# taz.de -- Zukunftsdenker über Abpflastern: „Den klimatischen Veränderunge… | |
> Eine Hamburger Initiative hilft Menschen, betonierte und gepflasterte | |
> Bereiche wieder grün zu machen. Wer die größte Fläche entsiegelt, | |
> gewinnt. | |
Bild: So kann es aussehen nach dem Abpflastern: Berufsschule in der City-Nord m… | |
taz: Das Motto Ihres Projekts heißt „Abpflastern: von Grau zu Grün“ – i… | |
das wie „Schwerter zu Pflugscharen“, Herr Dorsch? | |
Sebastian Dorsch: Wir stellen tatsächlich viele Fragen von Machen und | |
Machen können in der Stadt ganz neu. Es geht uns in Zeiten | |
[1][dramatischer, näher kommender Klimaveränderungen] um die Umgestaltung | |
der Stadt, die sehr stark betoniert und sehr grau ist, hin zu | |
lebenswerteren Räumen. | |
taz: Auf dem Foto auf der Internetseite sieht man eine Lücke im Pflaster | |
und eine Pflanzschaufel. Kann jetzt jede:r den Parkplatz nebenan | |
abpflastern? | |
Dorsch: Nein, so einfach ist es natürlich nicht. Wir leben in einer Stadt, | |
in einer Stadt mit sehr vielen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, | |
die miteinander auskommen müssen. Dann sind Kompromisse notwendig. Aber im | |
privaten Bereich ist es ganz einfach, da kann jede:r sofort anfangen mit | |
dem Abpflastern. | |
taz: Das heißt, die Grundidee ist, dass viel mehr Fläche versiegelt ist als | |
notwendig? | |
Dorsch: Genau. Auf der Plattform sammeln wir zum einen Vorschläge für | |
Flächen, die entsiegelt werden sollen und zum anderen Flächen, wo das schon | |
passiert ist. Es gab Schulprojekte, bei denen sich Eltern mit | |
Schüler:innen und Lehrer:innen auf den Weg machten, ihre Schulhöfe zu | |
entsiegeln. Wir haben aber auch Zuschriften von kleinen Maßnahmen am | |
Wegesrand, wo im Privatbereich ein paar Pflastersteine entnommen wurden, um | |
Grün zu pflanzen. Die Menschen erzählen oft, dass man ganz schnell ins | |
Gespräch kommt mit den Nachbar:innen, die fragen: Was machen Sie denn da? | |
Können wir das nicht auch machen? | |
taz: Auf der Karte von „Abpflastern“ gibt es einige entsiegelte Flächen, | |
aber vor allem Vorschläge für künftiges Abpflastern. | |
Dorsch: Ja, momentan ist der weit überwiegende Anteil Vorschläge. Das ist | |
auch nicht überraschend, weil es meist nicht so schnell geht. Dazu kommt, | |
dass wir nicht mit einer so riesigen Resonanz gerechnet haben. Anfangs | |
hatten wir gedacht, hoffentlich kommen ein paar Dutzend Einträge zusammen | |
und jetzt sind wir bei über 1.400. | |
taz: Wann haben Sie angefangen? | |
Dorsch: Ende April. Wenn man es mit anderen digitalen Beteiligungsverfahren | |
vergleicht, ist das wirklich eine riesige Resonanz. Und was uns sehr freut, | |
ist, dass die Vorschläge fast alle sehr ernsthaft und konstruktiv sind. Es | |
gibt auch sehr viele Kommentare. Darüber entstehen Diskussionen, was man an | |
konkreten Orten am besten machen kann. Insofern ist ein zentrales Ziel | |
schon erreicht: Die Menschen reden miteinander, wie sie ihre Umwelt neu und | |
lebenswerter gestalten können. | |
taz: Die Diskussion, die in Hamburg gerade sehr laut läuft, ist die um | |
Parkplätze, deren Umwandlung erschwert wurde. Da dreht man das Rad in | |
Sachen Entsiegelung ja eher zurück. | |
Dorsch: Wir führen bewusst [2][keine Parkplatzdebatte, die ist zu | |
ideologisch aufgeladen]. Das Abpflastern schafft die Möglichkeit, noch mal | |
neu über unsere Stadt nachzudenken und nicht immer gleich in diese | |
Frontstellung zu gehen. Ich gehe davon aus, dass sich auch Menschen, die | |
ein Auto haben und einen Parkplatz brauchen, bei uns beteiligen und damit | |
können wir in eine nicht-ideologische Debatte vordringen. Das hat einen | |
großen Reiz. | |
taz: Werden eher öffentliche oder private Flächen zum Abpflastern | |
vorgeschlagen? | |
Dorsch: Das sind meistens öffentliche beziehungsweise öffentlich | |
zugängliche Flächen. Für viele Menschen ist es erst mal nicht ersichtlich, | |
ob etwa der Bereich vor einem Geschäft oder ein Parkplatz öffentlich oder | |
privat ist. Vorgeschlagen werden meist Flächen, über die man auf dem Weg | |
zur Arbeit, zur Schule stolpert und sagt: Da ist es sehr heiß, da könnte | |
ich mir mehr Grün vorstellen. | |
taz: Die Idee ist ja, dass die Stadt das prüft. Wie wohlwollend hat sie | |
sich denn bisher zu den Vorschlägen gestellt? | |
Dorsch: Wie gesagt haben wir nicht mit so einer riesigen Resonanz | |
