| # taz.de -- Kinder-Wohnungslosigkeit in Berlin: Jung und ohne Aussicht | |
| > Mehr als 15.000 Minderjährige in Berlin sind wohnungslos – Tendenz | |
| > steigend. Der Kinderschutzbund fordert Maßnahmen, die Grünen einen | |
| > Systemwechsel. | |
| Bild: Wer in Berlin in einer Flüchtlingsunterkunft wie hier in Tegel lebt, kom… | |
| Berlin taz | Der [1][Kinderschutzbund Berlin] fordert angesichts der | |
| gestiegenen Zahlen von wohnungslosen Kindern und Jugendlichen eine | |
| sofortige Landesinitiative, um Minderjährige zu schützen. „Das Recht auf | |
| Wohnen ist ein Menschenrecht und gilt insbesondere für Kinder, Jugendliche | |
| und deren Familien“, sagt Sabine Bresche, Koordinatorin der Beratungsstelle | |
| des Kinderschutzbundes Berlin, am Montag. Ohne einen geschützten und | |
| sicheren Ort drohe jungen Menschen „ein Aufwachsen in ständiger | |
| Unsicherheit, was auf die gesamte Entwicklung massive Auswirkungen haben | |
| kann“. | |
| Laut einer [2][Antwort der Senatssozialverwaltung] auf eine Anfrage des | |
| Grünen-Abgeordneten Taylan Kurt waren Ende Januar dieses Jahres 15.710 | |
| Menschen unter 18 Jahren als Wohnungslose untergebracht. Damit ist fast ein | |
| Drittel aller Wohnungslosen in Berlin minderjährig. Hinzu kommen | |
| [3][verdeckt wohnungslose] und obdachlose Minderjährige. | |
| Als wohnungslos gilt, wer keinen eigenen Wohnraum hat und in | |
| Notunterkünften, bei Freund*innen oder Bekannten oder auf der Straße | |
| lebt. In Berlin gab es im vergangenen Jahr insgesamt rund [4][47.000 | |
| untergebrachte wohnungslose Menschen], 6.000 Obdachlose und 2.300 verdeckte | |
| Wohnungslose. | |
| Als wohnungslos zählen auch sogenannte statusgewandelte Geflüchtete, also | |
| Menschen, die Asyl oder eine Duldung bekommen haben, aber aufgrund des | |
| angespannten Wohnungsmarkts und/oder [5][rassistischer Diskriminierung] | |
| keine eigene Wohnung finden und in Geflüchtetenunterkünften leben müssen. | |
| Das betrifft 12.612 Minderjährige, wie die Sozialverwaltung auf taz-Anfrage | |
| mitteilt. | |
| ## Teils keine Kinderschutzkonzepte | |
| Die Zahl der wohnungslosen Kinder und Jugendlichen in der Hauptstadt steigt | |
| seit Jahren rasant an. So waren es [6][im Jahr 2022 noch 6.205]. Innerhalb | |
| von drei Jahren ist ihre Zahl also um mehr als 150 Prozent gestiegen. Im | |
| Vergleich zu 2024 sind es rund 15 Prozent mehr. | |
| Dass der schwarz-rote Senat trotz der steigenden Zahlen keine konkreten | |
| Sofortmaßnahmen ergriffen hat, ist aus Sicht des Kinderschutzbundes nicht | |
| nachvollziehbar. „Wohnungslosigkeit unter Kindern ist kein Zufall. Das | |
| Ignorieren dieser dramatischen Situation ist strukturelle Gewalt gegen | |
| Kinder und deren Familien“, so Bresche. | |
| Was es jetzt brauche, sei „sofortiges Handeln, um den Kinderschutz zu | |
| gewährleisten“. Dazu gehörten neben einem beschleunigten Ausbau des | |
| sozialen Wohnraums für Familien die Einrichtung von Übergangswohnungen, | |
| [7][präventive Maßnahmen gegen Wohnungsverlust] sowie die Umsetzung von | |
| Kinderschutzkonzepten in allen Notunterkünften, in denen Familien | |
| untergebracht werden. | |
| Denn für Minderjährige, die nicht in Flüchtlingsunterkünften des Landes | |
| Berlin, sondern in bezirklichen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe nach | |
| dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) untergebracht sind, | |
| gibt es nicht zwangsläufig Kinderschutzkonzepte, geschweige denn familien- | |
| beziehungsweise kindgerechte Unterkunftsplätze. Zwar wurden im vergangenen | |
