# taz.de -- Wasserknappheit in Deutschland: Wasser sparen ist angesagt | |
> Infolge des Klimawandels sinkt vielerorts der Grundwasserspiegel. Ein | |
> Paar zeigt, dass für die Klospülung auch eine Gießkanne reicht. | |
Bild: Lässt sich bestimmt auch mehrfach verwenden: Nudelwasser | |
Region Hannover taz | Auf der Toilette bei Bernd und Corina Alt in | |
Hannover: Der taz-Reporter will spülen, dreht sich um – und zieht nach | |
kurzem Zögern die Hand doch wieder zurück. Denn die Alts sparen | |
Trinkwasser. Dafür haben sie eine blaue, mit Regen- oder Waschwasser | |
gefüllte Gießkanne an der Toilette stehen. Damit und nicht mit | |
Leitungswasser soll hier zumindest das „kleine Geschäft“ hinuntergespült | |
werden. | |
Wasser wird in Deutschland infolge des Klimawandels langfristig knapper. | |
Höhere Temperaturen lassen mehr Wasser aus Böden und Gewässern | |
[1][verdunsten], das sonst ins Grundwasser sickern könnte. Starkregen | |
fließt oft oberflächlich ab, statt ins Erdreich einzudringen. Und wenn es | |
heißer wird, steigt der Verbrauch. | |
In 94 Landkreisen sind die [2][Grundwasserstände] in den letzten Jahren | |
deutlich gesunken, wie eine [3][Studie des Instituts für sozial-ökologische | |
Forschung] im Auftrag des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor | |
Kurzem zeigte. In 141 der insgesamt rund 400 Kreise wird demnach jährlich | |
mehr als ein Fünftel des neu gebildeten Grundwassers entnommen – mehr als | |
die empfohlene Obergrenze. Das ist ein Problem für die Natur. Und auch für | |
die Menschen: [4][70 Prozent des Trinkwassers] stammen laut Umweltbundesamt | |
aus Grundwasser. | |
Auch die Region Hannover zählt zu diesen Landkreisen. Die Kreisverwaltung | |
hat deshalb im Mai das dritte Jahr in Folge per [5][Allgemeinverfügung] | |
verboten, zum Beispiel Parks, Gärten, Sportplätze und Felder bei einer | |
Temperatur ab 27 Grad Celsius zwischen 11 und 17 Uhr mit Wasser aus der | |
Leitung, aus Brunnen, Flüssen oder Seen zu „beregnen“. Ähnliche | |
Beschränkungen gibt es auch in anderen Landkreisen. | |
Die Alts, die in einem Reihenhaus im Hannoveraner Stadtteil Misburg wohnen, | |
haben diese Entwicklung schon länger kommen sehen. Sie wissen: 2022 etwa | |
verbrauchten private Haushalte und Kleingewerbe wie Friseursalons oder | |
Bäckereien dem Statistischen Bundesamt zufolge fast [6][82 Prozent des | |
Trinkwassers] in Deutschland. Deshalb hat das Paar unter dem Pflaster | |
seiner Garagenauffahrt eine Zisterne mit 5.000 Litern Fassungsvermögen | |
vergraben lassen. Regenwasser vom Dach fließt über Rinnen und Rohre in den | |
Tank. Eine Pumpe fördert das Wasser in den Garten. | |
## Spießige Gärtner hassen diesen Trick: Mulchen | |
Den Bewässerungsbedarf reduziert das Paar zum Beispiel dadurch, dass es | |
mulcht – „das bedeutet, dass der Boden immer mit organischem Material | |
bedeckt ist, sodass weniger Wasser aus dem Boden verdunstet“, erläutert | |
Bernd Alt. Mit einer Gartenschere trennt er einen überflüssigen Zweig einer | |
Pflanze ab und schneidet ihn in Stücke, die er auf der Erde liegen lässt. | |
Viele Gärtner würden das nicht mögen, „weil es ja ordentlich aussehen | |
muss“. Aber ihm ist wichtiger, Wasser einzusparen. | |
Im Garten können die Alts so völlig auf Trinkwasser verzichten. In der | |
Küche verwendet das Paar aber aus hygienischen Gründen weiter nur | |
Leitungswasser. Doch sie benutzen es mehrfach. „Das Gemüse wasche ich in | |
der Schale“, sagt Corina Alt, öffnet den Backofen und holt eine runde | |
Plastikschüssel hervor. Das Waschwasser kippen die Alts dann zum Beispiel | |
in die Gießkanne für die Toilette. Natürlich, sagen sie, würden sie | |
Waschmaschine und Geschirrspüler nur anstellen, wenn diese voll sind. | |
