| # taz.de -- Wo steht der Frauenfußball?: Trotz Boom nicht einmal halbe Felder | |
| > Im deutschen Fußball der Frauen ist durch die Männerprofiabteilungen mehr | |
| > Geld denn je im Umlauf. An der Basis fehlt es an qualifizierter | |
| > Ausbildung. | |
| Bild: Goldene Zeiten: Union Berlin feiert vor gut gefüllten Tribünen den Aufs… | |
| In Zürich, wo der Deutsche Fußball-Bund während der EM provisorisch ein | |
| Medienzentrum eingerichtet hat, gerät Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch | |
| geradezu ins Schwärmen über den 1. FC Union Berlin. Die Alte Försterei im | |
| Osten Berlins ist für den deutschen Verband zu einem begehbaren Stück | |
| Fantasieland geworden, wenn es um die positiven Entwicklungen des Fußballs | |
| der Frauen am Standort Deutschland geht. [1][Der Präsident Dirk Zingler sei | |
| ein Visionär,] sagt sie. „Da bilden die Männer und die Frauen wirklich | |
| einen Verein – und die Fans sagen: ‚Wir sind Unioner.‘“ | |
| Der besondere Clou bei Union war vergangene Saison der Umzug der Frauen an | |
| die Kultstätte der Männerprofis, wo die Kartennachfrage seit Jahren das | |
| Angebot weit übersteigt. Das zusätzliche Angebot, nun Frauenspiele an der | |
| Alten Försterei anschauen zu können, wurde sensationell gut angenommen. Aus | |
| dem Stand erzielte der Aufsteiger in die Zweite Liga mit einem Schnitt von | |
| 7.190 Zuschauerinnen und Zuschauern den Bestwert in Deutschland und den | |
| viertbesten Publikumszuspruch in ganz Europa. Auch dank dieser | |
| Unterstützung gelang der Durchmarsch in die erste Liga. | |
| Mammitzsch sieht im Gefolge von Union [2][mit Borussia Dortmund,] die nach | |
| vier Aufstiegen in Folge mittlerweile in der drittklassigen Regionalliga | |
| angekommen sind, und dem VfB Stuttgart, der kommende Saison in der zweiten | |
| Bundesliga spielt, weitere Hoffnungsträgerinnen am Horizont. Die | |
| Professionalisierung der Frauenteams durch die Querfinanzierung der | |
| Männerprofiklubs setzt in den letzten Jahren so manches in Bewegung. | |
| Es ist noch nicht lange her, da standen bei den Frauen die | |
| Bundesligavereine in großer Abhängigkeit zum Erfolg des Nationalteams. | |
| Dieser schien unabdingbar dafür zu sein, für die Klubs bessere Bedingungen | |
| zu schaffen. Unterdessen ist wegen der benannten jüngsten Entwicklungen das | |
| Bewusstsein beim DFB gewachsen, wie wichtig wiederum die Erstligavereine | |
| für die deutsche Auswahl sind. Wie schon 2022 in England hat man die | |
| Führungskräfte der Erstligavereine zu dieser EM auf eine Leadership-Reise | |
| eingeladen. In diesem lockeren Rahmen soll auch ein Austausch darüber | |
| stattfinden, wie die Bundesliga weiter vorangetrieben werden kann. | |
| ## „Quersubventionierung ist nicht die Zukunft“ | |
| Wie sich in dem mittlerweile erweiterten Kreis von vierzehn Klubvertretern | |
| wohl die Delegationen aus Jena und Essen gefühlt haben, den beiden | |
| verbliebenen reinen Frauenfußballvereinen, die nicht auf Zuwendungen aus | |
| den Männerprofiabteilungen spekulieren können? Florian Zeutschler, Manager | |
| [3][der SGS Essen], versichert, er habe sich nicht unwohl gefühlt. Es gebe | |
| trotz der unterschiedlichen Finanzierungsbedingungen viele gemeinsame | |
| Themen. | |
| Und der Frage, ob er aufgrund der vielen nachdrängenden | |
| quersubventionierten Klubs nicht Sorge habe, begegnet er gelassen. „Wir | |
| kennen unsere Stärke. Wir sind immer noch ein attraktiver Standort für | |
| jüngere Spielerinnen. Wir haben keine Angst davor, dass große Vereine nach | |
| 50 Jahren den Frauenfußball für sich entdecken.“ Dank des Jahrzehnte | |
| andauernden Engagements in Essen würden Sponsoren bei der SGS eher | |
| Authenzität sehen als bei manch anderem Klub. | |
| Zeutschler zieht in Zweifel, wie nachhaltig das neu geweckte Interesse am | |
| Fußball der Frauen ist. „Quersubventionierung wird nicht die Zukunft der | |
| nächsten 10 bis 15 Jahren sein.“ Die Klubs mit Männerprofiabteilung hätten | |
| neben einer gesellschaftlichen Verantwortung auch eine geschäftliche. Auf | |
| geringem Niveau sei das vielleicht leistbar. Aber wenn die Transfersummen | |
| weiter in die Höhe schießen wie zuletzt, könne sich das schnell ändern. | |
| ## Unabhängig von der Achterbahn der Männer | |
| In Berlin ist die große Bewegung, die in den deutschen Frauenfußball | |
| gekommen ist, zu spüren wie nirgendwo sonst. Neben dem 1. FC Union haben | |
| sich mit Hertha BSC und Viktoria Berlin zwei weitere Klubs das Ziel | |
| gesetzt, in absehbarer Zeit in der 1. Bundesliga Fußball zu spielen. Im | |
