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# taz.de -- Wegen Angriffen in Budapest: Bundesanwaltschaft klagt sechs weitere…
> Sie sollen Nazis in Budapest verprügelt haben, sind abgetaucht und haben
> sich gestellt: Nun sind sechs Linke angeklagt – auch für versuchten Mord.
Bild: Demonstrierende in Leipzig fordern die Freiheit für die Antifaschist*inn…
Berlin taz | Die nächste Anklagerunde der Bundesanwaltschaft gegen die
linksradikale Szene ist da: Die oberste Ermittlungsbehörde hat nun sechs
Linke angeklagt, denen vorgeworfen wird, [1][im Februar 2023 in Budapest
mehrere Rechtsextreme schwer angegriffen] zu haben. Die Vorwürfe lauten in
zwei Fällen auch auf versuchten Mord. Verhandelt werden soll der Prozess
vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
Das Oberlandesgericht und die Bundesanwaltschaft bestätigten der taz die
Anklagen. Es gehe um die Vorwürfe der Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung, der gefährlichen Körperverletzung und des versuchten Mordes.
Weiter wollten sie sich nicht äußern. Auch mehrere Verteidiger*innen
der Beschuldigten bestätigten die Anklage – und kritisierten die Vorwürfe
als überzogen.
Die sechs nun angeklagten Linken – Clara W., Luca S., Moritz S., Nele A.,
Paula P. und Emilie D. – lebten zuletzt in Thüringen und Sachsen und waren
nach den Angriffen in Budapest fast zwei Jahre abgetaucht. [2][Zu
Jahresbeginn hatten sie sich dann freiwillig der Polizei gestellt]. Sie
sitzen seitdem in Gefängnissen in Sachsen und Hamburg in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft wählte Düsseldorf als Prozessort offenbar, weil sich
in Nordrhein-Westfalen zwei der Beschuldigten stellten, in Köln und Hamm –
und weil vor dem ebenfalls diskutierten Oberlandesgericht Dresden demnächst
bereits ein anderer Großprozess gegen Linksradikale startet.
Laut Anklage sollen die nun Beschuldigten mit anderen Autonomen rund um den
„Tag der Ehre“, zu dem sich alljährlich Neonazis aus ganz Europa treffen,
fünf Angriffe auf Rechtsextreme verübt haben. Die Opfer seien zunächst
ausgespäht und dann aus einer Gruppe Vermummter heraus auch mit
Schlagstöcken attackiert worden. Sie hätten Knochenbrüche und
Kopfverletzungen erlitten. Zwei der Angriffe waren laut Anklage so schwer,
dass sie als versuchter Mord eingestuft werden. Einzelnen der nun
Angeklagten werden nach taz-Informationen auch Vorbereitungshandlungen für
die Angriffe vorgeworfen und eine Attacke auf Neonazis auch in Deutschland.
## War es versuchter Mord?
Die Verteidiger*innen der Beschuldigten halten den Vorwurf des
versuchten Mordes für überzogen. „Selbst die drakonische, politisch
agierende ungarische Justiz hat bei diesen Taten gerade keinen
Tötungsvorsatz gesehen“, heißt es in einer Erklärung. Zudem habe auch der
Bundesgerichtshof zuletzt beim Erlass von Haftbefehlen gegen die
Beschuldigten den Vorwurf des versuchten Mordes abgelehnt. „Dass der
Generalbundesanwalt dennoch von einem Tötungsvorsatz ausgeht, ist
bedenklich und lässt befürchten, dass dem eine politische Motivation zu
Grunde liegt“, so die Anwält*innen. Sie forderten das Oberlandesgericht
Düsseldorf auf, in diesem Punkt die Anklage nicht zuzulassen.
Auch dass der Prozess in Düsseldorf verhandelt wird, kritisieren die
Verteidiger*innen. Die meisten Beschuldigten hätten ihre sozialen Bindungen
nach Thüringen, betonen sie. Offenbar aber wolle die Bundesanwaltschaft die
dort bestehende Solidarität mit den Inhaftierten vermeiden. [3][Zuletzt
hatten auf einer Demonstration in Jena mehrere tausend Linke für die
inhaftierten Antifaschist*innen demonstriert].
