| # taz.de -- Schluss machen mit Spotify: Es ist aus | |
| > Spotify bezahlt Künstler:innen schlecht, veröffentlicht KI-Musik und | |
| > der CEO investiert in ein Rüstungs-Start-up. Unsere Autorin zieht nun | |
| > Konsequenzen. | |
| Bild: Spotify, du hast mein Herz gebrochen | |
| Manche Beziehungen basieren auf gewachsener Liebe, auf gemeinsam | |
| verbrachten Jahren, auf Vertrauen. Andere … na ja. Andere halten sich nur | |
| noch durch Gewohnheit. Und wenn dieser eine Gedanke sich erst mal | |
| festsetzt, „Was mache ich hier eigentlich noch?“, dann ist es Zeit zu | |
| gehen. So geht’s mir mit dir, Spotify. Tut mir nicht leid, ich bin raus. | |
| Wir hatten eine schöne Zeit, wirklich. Ich bin mit dir groß geworden. Du | |
| warst da, auf meiner ersten Party, auf der ich „Stolen Dance“ von Milky | |
| Chance mit damals gerade 803 Streams abspielte, du standest mit mir | |
| gemeinsam das Abi und den ersten Liebeskummer durch, hast mir mit der | |
| „Putz-Playlist“ unzählige Stunden Arbeit in der Kletterhalle versüßt. Ab… | |
| du hast dich verändert. | |
| Ich habe lange nicht hingeschaut. Red Flags gab’s ja immer schon – aber man | |
| will ja noch an die Beziehung glauben. Und daran, dass du’s gut meinst, | |
| dass du anders bist als die anderen großen Plattformen. Aber du bist ein | |
| mieser Ausbeuter. [1][Künstler:innen bekommen pro Stream nicht mal einen | |
| halben Cent], 0,3 Cent, um genau zu sein. Das sind 2,86 Euro für 1.000 | |
| Streams. Apple Music zahlt das Doppelte. Und du, Spotify, hast Anfang 2024 | |
| noch einen draufgelegt: Statt das Geld deiner zahlenden Abonnent:innen | |
| direkt an Musiker:innen weiterzugeben, landet alles in einem großen | |
| Topf. Ein Drittel davon behältst du gleich selbst. Ein großer weiterer Teil | |
| geht an die GEMA und Labels, die dann die Musiker:innen bezahlen | |
| sollen. Doch was wirklich bei denen ankommt? Wer weiß das schon? | |
| Hauptsache, du profitierst von der Beziehung. | |
| Aber du enttäuschst mich nicht nur, du erschreckst mich auch. Dein CEO, der | |
| Milliardär Daniel Ek, der weiß, wohin mit dem Geld, das du den | |
| Musiker:innen nicht zahlst – [2][denn er investiert in die | |
| Rüstungsindustrie]. Seine Investmentfirma Prima Materia hat kürzlich viele | |
| Millionen US-Dollar in ein KI-Rüstungsunternehmen investiert. Helsing ist | |
| nach der 600-Millionen-Spritze, von der ein Großteil von Ek kommt, nun zu | |
| einem der wertvollsten Start-ups Europas geworden, schreibt die Financial | |
| Times. | |
| ## Viele Künstler verlassen dich gerade | |
| Helsing stellt zum Beispiel die HX-2 Drohne mit Mehrzweck-Sprengkopf her, | |
| die schon in der Ukraine im Einsatz ist, und die auch die Bundeswehr bald | |
| testen will. Sie soll schneller, intelligenter und mit einer größeren | |
| Reichweite ausgestattet sein als andere vergleichbare Drohnen. Finanziert | |
| mit dem Geld von uns Musikstreamer:innen. Mit dem Geld, das du, Spotify, | |
| dir in die Tasche steckst, während du vorgibst, nur ein bisschen harmlosen | |
| Pop und Indie in unsere Wohnzimmer zu bringen. Es reicht mir. Ich will | |
| nicht, dass mein Musikabo dazu beiträgt, Kriege effizienter zu machen – | |
| also mehr Menschen zu töten. | |
| Ich bin damit nicht die Einzige. Einige Künstler:innen verlassen dich | |
| gerade – King Gizzard & the Lizard Wizard, Xiu Xiu, Deerhoof. Keine | |
| Megastars, klar. Selbst Taylor Swift konnte dir 2014 nicht dauerhaft | |
| wehtun, obwohl sie sich für drei Jahre von dir trennte. Also vielleicht | |
| schmerzt es dich nicht, wenn wir gehen, aber ich möchte mich wieder | |
| unabhängiger machen. | |
| Denn du lügst mich auch an. Immer mehr Songs auf deinen Playlists kommen | |
| gar nicht mehr von Menschen, sondern von generativen KI-Systemen – | |
| sogenannter Perfect Fit Content. Schnell produziert, billig, austauschbar | |
| und von dir in die Playlisten gespült. Und vor allem: nicht als KI-Musik | |
| gekennzeichnet. Sorry, aber das fittet bei mir gar nicht perfekt. Selbst | |
| Songs von toten Künstler:innen erfindest du ohne Genehmigung der Labels, | |
| wie etwa letzte Woche einen Song des Country-Sängers Blaze Foley, der schon | |
| 1989 erschossen wurde. Geht’s noch? Ich will wissen, ob ich da gerade einen | |
| echten Menschen höre oder dich selbst, Spotify. Ob du nun Musiker:innen | |
| erfindest, um noch ein bisschen mehr Geld in deine Kriegsdrohnen zu pumpen. | |
| Vielleicht muss ich einfach mal daten. Tidal? Der sensible Edgy-Indie-Typ | |
| unter den Streaminganbietern, der seine Künstler:innen besser | |
| bezahlt. Deezer? Der Ordnungstyp – taggt wenigstens, was KI-Musik ist. Oder | |
| Qobuz, ein französischer Streaminganbieter, von dem auf Social Media viele | |
| sagen: Da muss man zwar mehr in die Beziehung investieren (also Geld), | |
| dafür ist der Umgang respektvoller. | |
| Nur: Ich kann dich nicht ganz von heute auf morgen verlassen. Zu viel ist | |
| da noch gespeichert. Über zehn Jahre Playlists, Mixtapes, Erinnerungen. Und | |
| ja, ein kleiner Teil von mir wartet sogar wieder auf das nächste Spotify | |
| Wrapped – diese Mischung aus Selbstoffenbarung und digitalem Cringe am Ende | |
| des Jahres. Ein letzter Blick zurück. So war das früher: kostenlos, | |
| werbefinanziert, irgendwie anarchisch. Ich, mit 16, mit Laptop und | |
| AUX-Kabel auf Hausparty, du auf Shuffle. Aber ich gehe. Weil ich und auch | |
| die Künstler:innen auf deiner Plattform etwas Besseres verdient haben. | |
| 29 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ann-Kathrin Leclere | |
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