# taz.de -- Was Frauen beim Sex stört: Wie kommen wir zusammen? | |
> Viele Frauen klagen über schlechten Sex mit Männern. Was sie sich | |
> wünschen und warum Kommunikation oft scheitert. Eine feministische | |
> Analyse. | |
Bild: Oder soll Mann es lassen? „How to build a relationship with layered mea… | |
Sein Penis war toll, ich war horny, aber dann …“ – „Warum rutschen Typen | |
beim Lecken immer so nach?“ – „Er beherrscht das erotische Spiel einfach | |
nicht.“ – „Der hat an meinen Nippeln gedreht, als wären es Knöpfe einer | |
Maschine.“ | |
Wir schreiben das 21. Jahrhundert, es hat sich herumgesprochen, dass Frauen | |
lustvolle Wesen sind. Viele Männer wollen fortschrittlich sein, Beziehungen | |
auf Augenhöhe führen, ihre Partnerinnen glücklich machen. Auch im Bett. 62 | |
Prozent der heterosexuellen Männer sagen, ihnen sei wichtig, ihrem | |
Gegenüber einen Orgasmus zu schenken, wie eine Befragung der | |
Datingplattform Parship zeigt. Trotzdem klagen Frauen oft. Und das nicht | |
nur nach Grenzüberschreitungen und Gewalt. Auch konsensualer Sex ist oft | |
schlecht. | |
Dafür sind Frauen mitverantwortlich, klar. Aber Tipps, wie Frauen sich | |
optimieren sollen, gibt es genug. Und das versuchen sie auch: Sie besuchen | |
Vulva-Workshops, gehen zur Therapie, üben mit Youtube-Tutorials zu | |
squirten, kaufen schicke Dessous. Viele Männer kennen nicht einmal ihre | |
Kondomgröße. | |
Trotzdem kommt der Hinweis von Männern oft schneller, als frau gucken kann | |
(voraussichtlich auch unter diesem Beitrag): „Frauen müssen sich eben | |
einfach mal locker machen“, und so weiter. Reflexhafte Abwehr von Kritik | |
verhindert aber nicht nur echte Interaktion, sie ist auch analytisch | |
unbefriedigend. Denn wenn Männer so gar nichts falsch machen, wieso sind | |
dann [1][lesbische Frauen weitaus zufriedener im Bett als Hetero-Frauen]? | |
Es gibt Menschen, die unabhängig vom Geschlecht einfach nicht harmonieren, | |
ihre Körper passen nicht zusammen oder ihre Vorlieben unterscheiden sich zu | |
sehr. Doch die Unzufriedenheit von Frauen im Bett ist mehr als nur Pech im | |
Einzelfall. Das belegt auch der [2][Gender Orgasm Gap]. Dabei handelt es | |
sich, ähnlich wie beim Gender Pay Gap, um die Lücke zwischen diesen beiden | |
Geschlechtern: Während 70 bis 100 Prozent der Männer in | |
Hetero-Partnerschaften regelmäßig zum Höhepunkt kommen, trifft das nur auf | |
65 Prozent der Frauen zu. Bei One-Night-Stands kommen Frauen noch seltener. | |
Woran liegt das, und wie ließe es sich ändern? | |
Die guten Nachrichten zuerst: An der Biologie kann der Orgasm Gap nicht | |
liegen: Eine Klitoris hat doppelt so viele Nervenenden wie ein Penis, ist | |
also wesentlich empfindsamer. Viele Hürden, die Frauen den Sex-Spaß | |
vermiesen können, stören dank der Erfolge feministischer Kämpfe heute | |
weniger als früher – etwa die Sorge, ungewollt schwanger zu werden, oder | |
das Diktat der Keuschheit. | |
Trotzdem spielen gesellschaftliche Bedingungen weiterhin eine Rolle: Es | |
macht zum Beispiel einen Unterschied, ob man eine Wohnung und darin den | |
