| # taz.de -- Sprecher der Forste über Sturmschäden: „Wir sind stark emotiona… | |
| > Hunderte Bäume, die kreuz und quer übereinanderliegen: Peter Harbauer | |
| > über Schäden in den Berliner Forsten und was daraus für den Waldumbau | |
| > folgt. | |
| Bild: Da blutet einem das Herz: Sturmschäden in den Berliner Forsten | |
| taz: Herr Harbauer, seit dem schweren Sturm Ende Juni sind fast drei Wochen | |
| vergangen. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf Berlins Wald mittlerweile | |
| ein? | |
| Peter Harbauer: Das [1][Bild der ersten Tage] hat sich erhärtet: Besonders | |
| die Reviere Hermsdorf und Tegelsee im Tegeler Forst sind betroffen, auch im | |
| Revier Spandau hat es massive Sturmschäden gegeben. Dagegen hat es in den | |
| anderen Forstamtsbereichen, also Pankow, Grunewald und Köpenick, | |
| überwiegend Einzelwürfe gegeben. | |
| taz: So nennen FörsterInnen es, wenn der Sturm einen Baum umlegt? | |
| Harbauer: Richtig. Wenn Sie jetzt fragen, wie viele Bäume in Tegel und | |
| Spandau zu Schaden gekommen sind, kann ich das nur bedingt beantworten. | |
| Anders als beim Stadtgrün zählen und nummerieren wir im Wald keine Bäume. | |
| Tausende sind es mit Sicherheit, aber viel genauer lässt es sich nicht | |
| sagen. | |
| taz: Und wie kalkulieren Sie dann den Schaden? | |
| Harbauer: In Festmetern bzw. Kubikmetern Holz. Aktuell gehen wir davon aus, | |
| dass im Forstamt Tegel Bäume mit einer Holzmasse von rund 35.000 | |
| Kubikmetern umgefallen sind. Aber bislang können auch das nur schätzen. Wir | |
| arbeiten uns immer weiter in den Wald vor, aber nach wie vor sind viele | |
| Wege durch umgestürzte Bäume versperrt, und dort, wo sie schon freigeräumt | |
| sind, reicht der Blick noch nicht tief genug in die Waldflächen hinein. | |
| taz: Wie lange wird es noch dauern, bis der gesamte Wald wieder begehbar | |
| ist? | |
| Harbauer: Bei den Wegen können wir es genauer sagen. Aktuell gilt die | |
| Sperrung bis zum 4. August, und wir sind zuversichtlich, dass wir das | |
| schaffen. Auch wenn es weiterhin Unwägbarkeiten gibt: Zum Beispiel spielt | |
| die Witterung eine Rolle für die Geschwindigkeit, mit der wir arbeiten | |
| können. Wir geben nach und nach Bereiche frei, die wir bearbeitet haben – | |
| so sind die Badestellen am Tegeler See ja schon wieder freigegeben und das | |
| Hundeauslaufgebiet Frohnau ebenfalls. | |
| taz: Trotzdem wundern sich viele, wie lange das Ganze dauert. | |
| Harbauer: Ich muss immer wieder erklären, dass es hier nicht um einzelne | |
| Bäume geht, die umgeworfen wurden, so wie wir das aus der Stadt kennen. Wir | |
| reden von Hunderten Bäumen, die an vielen Stellen kreuz und quer | |
| übereinanderliegen. Da herrschen gefährliche Spannungen im Holz, was die | |
| Arbeit, die die Forstwirtinnen und Forstwirte gerade leisten, | |
| außerordentlich anspruchsvoll und gefährlich macht. Die müssen die ganze | |
| Zeit körperlich wie mental bei der Sache bleiben. | |
| taz: Wenn die Wege wieder begangen werden dürfen, bleibt aber die Warnung | |
| davor, den Wald in der Fläche zu betreten, bestehen? | |
| Harbauer: Richtig, dabei muss man immer darauf hinweisen, dass das Betreten | |
| des Waldes immer auf eigene Gefahr erfolgt. Ein Wald ist kein Park, wir | |
| stellen keine hundertprozentige Sicherheit her, und abseits der Waldwege | |
| schon gar nicht. Die Waldwege sollten auch in den kommenden Wochen und | |
| Monaten nicht verlassen werden. Besondere Vorsicht ist bei künftigen | |
| Stürmen in diesem Sommer oder Herbst angebracht. | |
| taz: Halten sich die BerlinerInnen denn an das Betretungsverbot? | |
| Harbauer: Die überwiegende Mehrheit ja, der ist offensichtlich das eigene | |
| Leben wertvoll genug. Zur Wahrheit gehört aber, dass wir immer wieder Leute | |