| Jahr seitens der Bezirke Mindeststandards mit den externen Trägern | |
| vereinbart, die solche Konzepte vorsehen. Diese werden laut Senat aber erst | |
| „sukzessive umgesetzt“. | |
| ## Gemeinwohlorientiertes System könnte helfen | |
| Laut Taylan Kurt von den Grünen geht das bei weitem nicht schnell genug. | |
| Dabei drängt die Zeit. Denn angesichts des [8][Mangels an bezahlbarem | |
| Wohnraum] und der [9][politischen Agenda der schwarz-roten Landesregierung] | |
| werden auf absehbare Zeit nicht ausreichend erschwingliche Wohnungen für | |
| Familien entstehen, das Problem wird sich damit künftig noch verschärfen. | |
| Kurt fordert daher Mindeststandards für Kinder und Jugendliche in den | |
| Unterkünften wie Aufenthalts- und Lernräume. „Die extrem beengten | |
| Verhältnisse von Notunterkünften sind für die Entwicklung nicht | |
| förderlich“, so Kurt zur taz. Das wirke sich auch auf die Schule aus. „Die | |
| Kinder haben keinen Ort, wo sie ihre Hausaufgaben machen können.“ Auch | |
| psychische Probleme seien die Folge. | |
| Das kostet allerdings Geld – das der Senat nicht hat. Nötig sei daher ein | |
| grundlegender Wandel der Unterbringung. „Das gesamte System gehört | |
| reformiert“, sagt Kurt. „Notunterkünfte sind eine Gelddruckmaschine für | |
| Spekulanten und Investoren.“ Es dürfe nicht sein, dass mit | |
| Wohnungslosigkeit Geld verdient wird. Stattdessen brauche es ein | |
| gemeinwohlorientiertes System der Unterbringung. Würden Einrichtungen der | |
| Wohnungslosenhilfe von sozialen Trägern geführt, könnten diese die Gewinne | |
| ins System reinvestieren, statt dass sich gewinnorientierte private | |
| Betreiber die eigenen Taschen voll machen. | |
| Daran wird sich aber so schnell nichts ändern. Derzeit arbeitet der Senat | |
| zwar an einem Gesetz zur [10][gesamtstädtischen Steuerung der | |
| Unterbringung], mit dem einheitliche und bessere Standards gelten sollen. | |
| Am System der privaten Betreiber wird sich dadurch aber nichts ändern. | |
| ## Mangel an Frauenhäusern verschärft das Problem | |
| Ein weiteres Problem bei der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen ist | |
| der [11][Mangel an Frauenhäusern]. Da diese wegen Überfüllung immer wieder | |
| Schutzsuchende abweisen müssen, landen die Familien ebenfalls in der | |
| Wohnungslosenhilfe. | |
| In Berlin gibt es acht Frauenhäuser, weitaus weniger als vorgeschrieben. | |
| Laut geltender Istanbul-Konvention bräuchte die Hauptstadt rund 920 | |
| Schutzplätze. Insgesamt gibt es gerade mal die Hälfte. Die Kinder und | |
| Jugendlichen, die in Frauenhäusern leben, sind nicht in der | |
| Wohnungslosenstatistik enthalten und kommen noch obendrauf. Da Frauen und | |
| Familien angesichts des Wohnungsmangels immer länger in den Frauenhäusern | |
| bleiben müssen, sind auch ihre Aussichten prekär. | |
| 11 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://kinderschutzbund-berlin.de/ | |
| [2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-23… | |
| [3] /Verdeckt-wohnungslos/!6097955 | |
| [4] https://www.berlin.de/sen/soziales/besondere-lebenssituationen/wohnungslose… | |
| [5] /Diskriminierung-bei-der-Wohnungssuche/!5655911 | |
| [6] https://www.berlin.de/sen/soziales/besondere-lebenssituationen/wohnungslose… | |
| [7] /Experte-zu-Plan-gegen-Wohnungslosigkeit/!6003588 | |
| [8] /Null-neue-Sozialwohnungen-in-Berlin/!5877790 | |
| [9] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6080499 | |
| [10] /Wohnungslosigkeit/!5608010 | |
| [11] /Gewalt-gegen-Frauen/!6022494 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
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