nötigen Rückzugsraum hat, um intim zu werden. Als Grund für Unlust nennen | |
Frauen häufig ihre Doppelbelastung durch Lohn- und Fürsorgearbeit. Frauen, | |
denen von Geburt an noch immer viel stärker als Männern vermittelt wird, | |
dass sie gut aussehen müssen und was genau das bedeutet, fühlen sich – | |
wenig überraschend – beim Sex fast doppelt so häufig wie Männer unwohl in | |
ihrem Körper. | |
Einen anderen Aspekt betont die Psychotherapeutin Anne Ehrlich. Sie | |
arbeitet in ihrer Berliner Praxis mit feministischem Ansatz. Das heißt, sie | |
berücksichtigt neben der Psychologie auch die Probleme, die eine | |
männerdominierte Welt für Frauen mit sich bringt. Dabei fällt ihr auf, dass | |
oft noch ein rückständiges Bild von Sex vorherrsche. „Nämlich die | |
hetero-männliche Denkweise, Sex sei erst, wenn der Penis in die Vagina | |
eindringt.“ | |
So verschieden Frauen und ihre Vorlieben auch sind: Diese Haltung ist für | |
die allermeisten ein Problem. Auch für alle 20 Frauen, mit denen die taz | |
gesprochen hat. Eine von ihnen ist Paula aus Berlin. Sie ist 34, beruflich | |
erfolgreich und insgesamt zufrieden mit ihrem Leben. Sie liebt Sex und | |
hatte schon viele Partner – sowohl lose Affären als auch feste Beziehungen. | |
„Neulich war ich total horny. Mein Date kam zu mir, wir haben rumgemacht“, | |
erzählt sie beim Treffen in einer Weinbar in Berlin-Wedding. „Aber der hat | |
mich gar nicht gestreichelt, bloß stumpf an meinen Brüsten und meiner | |
Muschi rumgedreht – als wären das Knöpfe, die er nur aufdrehen muss, und | |
dann startet die Maschine.“ Sie wünsche sich, dass Männer sie am ganzen | |
Körper berühren. „Ich habe doch auch Oberschenkel, Hüfte, Po, Nacken, | |
Schultern …“ | |
Selbst wenn stattfindet, was gemeinhin als Vorspiel bezeichnet wird, sei | |
der Sex nicht per se gut, kritisiert indes die 35-jährige Führungskraft | |
Tessa aus Franken. „Oft machen Männer zwei Minuten da unten rum und denken | |
dann wohl: ‚Jetzt habe ich sie doch geleckt, was will sie mehr?‘“ So geht | |
es nicht nur ihr. Vergleicht man die aktuelle Situation mit den 1950er | |
Jahren, gibt es sogar Rückschritte: Heute befriedigen Männer Frauen sogar | |
seltener oral bis zum Orgasmus, wie [3][eine Studie] belegt. | |
## Das Vorspiel abschaffen | |
Therapeutin Ehrlich fordert deshalb, das „Vorspiel“ abzuschaffen. „Nur als | |
Begriff und Konzept“, betont sie. Denn selbst Männer, die sich dabei ins | |
Zeug legten, schielten letztlich meist auf Penetration. Viele, viele Frauen | |
empfinden mehr Lust beim Küssen, Streicheln, Fingern oder Lecken. Neu ist | |
dieses Wissen über weibliche Lust nicht. Schon in den 1970er Jahren | |
erschien mit dem [4][„Hite Report“] eine umfassende Studie über weibliche | |
Sexualität. Lou Pagets „Der perfekte Liebhaber“ aus dem Jahr 2000 bietet | |
Nachhilfe über den weiblichen Körper und beliebte Sextechniken. | |
Wer grundsätzlicher verstehen will, warum es vielen Männern so schwerfällt, | |
ihre Gefühle wahrzunehmen und zu zeigen, kann Werke [5][über Männlichkeit | |