| EM-Quartier der Fußballzeitschrift 11Freunde diskutieren Vertreterinnen und | |
| Vertreter der drei Klubs vor dem Public Viewing der Partie Italien gegen | |
| Norwegen in einem Biergarten am Gleisdreieck über die aktuelle Lage. | |
| Viktoria verfolgt als 2022 neu gegründeter Investorinnenklub [4][ein ganz | |
| eigenes Modell], mit dem auch auf Unabhängigkeit von der Männerbranche Wert | |
| gelegt wird. „Wir sind nicht von der Achterbahn der Männer abhängig“, sagt | |
| die sportliche Leiterin Catharina Schimpf, die einst beim Hamburger SV die | |
| Frauenabteilung mitaufbauen half. Der Aufstieg in die Zweite Liga ist | |
| gerade gelungen. Schimpf sagt: „Wir gehen in die Zweite Liga mit einem | |
| Profikader. Das wird uns wie bei Union einen Wettbewerbsvorteil gegenüber | |
| der Konkurrenz verschaffen.“ Jetzt könne auch vormittags gearbeitet werden. | |
| Mit den Investitionen von Union kann Viktoria aber nicht mithalten. Sowohl | |
| Schimpf als auch Sofian Chahed, Leiter [5][des Frauenfußballs bei Hertha | |
| BSC,] heben die Vorbildrolle von Union hervor. | |
| Aber so selbstverständlich und einfach wie der Weg von Union im Nachhinein | |
| aussehe, sei das alles nicht gewesen, betont deren Geschäftsführerin | |
| Jennifer Zietz. Sie erinnert sich: „Es ist nicht so, dass alle in die Hände | |
| klatschen und sagen: Ja, da ist der Frauenfußball.“ Schließlich hätten die | |
| einzelnen Abteilungen des Vereins, etwa beim Ticketing oder Sponsoring, nun | |
| die doppelte Arbeit leisten müssen. Sehr viel Arbeit sei es gewesen, | |
| professionelle Strukturen zu entwickeln. Und der Prozess ist noch längst | |
| nicht abgeschlossen. Im Ausbildungsbereich, erzählt Zietz, fehle es an | |
| allen Ecken und Enden. „Manche unserer Nachwuchsteams können nicht mal auf | |
| dem halben Platz trainieren.“ | |
| Für Sofian Chahed mag sich das anhören wie Klagen auf hohem Niveau. Er | |
| betont, dass der Regionalligist Hertha nur „minimal querfinanziert“ durch | |
| die Männerabteilung ist. Der Betrag liege im unteren fünfstelligen Bereich. | |
| „Wir sind noch ganz weit hinten“, sagt er. Man wolle aber schnell aufholen. | |
| ## Das Fehlen qualifizierter Trainer | |
| Die Sorgen über die Probleme im Nachwuchsbereich eint alle Klubvertreter. | |
| Vor allem in der Trainerausbildung müsse noch viel gemacht werden, erklärt | |
| Chahed. Manchmal würden aus Mangel an Alternativen Väter die Teams | |
| trainieren. Viktorias Mangerin Schimpf weist darauf hin, dass eine | |
| qualitativ bessere Arbeit in der Breite auch Geld kostet. Der Deutsche | |
| Fußball-Bund hat jüngst stolz mitgeteilt, dass er im Altersbereich bis 16 | |
| Jahre bei den Mädchen den größten Mitgliederzuwachs erfährt. Um 7 Prozent | |
| auf knapp 119.000 ist die Zahl der kickenden Mädchen angestiegen. Die | |
| Quersubventionierungen aus dem Männerprofibereich fließen indes derzeit | |
| vornehmlich in die Spitze des Frauenfußballs. | |
| Und auch dort ist nicht alles Gold, was glänzt. Der Zuschauerboom bei Union | |
| etwa, der alle in Deutschlands Frauenfußballblase so sehr schwärmen lässt, | |
| soll ab August in der ersten Erstligasaison weiter befeuert werden. | |
| Jennifer Zietz sagt: „Wir sehen es bei der Europameisterschaft, die tollen | |
| Bilder. Den Schwung müssen wir aufnehmen.“ Das Problem ist nur, dass zur | |
| Unzeit ein massiver Rückschlag droht. Die Alte Försterei soll ab dem Sommer | |
| 2026 umgebaut werden. Für die Männer ist der Plan, in dieser Zeit im | |
| Olympiastadion zu spielen. Für die Frauen hat der 1. FC Union bis heute | |
| keinen Plan, auch weil in Berlin die Alternativen an bundesligatauglichen | |
| Stadien fehlen. | |
| Neben dem Olympiastadion entspräche derzeit wohl nur das | |
| Hertha-Amateurstadion den Lizenzbestimmungen der ersten Frauenliga. Das | |
| bietet aber nur 5.400 Zuschauern Platz. Vermutlich würden aber eh nicht | |
| viele aus der Union-Anhängerschaft zu Spielen der Frauen den weiten Weg auf | |
| das ungeliebte Hertha-Gelände antreten. Die Pressestelle vom 1. FC Union | |
| Berlin stellt demonstrative Gelassenheit zur Schau. Man werde sich erst | |
| äußern, wenn die Dinge klarer seien, heißt es auf Anfrage. „Bis dahin ist | |
| noch genug Zeit, alles in Ruhe vorzubereiten und zu entscheiden, wer wo | |
| spielt.“ | |
| Wie nachhaltig ist also das Engagement für den Fußball der Frauen? Der 1. | |
| FC Union wie viele andere Klubs werden sich künftig noch des Öfteren | |
| bekennen müssen. | |
| 20 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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