| im Wald antreffen, die versuchen, sich links und rechts der noch nicht | |
| freigeräumten Wege ihre eigenen Pfade zu erschließen. Wer das tut, begibt | |
| sich in Lebensgefahr. Wir haben in den vergangenen Wochen immer wieder | |
| versucht, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, etwa auch mit der | |
| Veröffentlichung von Drohnenbildern, die das Ausmaß der Schäden aus der | |
| Luft zeigen. | |
| taz: Mussten schon Bußgelder verhängt werden? | |
| Harbauer: Wir setzen auf die Ansprache dieser Personen und Verständnis. Wir | |
| sprechen die Leute an, zeigen ihnen den kürzesten Weg aus dem Wald und wenn | |
| sie Einsicht zeigen, ist damit mehr gewonnen als mit einem Bußgeldbescheid. | |
| taz: Sie haben die Drohnen erwähnt, die Sie fliegen lassen, um die Schäden | |
| zu dokumentieren. So lange gibt es diese technische Möglichkeit ja noch | |
| nicht, wie sehr profitieren Sie davon? | |
| Harbauer: In den ersten Tagen nach dem Sturm ging es unter anderem darum, | |
| den Berlinern und Berlinerinnen mit dem Bildmaterial zu zeigen, was | |
| eigentlich passiert ist. Und die Fotos und Videos helfen uns tatsächlich, | |
| dort einen Überblick zu verschaffen. Wir kamen ja die ersten Tage auch | |
| nicht rein in den Wald. Wir konnten mit den Aufnahmen eine Struktur ins | |
| Chaos bekommen. Auch eine Projektgruppe der Hochschule Eberswalde hat | |
| Drohnen für uns geflogen und die Bilder mit KI ausgewertet. Diese | |
| Technologie ist noch nicht so weit gediehen, aber das Team wird sie nun mit | |
| den gewonnenen Daten weiter verfeinern. Problematisch ist vor allem, dass | |
| die Kronen der stehengebliebenen Bäume den Blick von oben teilweise | |
| versperren. | |
| taz: Bekommen Sie noch Hilfe von den übrigen Berliner Forstämtern? | |
| Harbauer: Direkt nach dem Sturm wurden Kollegen und Kolleginnen aus den | |
| anderen Forstämtern nach Tegel entstand, damit wir so schnell wie möglich | |
| Straßen und Siedlungskanten freiräumen und sichern konnten. Die sind aber | |
| jetzt bis auf ein paar Ausnahmen wieder in ihren Revieren eingesetzt. | |
| taz: Wie viele Menschen arbeiten eigentlich in so einem Berliner Forstamt? | |
| Harbauer: Das hängt unter anderem von der Anzahl der Reviere ab. Jedes | |
| Revier hat eine Leitung. Forstwirtinnen und Forstwirte sind unterschiedlich | |
| verteilt. Das Forstamt Tegel hat zum Beispiel 35 im Einsatz und dann gibt | |
| es noch das Team im Forstamt selbst – aus 7 bis 10 Personen. | |
| taz: Und die können diese ganze zusätzliche Arbeit alleine bewältigen, oder | |
| müssen Sie externe Firmen anheuern? | |
| Harbauer: Wir stoßen hier definitiv an unsere Grenzen. Derzeit laufen die | |
| Planungen dazu, wie wir mit den Schäden im Wald selbst umgehen. Welche | |
| Flächen überlassen wir sich selbst? Das werden gut 20 Prozent sein, die | |
| tasten wir nicht an und werden die entstandenen Strukturen für den | |
| Waldumbau und den Naturschutz nutzen. Es gibt sehr große Flächen, auf denen | |
| so viel Holz liegt, dass wir einen Teil des Holzes aus dem Wald holen | |
| werden. Das hat auch ökologische Gründe: Die umgeworfenen Bäume verrotten | |
| und geben CO2 an die Atmosphäre ab. Stattdessen kann man dieses Holz | |
| nachhaltig und langfristig in hochwertigen Holzprodukten nutzen. Es ist ja | |
| viel Buche und Eiche umgefallen, dieses Holz werden wir maßgeblich selbst | |
| vermarkten, um die regionale und langfristige Verwertung zu gewährleisten. | |
| Außerdem geht es uns darum, die Zugänglichkeit für die Waldbrandvorsorge, | |
| Trinkwasserversorgung und die Erholungsnutzung zu gewährleisten. Da wir | |
| selbst nicht über die erforderliche Technik verfügen, erhalten wir | |
| Unterstützung vom Landesbetrieb Forst Brandenburg, aber auch von | |