wie von bell hooks] oder [6][Klaus Theweleit] lesen. „Aber das Problem ist | |
doch: Die meisten Männer interessiert das gar nicht, warum sollten sie denn | |
lesen, sie kommen ja auch so meistens auf ihre Kosten!“, bemerkt Paula. | |
„Andere lesen vielleicht mal was, aber verstehen es offensichtlich nicht.“ | |
Das Internet ist voll mit Ratschlägen – der Klassiker: mehr Kommunikation. | |
Wie die meisten Frauen wünscht sich das auch Tessa. Nur Reden während des | |
Liebesspiels selbst, das turne sie ab. „[7][Ich mag es ja auch mal hart], | |
mit Klaps auf den Hintern und so. Nur beleidigt und ‚Bitch‘ genannt werden | |
will ich wirklich nicht.“ Als dies neulich passiert sei, hätte ihr | |
Sexpartner das sofort an ihrem Gesichtsausdruck erkennen können. „Ich | |
kommuniziere viel. Aber nonverbale Signale verstehen Männer ja oft gar | |
nicht“, seufzt sie. Also habe sie es explizit ausgesprochen. Er sei dann | |
eingeschnappt und die Affäre kurz darauf vorbei gewesen. | |
Das kennt Paula auch. Der aus ihrer Sicht „völlig naive“ Rat, mehr zu | |
kommunizieren, regt die Mittdreißigerin auf. Sie spreche immer aus, was sie | |
wolle – vor, während oder nach dem Sex. „Aber egal, wie lieb ich es | |
formuliere, reagieren die Typen oft total daneben.“ Von Abwehr, | |
Beleidigtsein, Ignoranz, Rechtfertigungen, Trotz, bis hin zu Aggressivität | |
oder Flucht habe sie schon alles erlebt. „Ich habe das Reden aufgegeben.“ | |
Warum klappt das mit dem Reden oft nicht? Psychologin Ehrlich verweist hier | |
auf unbewusste Elemente männlicher Identität. „Wenn eine Sexualpartnerin | |
Wünsche ausspricht, kommt bei Männern oft an: ‚Du bringst es nicht‘. Das | |
darf aber nicht sein, weil die sexuelle Performance ein zentraler | |
Bestandteil der männlichen Identität ist: Um ein ‚echter‘ Mann zu sein, | |
muss man es ‚im Bett bringen‘.“ Auch für diejenigen mit den besten | |
Vorsätzen sei es deshalb schwer, Rückmeldungen anzunehmen und umzusetzen, | |
so Ehrlich. | |
Ein aktueller Trend scheint zu sein, dass Männer im Bett heute viel | |
nachfragten. Die 28-jährige Fiona erzählt, sie hatte dadurch von Anfang | |
großes Vertrauen zu ihrem Date. Die beiden waren sich einig: „Es ist hot, | |
vor dem Küssen zu fragen, ob das gerade cool wäre.“ | |
„Wer sich nicht sicher ist, sollte fragen“, rät Ehrlich – und setzt sofo… | |
zu einem „Aber“ an. Entscheidend sei dabei die Motivation: „Fragen die | |
Männer, weil sie Strafanzeigen vermeiden oder weil sie gute Liebhaber sein | |
wollen?“ Wem das Gegenüber als Mensch wichtig sei, der achte sowieso auf | |
dessen Körpersprache, betont die Psychotherapeutin. „Das geht übrigens auch | |
bei One-Night-Stands und Affären – sofern der Mann sein Gegenüber als | |
Subjekt wahrnimmt.“ | |
Fiona hat dennoch, obwohl ihr Date sie bei allem um Erlaubnis gefragt hat, | |
eine schlechte Erfahrung gemacht. Bei einem ihrer nächsten Treffen | |
behandelte der Mann, der anfangs so einfühlsam schien, sie völlig | |
respektlos. Therapeutin Ehrlich warnt deshalb: Nur weil Männer nachfragten, | |
hieße das nicht unbedingt, dass sie patriarchale Vorstellungen überwunden | |
