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# taz.de -- Diskussion über Atomwaffen: Japan denkt das Undenkbare
> Die Erinnerungen an die Bombe verblassen. Die Idee nuklearer Abschreckung
> findet in Japan jedoch wieder Befürworter – trotz Warnungen aus
> Hiroshima.
Bild: Mit einer Schweigeminute gedenkt Hiroshima der Opfer des Atombombenabwurf…
Tokio taz | Zu den Schlägen der Glocke im Friedenspark von Hiroshima haben
am Mittwoch 55.000 Menschen mit einer Schweigeminute der Opfer des
Atombombenabwurfs vor 80 Jahren gedacht. Bei der Explosion um 8.15 Uhr am
6. August 1945 starben geschätzt 70.000 Menschen sofort, weitere 70.000 bis
zum Jahresende. Zigtausende, Hibakusha genannt, erlitten Strahlenschäden.
Bei der Gedenkfeier rief Hiroshimas Bürgermeister die Jugend zum Kampf
gegen Atomwaffen auf. „Sie muss erkennen, dass eine fehlgeleitete Politik
in Bezug auf Atomwaffen völlig unmenschliche Folgen haben kann“, sagte
Kazumi Matsui. „Wir, das Volk, dürfen niemals aufgeben.“
[1][Premier Shigeru Ishiba sagte] vor Vertretern von 120 Nationen, Japan
müsste als einziges Land, das die Schrecken einer nuklearen Verwüstung im
Krieg erlebt hat, die weltweiten Bemühungen um eine atomwaffenfreie Welt
vorantreiben: „Wir müssen die unerträglichen Erfahrungen und Erinnerungen
über Generationengrenzen weitergeben.“
Er zitierte ein 31-silbiges Tanka-Gedicht von Shinoe Shoda, das sie 1947
trotz eines Kritikverbots der damaligen US-Besatzer an ihren Streitkräften
über das Leid von Hiroshima veröffentlichte: „Der schwere Knochen muss von
einem Lehrer stammen. Die kleinen Schädel daneben müssen von Schülern sein,
die sich um ihn versammelt haben.“
[2][Vor der Presse bekräftigte Ishiba Japans Verpflichtung zur Einhaltung
der drei Grundsätze], keine Atomwaffen zu besitzen, herzustellen oder ihren
Aufenthalt in Japan zuzulassen. Er lehnte die Idee ab, dass Japan ein
Nato-ähnliches Abkommen über die gemeinsame Nutzung von Atomwaffen mit den
USA eingeht. Aber Japan müsste Wege finden, die nukleare Abschreckung der
USA wirksamer zu gestalten.
Damit bezog sich Ishiba auf seine frühere Forderung, Japan sollte seine
nuklearen Optionen diskutieren. [3][2024 schrieb er vor seiner Wahl] zum
Regierungschef, eine asiatische Nato müsste „die gemeinsame Nutzung von
Atomwaffen durch Amerika oder die Einführung von Atomwaffen in der Region
spezifisch in Betracht ziehen“.
## Die Erinnerungen an die Bombe verblassen
Die rechtsnationale Sansei-Partei, die bei der Oberhauswahl im Juli 14
Sitze gewann, spricht das Undenkbare noch klarer aus. [4][Ihre Abgeordnete
Saya, die nur einen Namen hat, sagte] „Die nukleare Bewaffnung ist eine der
kostengünstigsten und wirksamsten Maßnahmen zur Gewährleistung der
Sicherheit.“ Parteichef Sohei Kamiya stimmte ihr zu: „Wir sollten
Atomwaffen nicht sofort besitzen, aber wir dürfen uns einer Diskussion
nicht verschließen.“ Dazu sagt [5][Terumi Tanaka, Ko-Vorsitzender der
Hibakusha-Organisation Nihon Hidankyo], die 2024 den Friedensnobelpreis
erhielt: „Es ist beschämend, dass japanische Politiker über Atomwaffen
unter der Prämisse diskutieren, sie einzusetzen.“
Schon Anfang 2022 hatte Ex-Premier Shinzo Abe verlangt, eine nukleare
Bewaffnung Japans dürfe wegen der Bedrohung durch Russland und Nordkorea
„nicht länger tabu sein“. Der damalige Regierungschef Fumio Kishida, der
aus Hiroshima stammt, stoppte die Debatte. Aber sie könnte jederzeit wieder
aufflammen. Nur noch 15 Prozent der Japaner glauben, dass die USA Japan in
einem Krieg beschützen werden.
Dies erleichtert es Politikern, eine eigene nukleare Abschreckung zu
fordern. Der Stadt Hiroshima fällt es auch immer schwerer, ihren Appellen
gegen Atomwaffen mit Augenzeugenberichten Nachdruck zu verleihen. Die Zahl
der Hibakusha ist auf unter 100.000 geschrumpft, im Schnitt sind sie über
86 Jahre alt. Die Erinnerungen an die Bombe verblassen so wie der
Pazifismus in Japan nachlässt, der auch auf den Erfahrungen des Horrors von
Hiroshima beruht.
6 Aug 2025
## LINKS
[1] https://japan.kantei.go.jp/103/statement/202508/06hiroshima.html
[2] https://mainichi.jp/english/articles/20250806/p2g/00m/0na/032000c
[3] https://www.hudson.org/politics-government/shigeru-ishiba-japans-new-securi…
[4] https://www.asahi.com/ajw/articles/15913989
[5] https://mainichi.jp/english/articles/20250724/p2a/00m/0na/021000c
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Nagasaki
Hiroshima
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Japan
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