Zudem, so die Anwält*innen, wolle die Bundesanwaltschaft wohl der
Thematisierung aus dem Weg gehen, dass rechte Übergriffe in Thüringen
Alltag seien. „In Anbetracht dieser Verhältnisse würde sich die Frage der
Legitimität einer derart überzogenen Anklage ganz konkret stellen“, heißt
es in der Erklärung.
## Einem Linken droht weiter die Auslieferung nach Ungarn
Den nun Angeklagten drohte anfangs auch eine Auslieferung nach Ungarn.
[4][Die Bundesanwaltschaft hatte dann aber betont], dass sie es für
vorrangig hält, dass die Verfahren in Deutschland geführt werden.
[5][Einzig im Fall des 21-jährigen Nürnbergers Zaid A.], der sich ebenfalls
im Januar stellte, erfolgte diese Ansage nicht – weil dieser syrischer
Staatsbürger ist und die Bundesanwaltschaft sich für seinen Fall nicht
zuständig sieht. Ihm droht daher weiterhin eine Auslieferung nach Ungarn,
eine Gerichtsentscheidung dazu steht noch aus. Weil sich das Verfahren so
lange zieht, [6][ist Zaid A. derzeit haftverschont].
Die Anwält*innen der nun Angeklagten forderten, auch die
Untersuchungshaft für ihre Mandant*innen aufzuheben. Eine erneute
Fluchtgefahr sei abwegig, da sich die Beschuldigten zu Jahresbeginn ja „in
Kenntnis der Vorwürfe freiwillig gestellt“ hätten.
Bereits zuletzt hatte die Bundesanwaltschaft [7][Anklage gegen sieben
weitere Autonome erhoben], denen Angriffe auf Rechtsextreme in Thüringen,
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen vorgeworfen werden. Sie
sollen Teil der Gruppe um die Leipzigerin Lina E. gewesen sein, die bereits
mit drei Mitbeschuldigten im Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht Dresden
[8][zu einer gut fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wurde] und diese
momentan absitzt. Unter den Angeklagten ist auch ihr früherer Lebenspartner
Johann G. Ihm und zwei weiteren dieser Beschuldigten wird ebenfalls
vorgeworfen, bei den Budapest-Angriffen dabei gewesen zu sein. Dieser
Prozess soll erneut in Dresden stattfinden.
Ebenfalls der Budapest-Angriffe beschuldigt ist Maja T. Die nonbinäre
Thüringer*in wurde von Zielfahndern bereits im Dezember 2023 in Berlin
gefasst und ein halbes Jahr später nach Ungarn ausgeliefert – rechtswidrig,
wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte. Seit Februar läuft
gegen Maja T. ein Prozess in Budapest, es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Vor
einem Monat begann T. einen Hungerstreik, um bessere Haftbedingungen und
eine Rücküberstellung nach Deutschland zu erreichen. Am Dienstag wurde T.
[9][wegen des Gesundheitszustands in ein Haftkrankenhaus verlegt].
Der Vater von Maja T., Wolfram Jarosch, befindet sich momentan auf einem
Protestfußmarsch von Jena, der Heimatstadt der Familie, nach Berlin, wo er
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) treffen und um Unterstützung für
sein Kind bitten will. Das Außenministerium ließ auf taz-Anfrage bisher
offen, ob Wadephul zu einem Treffen mit Jarosch bereit ist.
4 Jul 2025
## LINKS
[1] /Linken-droht-Auslieferung-nach-Ungarn/!6073407
[2] /Nach-Attacken-auf-Rechtsextreme/!6063116
[3] /Antifa-Demo-in-Jena/!6094030
[4] /Schreiben-der-Bundesanwaltschaft/!6069053
[5] /Linken-droht-Auslieferung-nach-Ungarn/!6073407
[6] /Angriffe-auf-Neonazis-in-Budapest/!6085567
[7] /Anklagewelle-gegen-Antifa/!6090027
[8] /Urteile-im-Linksextremismus-Prozess/!5934710
[9] /Hungerstreik-in-Ungarn/!6097565
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Antifa
Linksextremismus
Justiz
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Ungarn
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