hätten. | |
„Wenn der männliche Part jetzt dauernd fragt: Darf ich dich küssen? Darf | |
ich deinen BH öffnen? Darf ich deine Brust anfassen?, macht immer noch er | |
die aktiven Schritte und sie muss es abnicken“, sagt Ehrlich. Es ist die | |
alte Rollenverteilung. Je fortschrittlicher Männer sich gäben, desto größer | |
sei gar die Gefahr, dass wichtige Schutzimpulse von Frauen abgebaut würden, | |
warnt die Therapeutin, die auch Frauen mit Gewalterfahrung behandelt. | |
Kein Zweifel, schlechter Sex kann schlicht an fehlendem Respekt oder | |
Egoismus liegen. Was aber ist mit den Männern, die es wirklich besser | |
machen wollen? Ehrlich findet, diese sollten sich einreihen „hinter | |
Millionen Frauen, die an ihrer Sexualität arbeiten.“ Um zu unterstreichen, | |
dass nicht in Stein gemeißelt ist, was Menschen begehren und was sie | |
erregt, gibt Ehrlich ein Beisspiel aus ihren Therapien: | |
Sogar Frauen, die in der Vergangenheit gewaltvollen Sex erlebt und als | |
normal betrachtet hätten, seien in der Lage, die „erlernte Verknüpfung von | |
Gewalt/Unterwerfung mit Sexualtiät/Erregung“ zu hinterfragen – und | |
aufzulösen. Das sei schwierig und mitunter ein langer Prozess. „Aber | |
Veränderung ist möglich.“ Die Voraussetzung dafür sei zu begreifen: „So … | |
ich das gelernt habe, ist das für mich nicht optimal“, so Ehrlich. | |
## Männer, die sich Mühe geben | |
Mit Männern, die sich Mühe geben, kennt sich auch Sexualwissenschaftler Kim | |
Posster aus Leipzig aus. Er forscht und schreibt zu kritischer | |
Männlichkeit. Das A und O sei, dass jeder – „also wirklich jeder“ – bei | |
sich selbst anfange. „Auch wenn man denkt: Die anderen Männer sind schlimm! | |
Aber ich bin ja anders.“ Posster schildert deshalb eine Situation aus | |
seinem eigenen Intimleben, durch die er viel gelernt habe. Vor vielen | |
Jahren habe er mal mit einer erfahreneren Frau geschlafen. „Ich war sehr | |
gestresst, ob es schön für sie ist“, gibt er zu. Beim Kuscheln danach habe | |
er laut vor sich hin gegrübelt, ob er gut gewesen sei. Entgeistert habe sie | |
ihn angesehen: „Warst du gerade dabei?“ | |
Statt ihm die Bestätigung zu geben, auf die er gehofft hatte, machte sie | |
ihm damit klar, dass er sie überhaupt nicht wahrgenommen habe. Sonst hätte | |
er ja bemerkt, wie sehr sie den Sex genossen hat. Posster machte ihre | |
Reaktion aggressiv. Sie trat mit ihrer eigenen Sichtweise auf. Er erschrak | |
über sich selbst und kam so zu einer Erkenntnis: „Ich wollte mir eigentlich | |
gar nichts von der Frau sagen lassen.“ | |
Im Rückblick ist er dankbar für Erfahrungen wie diese. Sie hätten ihm | |
gezeigt: „Auch ich trage misogyne Anteile in mir.“ Posster fordert: „Statt | |
Sexpartnerinnen als schmeichelnde Spiegel zu benutzen, müssen Männer sich | |
auf Frauen als eigenständige Personen einlassen.“ Dazu gehört, dass sie im | |
gleichen Moment etwas ganz anders fühlen können als man selbst, die gleiche | |
Situation ganz anders wahrnehmen können. | |
Zentral sei, dass Männer endlich von alten Skripten ablassen. Diese werden | |
