongo Besungu, den beinharten | |
Verteidiger von Real Madrid. Immer diese Nickligkeiten der Afrikaner. Eine | |
solche Blutgrätsche gehört nicht in ein modernes Konklave. Wer da von | |
internationaler Härte spricht, sollte sich anschauen, wie Parolin mit | |
schmerzverzerrtem Gesicht hinaushumpelt an die Seitenlinie, gestützt von | |
den Medizinmännern. Heiliger Himmel! Das sieht nicht gut aus. Hoffen wir, | |
dass das Eisspray Wunder bewirkt. | |
Moment! Der VAR, der Vatican Assistant Referee, meldet sich aus dem Keller | |
des Kölner Doms. Videobeweis! Rot! Glatt purpurrot für Besungu! | |
„Camerlengo, wir wissen, wo dein Auto steht!“, schallt es aus der Kurve der | |
Ultras von Opus Diego. | |
Ein Konklave ist eben kein Mädchenpensionat. Auch wenn sich manche | |
Mitwirkenden das wahrscheinlich wünschen. Es zählt nur das Ergebnis. Und | |
weiter geht’s mit der ersten Standardsituation. Die Afrikaner bilden eine | |
Mauer, der Camerlengo muss sie noch auf den Neunmeterfünfzig-Abstand | |
bringen. Für die Italiener tritt Pierbattista Pizzaballa von Juventus Turin | |
an. Ein Doktor Hammer vor dem Herrn mit einem mächtigen Bums. Er zieht ab, | |
und der Keeper hält. | |
Jetzt ein Befreiungstheologenschlag aus dem Strafraum der Kongregation | |
direkt ins gegnerische Feld. Doch der Assistent des Inquisitors auf der | |
anderen Seite hebt sofort die Fahne. Das war nie und nimmer Abseits! | |
Eindeutig eine Konfessionsentscheidung. | |
Ein energischer Pfiff des Camerlengo. Halbzeit im Estadio Vaticano. Der | |
Pausentee wartet auf die Aktiven. Ein erstes Fazit lautet: Die Italiener | |
lassen nichts anbrennen, die Afrikaner halten sich trotz einem Mann weniger | |
wacker und an den Deutschen geht das Konklave bislang völlig vorbei. | |
Wahrscheinlich entscheidet heute die Tagesform. Aber warten wir auf die | |
zweite Hälfte, in der sich die taktischen Zwänge hoffentlich in Rauch | |
auflösen. Bleiben Sie dran. | |
Und da sind wir auch schon wieder in der Vatikan-Arena von Rom. Die Luft | |
flirrt vom Oblatenduft, der Messwein funkelt in den Plastikbechern, das | |
Publikum feuert seine Lieblinge an. Es kann weitergehen. Und die Afrikaner | |
kommen mit wehenden Soutanen. Hinten brennt es lichterloh bei den | |
Italienern. | |
Und aus, aus, das Spiel ist aus. Nein! Doch nicht. Pardon. Ich hatte schon | |
weißen Rauch aufsteigen sehen. Aber das Feuer ist gelöscht, der Ofen kalt. | |
Ohne Pyrotechnik auf den Rängen kann das ja nichts werden. Also plätschert | |
die Partie pomadig vor sich hin. Ein Papst würde dem Konklave jetzt guttun. | |
Doch denken wir daran: Im Konklave ist alles möglich. Wobei für die | |
Afrikaner offenbar nur eins wichtig ist: Hinten muss die Null stehen. Und | |
die heißt Peter Turkson. Ein echter Bruder Leichtfuß. Der ghanaische | |
Ausputzer lässt sich verladen von Camillo „Don“ Ruini, und es steht eins zu | |
null für die Italiener. Ein humorloser Treffer wie aus dem Nichts. Ein | |
Schuss, ein Strich. Ein Kabinettstückchen der hängenden Spitze, die dahin | |
geht, wo es wehtut. | |
So können die Afrikaner nur noch Meister der Herzen werden. Immer dieses | |
Klein-Klein. Auf dem tiefen Boden in der Sixtinischen Kapelle tun sie sich | |
besonders schwer. Und gegen die italienischen Maurer mit ihrem Catenaccio | |
einen Erfolg zu erzielen, ist schier unmöglich. Da kann nur noch ein Wunder | |
von Bern helfen. | |
Nur noch wenige Minuten bis zum Abpfiff. Der Camerlengo schaut schon auf | |
die Uhr, und die Assistenten bereiten den weißen Rauch vor. Die Italiener | |
haben über den Kampf zum Konklave gefunden. Jetzt müssten die Afrikaner | |
Moral zeigen. Aber ihr Credo, dass der Star die Mannschaft ist, hilft | |
wieder einmal nicht. Sie sind eben traditionell eine Heimmannschaft. Erst | |
wenn der Vatikan in Kinshasa steht, werden sie als Sieger vom Platz gehen. | |
## Weiße Rauch gen Himmel | |
Der Schlusspfiff. Camerlengo Farrell hebt beide Arme und zeigt auf den | |
Anstoßpunkt. Weiße Rauchfahnen wehen durch den römischen Himmel. Die Pyro | |
ist gewaltig. Das Stadion bebt. Die Italiener liegen sich in den Armen. | |
Sieg auf ganzer Grundlinie. Pietro Parolin reißt sich die Kapitänsbinde vom | |
Arm und wirft sie in die Zuschauermenge. „Habemus Campione“, skandieren | |
seine Fans. Und da: ein bewegender Moment. Die Zuschauer erheben sich von | |
ihren Plätzen und applaudieren frenetisch. | |
Tatsächlich! Es ist Jesus von Nazareth United. Der Altinternationale | |
klettert aus seiner Loge. „Inri! Inri!“, skandiert das ganze Stadion seinen | |
Spitznamen. Gefillte Fische werden auf den Rasen geworfen. Seine | |
Lieblingsspeise. Der einstige Fußballgott überreicht jetzt seinem | |
Nachfolger unter Tränen den goldenen Meisterring. | |
Mit dieser ergreifenden Szene verabschieden wir uns und geben zurück aus | |
Rom in die angeschlossenen Funkhäuser. | |
7 May 2025 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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