| # taz.de -- Frauenfußball in Berlin: Fußball, feministisch finanziert | |
| > Der FC Viktoria will den Wandel im Frauenfußball vorantreiben. Mit dem | |
| > Aufstieg in die 2. Liga ist der erste Schritt in Richtung Bundesliga | |
| > gemacht. | |
| Bild: Laura Casanovas Diaz und Aylin Yaren vom FC Viktoria nach dem Sieg im Pol… | |
| Berlin taz | Im Stadion Lichterfelde ist alles für den 5. Spieltag der | |
| Zweiten Frauen-Bundesliga vorbereitet. Der Heimverein, FC Viktoria Berlin, | |
| spielt gegen das zweite Team des großen VfL Wolfsburg und will endlich den | |
| ersten Saisonsieg einfahren. Die Trommler:innen laufen am Sonntag zu | |
| Höchstleistungen auf, während die Spielerinnen und die | |
| Trainer:innenteams den Fokus auf das Spiel richten. Einlaufkinder, | |
| Eltern, Großeltern und Freund:innen tummeln sich auf dem Stadionkomplex, | |
| viele davon tragen den hippen Merch des Vereins. Es ist zu spüren, dass es | |
| hier um mehr als den Fußball geht. | |
| Viktoria Berlin hat sich auf die Fahne geschrieben, eine diverse Community | |
| zu schaffen, die gemeinsam mit Investor:innen den [1][Frauenfußball in | |
| Deutschland nachhaltig verändern möchte]. Dafür haben sich 2022 sechs | |
| Frauen als Gründungsteam zusammengefunden und den Ball buchstäblich ins | |
| Rollen gebracht. Zu diesem Team gehören unter anderem die zweimalige | |
| Weltmeisterin und Ex-Profi-Fußballerin Ariane Hingst, die Unternehmerin und | |
| Journalistin Felicia Mutterer und die Autorin und Gründerin Verena Pausder. | |
| Nach dem Vorbild des kalifornischen Klubs Angels City FC ist die Idee für | |
| ein eigenes Fußball-Unternehmen gewachsen. „Ich hatte Ariane in meinem | |
| Podcast zu Gast und wusste, ich hätte nur eine Chance, ihr unsere Idee | |
| vorzustellen. Ich kannte sie aus dem Fernsehen und war riesiger Fan“, | |
| erzählt Felicia Mutterer. Nachdem die Idee vorgestellt wurde, brauchte es | |
| schlussendlich nicht viel Überzeugungsarbeit, um die Weltmeisterin an Bord | |
| zu holen: „Wir hatten einen gemeinsamen Call und Felicia hat eine | |
| Präsentation ausgearbeitet. Für mich stand fest: Wenn sie Angels City in | |
| Berlin machen wollen, bin ich dabei“, sagt Ariane Hingst. | |
| Nachdem gegründet wurde, ging es im nächsten Schritt darum, professionelle | |
| Strukturen im Verein zu etablieren und Investor:innen für das Projekt | |
| zu gewinnen. Das war laut Mutterer allerdings keine große Herausforderung: | |
| „Es half natürlich, dass einige Gründerinnen finanzkräftige Menschen in | |
| ihrem Umfeld hatten. Auch die queere Community hat das Projekt sofort | |
| unterstützt. Wir mussten darauf achten, dass die Leute nicht zu viel Geld | |
| investierten, weil wir eher viele Menschen und [2][vor allem Frauen | |
| dabeihaben wollten].“ | |
| ## 246 Investor:innen | |
| In der ersten Runde kamen 87 Investor:innen zusammen, die rund eine | |
| Millionen Euro zur Verfügung stellten – heute sind es 246. Die | |
| Geldgeber:innen sind minderheitsbeteiligt, haben aber kein direktes | |
| Mitspracherecht bei der Gestaltung des Konzepts. Entscheidungsträgerinnen | |
| bleiben nach der 50+1-Regel die Gründerinnen und der Verein. Die | |
| Investor:innen unterstützen vor allem mit ihren Skills und ihren | |
| Erfahrungen, zum Beispiel im Rahmen eines Mentoring-Programms. | |
| Zu den Investierenden gehören unter anderem Moderatorin Dunya Hayali, | |
| Schauspielerin Luise Wolfram und Finanzexpertin Natascha Wegelin. Nebenbei | |
| übernahm die ehemalige deutsche Schwimmerin Franziska van Almsick den | |
| Vorsitz im Aufsichtsrat und ein klares Ziel wurde formuliert: Bis 2027 | |
| sollte das erste Frauenteam von der dritten Liga in die Bundesliga | |
| aufgestiegen sein. Der erste Schritt ist bereits geschafft: In der letzten | |
| Saison stiegen die Frauen in die 2. Bundesliga auf. | |
| Mit unternehmerischem Powerplay und der Vision einer Revolution ging es in | |
| die Gestaltung der „Marke“ Viktoria Berlin. „Wir wollten das bestehende | |
| Team nicht einfach austauschen. Uns war klar, dass bessere Bedingungen zu | |
| einer Leistungssteigerung führen würden. Wir haben Trainingszeiten | |
| festgelegt, einen Physiotherapeuten eingestellt und Gehaltsstrukturen | |
| etabliert, die transparent kommuniziert wurden“, berichtet Hingst. | |
| Zu Beginn haben die Spielerinnen circa 550 Euro als Aufwandsentschädigung | |