unter anderem, aber nicht nur, [8][von Mainstream-Pornos verbreitet]. Wie | |
könnte die Veränderung praktisch aussehen? „Das kann heißen: Ich kann als | |
Mann auch mal der ‚kleine Löffel‘ sein, also mich von der Frau in den Arm | |
nehmen lassen“, sagt Posster. „Es kann heißen, als Mann viel mehr zu | |
stöhnen. Oder es kann heißen, eine Zeitlang komplett auf Penetration zu | |
verzichten, damit Raum entsteht herauszufinden, was einem noch alles | |
gefällt.“ | |
Dem entgegen stehe oft Angst. Angst, die Kontrolle zu verlieren, Angst vor | |
negativen Gefühlen. „Aber auch Unsicherheit oder Scham gehören eben dazu. | |
Männer sollten lernen, das auszuhalten und besser damit umzugehen“, findet | |
Posster. Das würden sich auch Paula und Fiona wünschen. „Es ist ja | |
überhaupt nicht schlimm, wenn mal etwas schiefläuft oder man nicht on the | |
same page ist, nur leider gehen Männer damit oft nicht cool um. Und das ist | |
eigentlich das Nervige.“ | |
Possters letzter und wichtigster Tipp lautet: „Sucht nicht nach Tipps!“ | |
Sonst wiederhole sich immer weiter die falsche Logik, dass Männer | |
versuchen, Leistung zu bringen, statt loszulassen und zu wagen, mit einem | |
anderen Menschen gemeinsam etwas Neues zu erleben.“ | |
## Was Frauen wollen | |
Penelope | |
„Was ich noch nie verstanden habe, ist, dass Männer beim Lecken, wenn ich | |
etwas zurückrutsche, weil sie sie es übertreiben, sofort nachrutschen. | |
Und das nicht nur einmal!“, lacht die 33-jährige Penelope, Mutter, | |
Krankenpflegerin und Medizinstudentin aus Ludwigshafen. Intim war sie in | |
ihrem Leben mit neun Partnern, meist in festen Beziehungen. „Das mit dem | |
Nachrutschen haben bestimmt sechs von denen gemacht.“ Egal, wie innig sie | |
mit einem Mann gewesen sei, hätten diese oft ihre nonverbalen Signale oft | |
nicht verstanden. | |
Außerdem stört sie, wenn Männer beim Versuch, „in meine Vagina | |
einzudringen, den Eingang nicht finden“. Das an sich sei noch kein Problem. | |
Gefühlvoll danach zu suchen könne Teil des Spiels und sehr schön sein. | |
„Aber stattdessen benutzen die dann immer sofort Kraft“, ärgert Penelope | |
sich. „Dieses Rumgestocher ist echt unangenehm.“ | |
Mary | |
Mary wohnt in einem Dorf an der Weinstraße. Sie ist 41, Krankenschwester, | |
seit 20 Jahren verheiratet und hat fünf Kinder großgezogen. Über Sex | |
spreche sie – mit ihren Freundinnen – sehr offen. Bei der Frage, was sie im | |
Bett stört, bricht sie in Lachen aus. Wie kommt’s? Schämt sie sich etwa | |
doch? „Nee, aber wo soll ich da bloß anfangen?“ | |
Dann zählt sie auf: In ihrer Ehe habe jede Leidenschaft gefehlt „oder | |
wenigstens ab und zu ein Stellungswechsel, eine Pause, mal kurz quatschen | |
oder lachen und dann nochmal von vorne“. Dass er mal fragt, was sie | |
überhaupt mag, darauf hat Mary 20 Jahre lang vergeblich gewartet. Sie räumt | |
ein, dass sie sich früher nicht getraut hätte etwas zu sagen. „Ich habe | |
eben meine ehelichen Pflichten erfüllt.“ | |
Nach 20 Jahren hat ihr das gereicht. Sie hat sieben lange Gespräche mit | |