| Dienstleistern mit bodenschonender Technik. | |
| taz: Aber Sie holen auch nicht alles aus diesen Flächen heraus, was der | |
| Sturm umgelegt hat? | |
| Harbauer: Nein, auf keinen Fall. Im Prinzip bleibt alles liegen, was | |
| wirtschaftlich nicht verwertet werden kann, in erster Linie das Kronenholz | |
| und Bruchholz. Selbst bei den Stämmen, die wir bergen werden, holen wir nur | |
| den hochwertig verwertbaren Teil aus dem Wald. Alles andere bleibt auf der | |
| Fläche. Totholz ist sehr wertvoll für das Waldökosystem: als Lebensraum, | |
| als Schattenspender, Wasserspeicher und als Schutz für die nachwachsende | |
| Waldgeneration. | |
| taz: Hat der Sturm eher Schneisen in den Wald geschlagen oder sind es | |
| flächige Schäden? | |
| Harbauer: Die Drohnenbilder aus Tegel zeigen eher schneisenartige Schäden, | |
| im Revier Spandau gibt es auch flächige Würfe von einem halben bis zu 3 | |
| Hektar. Mal steht gar nichts mehr, mal hat es nur jeden zweiten oder | |
| dritten Baum getroffen. Es sieht so aus, als ob dort, wo es bereits eine | |
| Stufigkeit gibt, also wo unterschiedliche Waldgenerationen auf einer Fläche | |
| stehen, die Schäden geringer sind. | |
| taz: Lassen Sie uns über die Ursachen sprechen. Lag es an der Schwächung | |
| vieler Bäume durch die Dürrejahre, oder war der Sturm einfach so heftig, | |
| dass auch gesunde Bäume keine Chance hatten? | |
| Harbauer: Wir sehen da auf jeden Fall einen Zusammenhang mit mangelnder | |
| Vitalität durch die Trockenheit. 100 oder 110 Stundenkilometer sind jetzt | |
| auch keine völlig absurden Windgeschwindigkeiten, wobei man berücksichtigen | |
| muss, dass es zwei Stürme im Abstand von wenigen Tagen gab. Aber die | |
| Vitalität vieler Waldbäume ist definitiv geschwächt, sie sind anfälliger | |
| geworden durch Pilze und Insekten. Die Krone ist ein Spiegelbild des | |
| Wurzelsystems, und wenn die Baumkronen nicht mehr ausreichend belaubt oder | |
| benadelt sind, bildet sich auch das Wurzelsystem zurück. Die Feinwurzeln | |
| sterben ab, und damit nimmt die Verankerung ab. Wenn Sie sich die | |
| Wurzelteller von umgestürzten 180 Jahre alten Eichen oder Buchen ansehen, | |
| da kann ich daneben stehen und drüberschauen – eigentlich müsste der größ… | |
| sein. | |
| taz: Was heißt das alles für den Waldumbau? Der Tegeler Forst galt | |
| eigentlich als vergleichsweise gesunde Mischung. Aber nun hat es | |
| ausgerechnet die Laubbäume erwischt. Sind die Mischwälder doch weniger | |
| resilient als gedacht? | |
| Harbauer: Das würde ich so nicht sagen. Der Schluss wird eher sein: Wenn | |
| wir den Wald umbauen, kann es nicht einfach um den Austausch von Nadel- zu | |
| Laubbäumen gehen. Wir müssen auch die Nadelbäume mitnehmen, auf fünf oder | |
| sechs verschiedene Laubbaumarten setzen sowie auf stufig aufgebaute | |
| Wälder. Das tun wir ja bereits im Rahmen unseres Waldbumbaus. Wenn man | |
| jetzt schon ein Fazit ziehen wollte, dann das, dass der Umbau eigentlich | |
| noch schneller vonstattengehen muss. Nur: Auch wir können die Bäume nicht | |
| dazu überreden, schneller zu wachsen. Es bleibt eine Jahrhundertaufgabe und | |
| die klimatischen Veränderungen schreiten schneller voran, als sich das | |
| Waldökosystem von selbst darauf anpassen kann. | |
| taz: Ist ein solches Schadensereignis gewissermaßen auch eine Chance, weil | |
| es erlaubt, einen „Mehrgenerationenwald“ zu schaffen? | |
| Harbauer: Ich weiß, was Sie meinen, aber dass die Schäden vorteilhaft sind, | |
| würde ich angesichts der massiven Schäden nicht sagen. Wir werden die | |
| entstandenen Strukturen für die Waldgestaltung – im Hinblick auf | |
| klimastabile Laubmischwälder – nutzen. | |
| taz: Sie müssen jetzt Bäume nachpflanzen? | |
| Harbauer: Das werden Einzelfallentscheidungen sein. Die Natur wird viel | |