| bekommen. Inzwischen haben sie einen Teilzeitjob beim Verein und nebenbei | |
| Zeit für eine Ausbildung oder ein Studium, um die „Karriere nach der | |
| Karriere“ abzusichern. Damit setzt der Verein gewisse Standards und ist ein | |
| Vorbild für andere. Doch Hingst sieht auch die Schattenseiten des | |
| Unterfangens: „Natürlich ist die Fallhöhe brutal. Wir gehen hier alle | |
| All-in und es ist nicht selbstverständlich, dass alles funktioniert, was | |
| wir uns vornehmen. Vielleicht klingt das für einige auch arrogant, wenn wir | |
| sagen, dass wir den Fußball revolutionieren wollen.“ | |
| ## Schlaflose Nächte trotz Erfolg | |
| Auch Mutterer sieht den schmalen Grat, auf dem sie sich bewegen – und hat | |
| bisweilen schlaflose Nächte. „Die Frage ist dann immer: Bist du gerade zu | |
| großkotzig oder gesund selbstbewusst?“ Zumal mit der angestrebten | |
| Professionalisierung auf den Verein auch mehr Kosten zukamen. Die | |
| Trainings- und Stadionanlagen wurden gemietet, die Spielerinnen entlohnt, | |
| Personal engagiert und ein Web-Auftritt und Social Media Kampagnen bezahlt. | |
| Dafür Sponsor:innen an Land zu ziehen und die zweite und dritte | |
| Investor:innenrunde zu schließen, sei nicht die leichteste Aufgabe | |
| gewesen, erläutert Mutterer. Vor allem, nachdem der erste Aufstiegsversuch | |
| im Juni 2023 in der Relegation gegen den Hamburger SV scheiterte: „Hinter | |
| jedem Erfolg steht ein gewisser Druck, abliefern zu müssen.“ | |
| In anderen Vereinen wie Bayer Leverkusen, FC Bayern oder auch VfL Wolfsburg | |
| stehen die sportlichen Erfolge der Männer im Vordergrund und [3][die | |
| Frauenabteilungen sind abhängig von der finanziellen Stärke des Vereins] | |
| und der Leistung der Kollegen. Um Möglichkeitsräume zu schaffen, war es für | |
| das Gründungsteam von Bedeutung, dass das erste Frauenteam unabhängig vom | |
| Rest des Vereins ist, aber trotzdem Zugehörigkeit ausstrahlt. „Wir haben | |
| mit den Verantwortlichen von Viktoria gesprochen, ihnen unsere Vision | |
| dargelegt, und der Verein fand unsere Idee gut. Es gab dann noch Gespräche | |
| über Anteile, Sachleistungen und finanzielle Aspekte, aber dann konnten wir | |
| das erste Frauenteam herauslösen“, so Hingst. | |
| Im Mai 2023 konnten die Frauen ein großes Ausrufezeichen setzen: Auf der | |
| Suche nach einem neuen Ausrüster, der „die Geschichte des Frauenfußballs | |
| mitschreiben will“, wurden verschiedene Gespräche geführt, wobei Nike in | |
| die engere Auswahl kam. „Es war eine großartige Situation. Zur Verhandlung | |
| saßen fast nur Frauen am Tisch, die Männerabteilung von Viktoria war auch | |
| eingeladen, doch es ging eigentlich nur darum, wie es mit den Frauen | |
| weitergeht und was die Vision ist. Am Ende haben wir erreicht, dass der | |
| ganze Verein mit Nike ausgerüstet wurde, doch die Frauen waren die | |
| Priorität“, erzählt Mutterer stolz. | |
| ## Frauenfußball braucht Investitionen von außen | |
| Damit gelingt es Viktoria Berlin stückweise, die Rollen zu tauschen und | |
| festgefahrene Strukturen aufzuweichen. Bisher profitiert vor allem das | |
| erste Frauenteam von der Übernahme der Gründerinnen, doch auch die | |
| Verbindung in den Jugendbereich soll stabiler werden. Hingst führt aus, | |
| dass es bisher an finanzieller Stärke fehle, um den kompletten | |
| Mädchenbereich und das zweite Frauenteam mit einzugliedern. Doch durch den | |
| Einsatz des Co-Trainers der ersten Mannschaft, Darien Hoffmann, als | |
| Cheftrainer des zweiten Teams soll der Unterbau gestärkt und der Nachwuchs | |
| langfristig gefördert werden. | |
| Für Viktoria Berlin steht fest: Es braucht aktuell die Investitionen von | |
| außen, um den Frauenfußball groß zu machen. „Wir wollen ein Pusher-Club | |
| sein, auch international, wir denken meist unternehmerisch, weil wir es | |
| müssen. Viktoria steht für Emanzipation, Unabhängigkeit und Gestaltung“, | |
| sagt Mutterer.Gegen den VfL Wolfsburg II ging es nicht über ein 1:1 hinaus, | |
| auf den ersten Sieg muss Viktoria also noch warten. „Wir hatten so viele | |
| Möglichkeiten vor dem Tor, das Spiel lag in unserer Hand und wir müssen die | |
| Buden konsequenter machen“, resümiert Spielerin Aylin Yaren. Es geht also | |
| weiterhin um die Chancenverwertung – auf und neben dem Platz. | |
| 23 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alishya Tanoku | |
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