ihrem Mann geführt. Ohne, dass sich etwas geändert habe. Inzwischen hat sie | |
ihn, auch deshalb, verlassen. Ihr neuer Lover sei ganz anders – und sie | |
endlich erfüllt. | |
Jenny | |
Jenny ist 48, aus Dresden, dreifache Mutter und Autorin. Seit Jahren lebt | |
sie in einer glücklichen Partnerschaft. Dabei sei ihr Freund „manchmal fast | |
schon zu einfühlsam und sanft“. Ihn zu einem anderen Sex-Modus anzustiften, | |
habe sie schon lange aufgegeben. Trotzdem ist sie zufrieden. Schwierig sei | |
für sie eher der fehlende Rückzugsraum mit den Kindern in einer beengten | |
Wohnung. | |
„Jedes Mal, wenn ich guten Sex mit Männern hatte, dachte ich: Da war eine | |
Frau am Werk. Danke, liebe Vorgängerin! Woher sonst soll er es auch | |
wissen?“ Sie ist überzeugt: Erfahrung mache besser, niemand lerne allein | |
aus Büchern. „Ich denke deshalb, dass es schon etwas nützt, Männern | |
Feedback zu geben“. Aber, gibt sie zu: „Ich selbst habe mich das nicht | |
immer getraut, weil ich weiß, wie schnell viele davon verletzt sind.“ | |
Ein anderer Grund sei, dass einige sexuelle Begegnungen für sie so schlimm | |
gewesen sind, dass sie nur noch weg und nie wieder mit dem Mann sprechen | |
wollte. „Zum Beispiel als ich einmal für eine Verabredung extra in ein | |
anderes Land gereist bin.“ Er habe sehr gut ausgesehen, Frauen respektiert | |
und sich große Mühe gegeben. „Aber danach war ich verletzt. Also physisch. | |
So fest hat er an mir gerubbelt.“ | |
Mareike | |
Dass ihr Date mal den Mund aufmacht, das hätte sich Mareike, 27, | |
Projektmanagerin aus Frankfurt, gewünscht, als neulich das Kondom in ihrer | |
Vulva verloren ging. Sie habe das erst nicht bemerkt. Er schon. „Aber er | |
hat einfach weitergemacht und dann angefangen neben seinem Penis mit seinen | |
Fingern in mir herumzustochern.“ Das sei extrem unangenehm gewesen. In | |
diesem Moment hätte sie sich gewünscht, dass er sagt, was los ist, und ihr | |
überlässt, wie sie nun vorgehen wolle. | |
Eigentlich hätte sie sich eine kleine Entschuldigung erhofft, da das „echt | |
unangenehm“ für sie gewesen sei. „Stattdessen aber musste ich ihn auch noch | |
beruhigen!“ Ja, sie verhüte, mit einer Hormonspirale, keine Sorge. Was mit | |
Verhütung ist, sollten Männer vor dem Sex klären. „Dass sie das nicht tun, | |
ist ja auch ein Klassiker.“ | |
Danach habe er einfach weitergemacht, doch ihre Stimmung war dahin. Nach | |
zwei Stunden sagte sie: „Ich kann nicht mehr“, da sie körperlich erschöpft | |
gewesen sei und „nur noch schlafen wollte“. Unzufrieden war sie mit 10 von | |
15 Sexpartnern in ihrem Leben. „Mittlerweile bin ich aber in einer | |
Beziehung mit einem tollen Partner.“ | |
Fiona | |
Fiona und ihr Date, das sie über die Plattform Bumble kennengelernt hat, | |
waren sich von Anfang an einig: „Es ist hot, vor dem Küssen zu fragen, ob | |
das gerade cool wäre.“ Sie ist 28, glücklicher Single und lebt in Freiburg. | |
Bei ihrem ersten Treffen unterhalten sie sich über ihre vergangenen | |
Beziehungen, Geschlechterklischees und Männlichkeit. „Ich mochte seine | |
entspannte Art, es hat sich direkt super vertraut angefühlt.“ | |