Und wie halten die Alts es mit dem Duschen? Laut Umweltbundesamt ist | |
[7][Körperpflege mit mehr als einem Drittel] der größte Posten des | |
Trinkwasserverbrauchs in Haushalten. „Ein bis zwei Minuten reichen“, sagt | |
Bernd Alt. Da schweigt seine Frau aber. | |
Egal. Am Ende stimmt das Ergebnis: Bernd Alt zeigt eine Wasserrechnung. | |
„Wir verbrauchen nur noch 77 Liter pro Kopf“, rechnet der pensionierte | |
Kardiologe vor. 2022 verbrauchte jede Person in Deutschland laut | |
Statistischem Bundesamt im Schnitt [8][126 Liter] am Tag. Die Alts liegen | |
fast 40 Prozent unter dem Durchschnitt. | |
## Die Alts sind gerne Ökospinner | |
„Wenn alle mitmachen, könnten wir den Trinkwasserverbrauch bestimmt um 30 | |
Prozent senken“, sagt Alt, der auch Mitglied des BUND-Kreisvorstands in | |
Hannover ist. Dann würden die Grundwasserspiegel unter dem Fuhrberger Feld | |
– der größten Trinkwasserquelle für die Stadt – wieder dauerhaft steigen. | |
„Das würde auch den Eichen und der Landwirtschaft in der Region dienen“, | |
ergänzt Alt. Bisher litten dort Bäume unter Wassermangel, Bauern | |
befürchten, dass es irgendwann nicht mehr genug gibt, um Felder zu | |
bewässern. | |
„Man muss halt ein bisschen Unbequemlichkeit in Kauf nehmen“, sagt Bernd | |
Alt. Ja, manche Leute würden sie für „Ökospinner“ halten. „Viele wollen | |
sich das nicht antun.“ Doch Corina Alt sagt: „Ich lebe zufriedener, wenn | |
ich Wasser einspare.“ Die sinkenden Grundwasserspiegel bereiten ihnen | |
Sorgen. Aber sie würden ganz konkret etwas dagegen unternehmen. „Das gibt | |
mir ein gutes Gefühl“, sagt Corina Alt. | |
Die Regenwasseranlage, die einige Tausend Euro gekostet habe, werde sich zu | |
seinen Lebzeiten nicht mehr amortisieren, sagt der 71-jährige Bernd Alt. | |
„Aber es gibt ja Nachfolgegenerationen.“ Alle anderen Maßnahmen kosten | |
nichts und sparen den Alts bei den aktuellen Wasser- und Abwasserpreisen | |
rund 100 Euro im Jahr. | |
Zwar verbrauchen die Deutschen [9][laut Statistik] seit den 1990er Jahren | |
weniger Trinkwasser, doch der Verbrauch bleibt zu hoch, wie die sinkenden | |
Grundwasserstände zeigen. Umweltschützer wie Alt fordern deshalb, zum | |
Beispiel sparsame Duschköpfe, Wasserhähne und Toiletten vorzuschreiben. In | |
Neubauten sollten verpflichtend Grauwassersysteme eingebaut werden, die | |
etwa Waschmaschinenwasser für die Toilettenspülung nutzen. | |
Alt fordert auch neue Preise. „Wer viel verbraucht, der sollte viel | |
zahlen.“ Bisher kostet der erste Liter in den meisten Kommunen genauso viel | |
wie der zehntausendste. Private Pools und große Planschbecken mit 1.000 | |
Litern und mehr füllen? „Das sollte verboten werden in einer Zeit der | |
Wasserknappheit“, sagt Alt. „Jeder vermeidbare Verbrauch sollte vermieden | |
werden.“ | |
## Lösungen für die Landwirtschaft: Lass es beregnen | |
Die Allgemeinverfügung sollte seiner Meinung nach an heißen Tagen ab 27 | |
Grad erst ab 18 Uhr die Bewässerung erlauben. „Vorher ist der Boden sehr | |
heiß; da verdunstet zu viel Wasser ungenutzt.“ Für Landwirte brauche es | |
eine Lösung, damit sie trotzdem ausreichend bewässern können. Die Branche | |
ist nach den Wasserwerken der größte Grundwasserverbraucher in der Region | |
Hannover: 24 Prozent der genehmigten Fördermenge entfallen auf Bauern und | |
Sportvereine, wobei die Landwirte weit vorne lägen, teilt die | |
Kreisverwaltung der taz mit. Industrie und Gewerbe kämen nur auf 7 Prozent. | |
Bundesweit ist der Anteil der Landwirtschaft geringer, aber er steigt. | |
Für Bauern wäre ein noch längeres Beregnungsverbot ein Problem. Zum | |
Beispiel für Christian Fricke aus dem 30 Kilometer östlich von Hannover | |
gelegenen Dorf Schwüblingsen, einer Gegend, die so trocken ist, dass die | |
