# taz.de -- AfD und CDU: Der Kulturkampf hat das höchste Gericht erreicht | |
> Der Bundestag hat Frauke Brosius-Gersdorf nicht zur Verfassungsrichterin | |
> gewählt. Es ist ein Erfolg der Rechten. Ganz vorne dabei: die Union. | |
Bild: Ihre Wahl wurde von rechten Kulturkämpfer*innen und ihren Erfüllungsgeh… | |
Frauke Brosius-Gersdorf ist am Freitag nicht vom Bundestag zur | |
Verfassungsrichterin gewählt worden – ebenso wenig wie die anderen beiden | |
von Union und SPD vorgeschlagenen Kandidat*innen. Formal begründet die | |
Union das mit Plagiatsvorwürfen, die erst aufgeklärt werden müssten. Doch | |
diese scheinen nur vorgeschoben: Es tobt ein Kulturkampf von ganz rechts – | |
und die Union hat sich zur Erfüllungsgehilfin gemacht. | |
Schon seit Tagen [1][brodelte es in der Unionsfraktion]. Die Spitzen von | |
SPD und Union hatten sich auf die Kandidat*innen verständigt. Doch die | |
Abgeordneten verweigerten Jens Spahn und Friedrich Merz die Gefolgschaft. | |
Der Grund: Brosius-Gersdorf war Mitglied der Kommission, die in der | |
vergangenen Legislatur [2][eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts | |
angemahnt hatte]. | |
Seit ihre Kandidatur bekannt wurde, läuft eine Kampagne organisierter | |
Abtreibungsgegner*innen gegen die Juristin. Massenweise E-Mails | |
fluteten die Posteingänge von Bundestagsabgeordneten, Unterschriften wurden | |
gesammelt, eine Welle aufgebaut. Während die Union am Freitag im Bundestag | |
daran arbeitete, die Wahl von Brosius-Gersdorf zu verhindern, | |
demonstrierten vor dem Gebäude Abtreibungsgegner*innen mit Plakaten. | |
Auch die AfD mischte kräftig mit. Die in der Szene der | |
Abtreibungsgegener*innen seit Jahren umtriebige Beatrix von Storch | |
attackierte den Kanzler im Plenum und verbreitet nun, die Juristin sei für | |
„straffreie Abtreibung bis zum 9. Monat“ – eine Position, die | |
Brosius-Gersdorf überhaupt nicht vertritt, mit der sich aber prima Stimmung | |
machen lässt – gegen die Juristin, aber auch ganz allgemein gegen Frauen | |
und ihr Recht auf Selbstbestimmung. | |
Der Angriff auf reproduktive Rechte, auf das Recht von Frauen, über ihren | |
Körper und letztlich ihr Leben selbst zu bestimmen, ist zentrales Element | |
rechter bis rechtsextremer Ideologie. Für die einen vermischt er sich mit | |
christlichem Fundamentalismus, für die anderen mit rassistischen Ideen | |
eines vermeintlich homogenen Volkskörpers. Ihnen allen gemein ist die | |
reaktionäre und patriarchale Idee einer vermeintlich natürlichen, | |
zweigeschlechtlichen Ordnung – in der die Frau dem Mann ganz klar | |
untergeordnet ist. | |
## Unionsspitze hat ihre Leute nicht im Griff | |
All das wäre gruselig, aber nicht weiter gefährlich – wenn die Union dem | |
etwas entgegengesetzt hätte, statt es in Politik umzusetzen. Wenn sie im | |
Sinne ihrer Koalition gehandelt und die Kandidatinnen der SPD gewählt | |
hätte. Aber, und das wurde nun deutlich: Die Unionsspitze hat ihre | |
Abgeordneten nicht im Griff, der Kulturkampf reicht bis weit in ihre Mitte. | |
In der Sache ist diese Polarisierung überhaupt nicht gerechtfertigt. 80 | |
Prozent der Menschen in Deutschland befürworten ein Ende des | |
Abtreibungsverbots in Deutschland. Selbst unter Katholik*innen sind es | |
65 Prozent. Umso wichtiger ist es für rechte Kräfte, [3][die Posten von | |
Richter*innen in ihrem Sinne zu besetzen]: Um Liberalisierungen von oben | |
zu verhindern oder gar Verschärfungen zu forcieren. | |
In Deutschland hat die Union dafür gesorgt, dass die Wahl gleich dreier | |
Verfassungsrichter*innen wegen der Hetze gegen eine von ihnen | |
zunächst verschoben wurde – dass Brosius-Gersdorf noch gewählt wird, ist | |
nach diesem Eklat unwahrscheinlich. | |
CDU und CSU haben damit nicht nur alle drei Kandidati*innen, sondern auch | |
das Verfassungsgericht beschädigt. In Ländern wie Polen und den USA kann | |
man eindrücklich beobachten, wohin solche rechten Angriffe auf die Justiz | |
führen – und welch weitreichende Folgen für die Demokratie das weit über | |
das Thema Schwangerschaftsabbrüche hinaus haben kann. | |
11 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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