| # taz.de -- Die Wahrheit: Blümchensex mit Biene | |
| > Das verdammte Krabbelzeug und die kapitalistische Verwertungslogik. Die | |
| > Hassrede des Sommers. | |
| Bild: Ohne ihre Hoheit läuft in der Natur gar nichts mehr: Biene | |
| Der See ist nach zwei Wochen über dreißig Grad so warm, dass das Wasser | |
| kaum noch erfrischt. Ich schwimme ein Stück weiter raus, in der irrigen | |
| Annahme, dort draußen wäre es vielleicht etwas kühler. Und irgendwo auf dem | |
| Weg treibt dann eine Biene auf dem Wasser. Auch wenn sie sich nicht bewegt, | |
| glaube ich, dass sie noch nicht tot ist. Wahrscheinlich spielt sie nur tote | |
| Biene, um Kraft zu sparen und länger zu überleben, bis sie gerettet wird. | |
| Denn sie ist sich ihrer Wichtigkeit durchaus bewusst. Alle müssen sich wie | |
| selbstverständlich um das eingebildete Edelinsekt kümmern, weil ohne Ihre | |
| Hoheit in der Natur gar nichts mehr läuft. Ohne sie können wir uns die | |
| Ernte fortan selber stricken. So geht zumindest die Kunde. Und je öfter sie | |
| gerettet wird, desto mehr verstärkt sich wahrscheinlich diese ungesunde | |
| Hybris, bis sie sogar absichtlich auf den See hinausfliegt, weil sie sich | |
| einen klammheimlichen Spaß daraus macht, von Schwimmern aus dem Wasser | |
| gefischt zu werden. | |
| Und dann gleich wieder raus – summ, summ, plitsch, platsch, haha, ständig | |
| hin und her, wie auf dem Rummelplatz mit der Achterbahncard 100. | |
| Bienenrettungstourismus würde dazu sicher wieder irgendein CSU-Heinz sagen. | |
| In diesem Fall ausnahmsweise sogar zu Recht. | |
| Auch ich falle auf den Ruf der Biene als der Weltenretterin schlechthin | |
| herein, denn sofort stelle ich mein ursprüngliches Schwimmvorhaben hintan | |
| und mache mir Gedanken, wie ich die Biene nun an Land schaffe. Hat sie also | |
| schon wieder einen Dummen gefunden. | |
| ## Wir werden alle sterben | |
| Bienen sind ja angeblich so selten geworden. Behaupten sie jedenfalls. | |
| Vielleicht ist die hier schon die letzte? Wenn ich sie nicht rette – so | |
| lauten Gerüchte, die aus Bienenkreisen geschickt gestreut werden –, werden | |
| wir alle sterben. Kein Obst, kein Gemüse, kein Getreide, gar nichts mehr. | |
| Fortpflanzen kann sie sich wohl allein, dazu braucht sie ja nur Blumen. | |
| Zumindest so weit ich informiert bin; so genau möchte ich das gar nicht | |
| wissen, das geht mich eigentlich auch nichts an, das ist ja durchaus auch | |
| privat. | |
| Und schon suche ich das Wasser ab nach Minitreibgut, wenigstens einem Halm, | |
| an den sich die Biene klammern kann. Ich will sie mir nur nicht auf die | |
| bloße Hand setzen, sonst sticht sie mich. Das meint die gar nicht böse, sie | |
| ist nur so gestresst. Wie in der Fabel vom Skorpion, der den Frosch bittet, | |
| ihn auf seinem Rücken überzusetzen, und ihn dann in der Mitte des Flusses | |
| totsticht, und der Frosch noch, so mit letzter Kraft, ähhh hallooo?, was | |
| machst du Idi, jetzt sterben wir doch beide, und der Skorpion dann | |
| sinngemäß nur so, „supersorry, Alter, aber ich mach das, weil ich es kann�… | |
| Der Skorpion würde vermutlich auch eine Partei wählen, die ihn genauso ins | |
| Verderben reißt wie alle anderen, eben nur weil er es kann. Der Schaden für | |
| seinen Nächsten ist ihm wichtiger als der Nutzen für sich selbst. | |
| Gerade wegen des Mordsaufwands, den ich hier für die Biene zu betreiben | |
| bereit bin, muss ich mich schon fragen, warum ich achtlos an den ebenfalls | |
| im Wasser herumstrampelnden Motten und anderem undefinierbaren Krabbelzeug | |
| vorbeischwimme, ohne mir auch nur annähernd das gleiche Kopfzerbrechen zu | |
| bereiten. „Undefinierbares Krabbelzeug“ – das verächtliche Vokabular aus | |
| der Mottenkiste des Unmenschen verrät im Grunde schon, wes Geistes Kind ich | |
| bin. | |
| Denn was heißt schon: „nur“ eine Motte? Darin, Lebewesen nach einer | |
| kapitalistischen Verwertungslogik in lebenswert oder nicht lebenswert | |
| einzuteilen, liegt doch genau das Problem. Eine Denke, die zurzeit in fast | |
| allen politischen Lagern wieder groß im Kommen ist. Die Motte kann ruhig | |
| ersaufen. Motten haben ja auch eine ganz andere Kultur, mit den | |
| Straßenlaternen und so, und dann essen die noch unsere Kleidung und unser | |
| Mehl, da weiß man ja eh nicht so, das verstehen wir ja gar nicht. Wir | |
| können nun mal nicht allen helfen. Und vielleicht fischt die ohnehin wieder | |
| irgendein Idiot heraus, viel Spaß dabei. Ich muss mich schließlich um die | |
| Biene kümmern. | |
| Die gute deutsche Biene. Bestäubt laut summend und natürlich absolut | |
| konsensuell die gute deutsche Blume. Sie achtet dabei zuvorderst auf deren | |
| Lustgewinn, das erhöht auch ihren eigenen. Sie haben fantastischen | |
| Blümchensex, nicht wie so Nachtfalter, die traurig in irgendwelchen | |
| Darkrooms rumschwirren. Und wenn sie fertig sind, gibt es guten deutschen | |
| Honig aufs gute deutsche Brot. Heil Honig. | |
| 23 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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