| selbst einbringen. Eichen, Buchen und anderes Laubholz wird sich selbst | |
| aussäen. Da tragen zum Beispiel auch Eichelhäher und Eichhörnchen ihren | |
| Teil zur Wiederaufforstung bei, indem sie Eicheln oder Bucheckern vergraben | |
| und dann vergessen. Bei flächenhaften Schäden müssen wir uns das genauer | |
| ansehen. Da wird die Revierleitung vielleicht entscheiden, initial zu | |
| pflanzen, denn sonst besteht die Gefahr, dass diese Bereiche vergrasen. | |
| Freiflächen wieder zu Wald zu machen, ist immer problematisch, wie man im | |
| Harz sehen kann. Deshalb machen wir auch seit Jahrzehnten keine Kahlschläge | |
| mehr. | |
| taz: Wie lange wird es dauern, bis SpaziergängerInnen im Tegeler Forst | |
| nicht mehr den Eindruck haben werden, dass hier etwas Schlimmes passiert | |
| ist? | |
| Harbauer: Ich denke, das ist persönliches Empfinden. In einigen Bereichen | |
| wird man nach wenigen Jahren vergessen haben, dass da bis vor Kurzem | |
| 160-jährige Buchen gestanden haben, dann wird das nicht mehr so auffallen. | |
| Wer sich nach alten Laubbäumen sehnt, dem kann ich nur sagen: Bis ein | |
| 100-jähriger Baum nachgewachsen ist, braucht es 100 Jahre. Das können wir | |
| leider nicht beschleunigen. | |
| taz: Haben die Sturmschäden die Försterinnen und Förster eigentlich | |
| emotional betroffen, oder ist so etwas einfach Teil des Jobs? | |
| Harbauer: Wir sind davon sehr stark emotional betroffen! Die zuständigen | |
| Kolleginnen und Kollegen, die in den Revieren zum Teil seit Jahrzehnten | |
| arbeiten, waren in der Sturmnacht alle sehr erschrocken, niedergeschlagen | |
| und den Tränen nah. Urlaube wurden abgebrochen, weil man sich | |
| verantwortlich gefühlt hat. Nach dem ersten Schreck sind wir pragmatisch | |
| genug zu sagen: Es ist eine Katastrophe, aber wir müssen jetzt in die Hände | |
| spucken und dafür sorgen, dass es auch in den nächsten 20, 30 oder 100 | |
| Jahren einen Erholungswald für die Berlinerinnen und Berliner gibt. | |
| 16 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Sturmfolgen-im-Berliner-Nordwesten/!6096928 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Wald | |
| Waldschäden | |
| Sturm | |
| Unwetter | |
| Forstwirtschaft | |
| Forstwirtschaft | |
| Grundwasser | |
| Krisenprävention | |
| Sturm | |
| Sturm | |
| Sommerserie | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Sturmschäden in den Berliner Forsten: Der Wald muss das jetzt selber wuppen | |
| Beim Ortstermin in Tegel stellten die Berliner Forsten vor, wie sie mit den | |
| dramatischen Sturmschäden vom Juni umgehen: Das meiste bleibt liegen. | |
| Wasserknappheit in Deutschland: Wasser sparen ist angesagt | |
| Infolge des Klimawandels sinkt vielerorts der Grundwasserspiegel. Ein Paar | |
| zeigt, dass für die Klospülung auch eine Gießkanne reicht. | |
| Die Krankenhäuser und der Ernstfall: Kliniken für die „veränderten Gefähr… | |
| Der Rahmenplan „Zivile Verteidigung Krankenhäuser“ des Senates wird den | |
| Berliner Kliniken vorgestellt. Doch wie so oft fehlt Geld zur Umsetzung. | |
| Sturmfolgen im Berliner Nordwesten: Heftige Blase im Kochtopf | |
| In Tegel und Spandau hat der Sturm am Donnerstagabend tausende Bäume | |
| entwurzelt oder umgeknickt, die Wälder bleiben wohl für Wochen gesperrt. | |
| Mit Rollstuhl in der Berliner S-Bahn: Nach Sturm zurückgelassen | |
| Stundenlang musste ein Rollstuhlfahrer am Montag am Bahnhof Yorckstraße | |
| ausharren, weil es dort keinen Aufzug gab – und mutmaßlich kein | |
| Hilfskonzept. | |
| Sommerserie „Im Schatten“ (4): Die Suche nach dem Mölsch | |
| Unterricht der anderen Art: In der Waldschule Spandau lernen Kinder auch in | |
| den Ferien. Allerdings geht es hier um die Faszination für die Natur. |