Landwirte dort bereits seit den 1950er Jahren Felder bewässern. „Falls wir | |
erst ab 19 Uhr beregnen dürfen, komme ich vielleicht erst um Mitternacht | |
ins Bett“, sagt der 27-Jährige, der zusammen mit seinem Vater unter anderem | |
Kartoffeln anbaut. | |
Fricke steht vor einer seiner Beregnungsanlagen: einer großen Trommel aus | |
Stahl, um die ein mehr als 400 Meter langer schwarzer Kunststoffschlauch | |
gewickelt ist. Er ist über Rohre mit einer Dieselpumpe und einem Brunnen am | |
Feldrand verbunden. Am anderen Ende des Schlauchs hängt der Regner, ein | |
großer Sprinkler, der das Wasser in hohem Bogen über das Feld schießt. | |
Dabei kann er sich in einem Winkel drehen, den Fricke am Handy einstellt. | |
Doch zuvor muss der Landwirt das vier Meter hohe Gerät mit einem Traktor | |
zur richtigen Position ziehen und dann mit dem Regner im Schlepptau einmal | |
das Feld durchqueren. Erst danach kann er die Anlage starten, die den | |
Schlauch und den Sprinkler langsam wieder zu sich zurückzieht. | |
Da dann aber immer nur ein knapp 70 Meter breiter Streifen Wasser | |
abbekommt, muss er die Prozedur mehrmals wiederholen. So kann es locker 19 | |
Stunden dauern, einen Acker zu bewässern. „Das sind lange Tage“, sagt | |
Fricke. „Wenn ich noch später anfangen muss, aber am nächsten Morgen wieder | |
früh rausmuss, komme ich irgendwann an meine körperlichen und betrieblichen | |
Grenzen.“ | |
## Trockenresistente Pflanzen sind keine Lösung | |
Mit der aktuellen Allgemeinverfügung der Region kommt Fricke auch deshalb | |
zurecht, weil sie Ausnahmen für die Landwirtschaft gestattet: Wasser | |
sparende Verfahren wie Düsenwägen sind immer erlaubt. „Als die | |
Allgemeinverfügung vor drei Jahren erlassen wurde, haben wir uns diesen | |
Düsenwagen gekauft“, sagt Fricke und zeigt auf ein Fahrgestell mit zwei | |
jeweils 30 Meter langen Stahlauslegern, an denen Düsen aus Kunststoff | |
hängen. Da das Wasser aus nur etwa 1,20 Metern Höhe auf die Pflanzen | |
spritzt, geht nicht so viel verloren. | |
Könnte Fricke nicht auf Sorten setzen, die mit weniger Wasser auskommen? | |
„Wenn ich zum Beispiel Hirse anbaue, die ganz wenig Wasser braucht, dann | |
habe ich dafür keinen Markt“, antwortet der Landwirt. „Und meistens sind | |
Kulturen, die wenig Wasser brauchen, auch keine Kulturen mit genügend | |
Erlös.“ | |
Inzwischen baut Fricke aber mehr verschiedene Pflanzenarten als früher an, | |
die zu unterschiedlichen Zeiten ihren Hauptwasserbedarf haben. So kann er | |
den Regen besser nutzen und benötigt weniger Grundwasser. Der Bauer sorgt | |
nach eigenen Angaben auch dafür, dass sein Boden möglichst lange bedeckt | |
ist, damit er nicht so schnell austrocknet. Bevor er Zuckerrüben sät, baut | |
er eine Zwischenfrucht wie Ölrettich, Rauhafer oder Sommerwicke an. Die | |
zerkleinert er und lässt sie auf dem Acker liegen. Fricke mulcht also – so | |
wie das Umweltschützerehepaar Alt in seinem Garten. | |
20 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.umweltbundesamt.de/monitoring-zur-das/handlungsfelder/wasserhau… | |
[2] /Grundwasserknappheit-in-Deutschland/!6091399 | |
[3] https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/grundwasser-in-… | |
[4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/grundwasser | |
[5] https://bekanntmachungen.region-hannover.de/Allgemeinverf%C3%BCgungen-der-R… | |
[6] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/08/PD24_304_32311… | |
[7] https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wasser… | |
[8] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Wasserwirtscha… | |
[9] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Wasserwirtscha… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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