gerechnet. Insofern sind wir dabei, einen Prozess aufzusetzen, wie das | |
lokale Wissen weitergegeben werden kann, damit es gut in Planungsprozesse | |
mit eingespeist wird. Die Resonanz zeigt, dass die zuständigen Stellen für | |
Klimaanpassung und -schutz dringend weitere Ressourcen brauchen. Einige | |
Vorschläge konnten schon umgesetzt werden. | |
taz: Was vielleicht einen Vorsprung im Wettbewerb der Stadtteile bedeutet. | |
Denn, so wie ich es verstanden habe, gibt es einen Wettbewerb sowohl für | |
Bezirke, Stadtteile als auch Einzelpersonen zum Abpflastern. Wie ist da der | |
Stand? | |
Dorsch: Das läuft. Die Bukea | |
… Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft… | |
… hat für die nächsten Jahre je drei Preise ausgeschrieben. Man kann bis | |
zum 31. Oktober entsiegelte Flächen auf der Plattform einstellen. Der | |
Bezirk, der am meisten entsiegelt hat, kriegt den Goldenen Spaten, der | |
Stadtteil, der am meisten entsiegelt hat, die Goldene Gießkanne und der | |
Privateigentümer mit der größten Entsiegelung bekommt die Goldene Harke. | |
Außerdem beteiligt sich Hamburg mit diesen Flächen am deutschlandweiten | |
Abpflastern-Wettbewerb – vielen Dank nach Koblenz! Das ist sehr eng | |
angelehnt an die Wettbewerbe in den Niederlanden, wo das ein riesiger | |
Erfolg ist. Dort heißt es Tegelwippen und ist mittlerweile ein Volkssport. | |
taz: Hilft das Wettbewerbsprinzip? | |
Dorsch: Zu Beginn waren es in den Niederlanden nur zwei Städte, | |
mittlerweile sind es sehr viele Kommunen, die mitmachen und es gibt sogar | |
Länderwettbewerbe. An so etwas wie Europameisterschaften denken wir | |
natürlich auch … Der Wettbewerbscharakter hat etwas Spielerisches, was ein | |
guter Zugang ist, um auch positive Emotionen zu wecken. | |
taz: Dabei ist der Hintergrund der Aktion so gar nicht spielerisch, sondern | |
der Klimawandel mit Starkregen und Hitzerekorden. | |
Dorsch: Genau, das ist ein [3][sehr ernstes Thema mit Hitzeinseln, | |
Überschwemmungen,] Artensterben, Grundwasserproblemen in Städten und Natur | |
und Menschen, die damit nicht mehr zurechtkommen. Wir merken aber, dass es | |
den Menschen gut tut, sich damit in einer konstruktiven Art | |
auseinanderzusetzen, indem sie selber mitgestalten können; so dass sie | |
nicht nur zum Opfer der Veränderungen werden, sondern selbstwirksam in die | |
Gestaltung eingreifen. | |
taz: Ist Hamburg besonders stark versiegelt? | |
Dorsch: Dazu habe ich keine Vergleichszahlen vorliegen. Es ist von | |
Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich. In den äußeren Stadtteilen | |
haben wir teilweise sehr grüne Stadtviertel. | |
taz: Sind das die reicheren Stadtviertel? | |
Dorsch: Nicht unbedingt. Im zentralen Bereich gibt es auch ein paar reiche | |
Stadtviertel wie Eppendorf oder Eimsbüttel, die stark versiegelt sind. Aber | |
es ist gut, dass Sie die Thematik ansprechen, weil man gerade über | |
Klimaanpassung die soziale Frage noch mal neu stellen kann. | |
taz: Wie denn? | |
Dorsch: Wer hat Zugang zu wie viel Grün und einer lebenswerten Stadt? Es | |
ist sehr wichtig, dass da alle Menschen Zugang bekommen und nicht nur | |
diejenigen, die sich einen Garten leisten können oder es sich leisten | |
können, ins Grüne zu ziehen. | |
taz: So wie gerade verdichtet wird, hat man das Gefühl, dass um jeden | |
Quadratmeter in der Stadt gerungen wird. | |
Dorsch: Wir sind weiterhin eine wachsende Stadt. Aber wir müssen es | |
hinbekommen, dass wir anders wachsen als in der Vergangenheit, wo man | |
manchmal den Eindruck hatte, je mehr versiegelt wird, desto besser. Da | |
passiert mittlerweile Einiges. Auch Planer:innen sagen häufiger: Wir | |
versiegeln erst gar nicht, dann müssen wir hinterher nicht entsiegeln. | |
taz: Sie sagten vorhin, Sie wollten Ideologie aus dem Projekt heraushalten. | |
Wie gelingt das denn? Es geht doch immer wieder um die Frage: Wem gehört | |
die Stadt? | |
Dorsch: Wir umgehen ideologische Debatten durch die Praxis. Die Menschen | |
merken, wie ihnen die klimatischen Veränderungen immer näher kommen: wenn | |
sie rausgehen und es zu heiß ist oder wenn es [4][Überschwemmungen] im | |
Umfeld gibt. Und dann fragen sie: Was können wir mit unserer Stadt machen, | |
damit wir den ganz großen klimatischen Veränderungen noch irgendwas | |
entgegensetzen können? | |
2 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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