Sie schlafen miteinander. Mehrmals. „Das war der Hammer! Ich habe es so | |
genossen“. Besonders gefallen habe ihr die Abwechslung, wer jeweils den | |
aktiveren Part einnimmt. Doch bei einem der nächsten Treffen sei „der Vibe | |
plötzlich ganz anders“ gewesen. Er empfängt sie nicht an der Tür, sondern | |
im Bett liegend, bietet ihr nichts zu trinken an und verkündet: „Heute ist | |
Chill-Tag. Leg dich zu mir!“ Imperative, Rummachen, Ausziehen. | |
„Er hat dann ziemlich schnell meinen Kopf runtergedrückt, so dass ich ihm | |
einen Blow-Job gebe“, berichtet sie. Als sie an seinem „ekligen Geruch“ | |
bemerkte, dass er nicht einmal geduscht hatte, habe sie sofort aufgehört. | |
Doch es ging weiter, irgendwann nahm er sie von hinten, drückte ihr Gesicht | |
fest ins Kissen. Sie habe sich nicht gewehrt, nicht „Nein“ gesagt. „Das w… | |
nicht schmerzhaft, also nicht körperlich.“ Aber sie habe sich „benutzt“ | |
gefühlt. Besonders enttäuscht sei sie über den Kontrast zu den Treffen | |
davor. Sie erklärt sich das so: „Der dachte sich wohl: ‚Wir haben genug | |
gedated, ich habe mir lang genug Mühe gegeben, jetzt nehme ich mir einfach, | |
was ich will.‘“ | |
Tessa | |
Tessa, 35, ist Führungskraft in einem internationalen Unternehmen. Kürzlich | |
hatte sie eine Affäre mit einem Mann, der „unglaublich gut küsste“. Sie | |
mussten das Ganze geheim halten. „Das war aufregend, auf so was stehe ich | |
ja voll.“ Aber sobald sie unter sich waren und es losging, sei jede | |
erotische Spannung weg gewesen. „Der hat nur noch Schema F abgespult: | |
Blasen, Lecken, Penetrieren, fertig“, ärgert sie sich. | |
Ihre Erklärung: „Der guckt halt stupide Pornos und versucht das dann | |
nachzumachen.“ Gegen Pornos habe sie überhaupt nichts, betont Tessa. „Aber | |
aus Mainstream-Pornos übernehmen Typen misogyne Haltungen und langweilige | |
Skripte.“ Sie verstehe nicht, warum Männer sich nicht endlich gute Pornos | |
gönnten. „Ach, und eins noch“, schiebt sie hinterher: „Harter Sex ist au… | |
mal geil, aber mich nervt, wenn stures Rammeln zur Routine wird.“ | |
Paula | |
Paula, 34, schläft alle paar Wochen mit einem anderen Mann. Auch wenn sie | |
in einer Partnerschaft ist. „Aber gerade hier in Berlin und beim | |
Online-Dating geben die Kerle sich oft überhaupt keine Mühe“, schimpft sie. | |
Sie stehe „weder auf egoistische und dominante Arschlöcher noch auf | |
unterwürfige Sklaven“. Im Bett wünscht sie sich mehr „selbstbewusste, | |
erwachsene Männer“. | |
Erotik sei für sie vor allem ein Spiel, bei dem Spannung wichtig sei. Es | |
bringe sie um den Verstand, wenn Männer sich so richtig gehen ließen, | |
sodass sie mitbekomme, wie nach und nach die Erregung ihres Gegenübers | |
ansteige. „Das kann durch Worte, durch einen Blick oder auch nur durch ein | |
einziges heftiges Ausatmen sein.“ Sie mag, es geteased zu werden, zum | |
Beispiel wenn ihr die Berührung, nach der sie lechze, einen Augenblick lang | |
vorenthalten werde. | |
Anstrengend findet sie, wenn Männer unbedingt wollen, dass sie kommt. Das | |
habe sie in den letzten Jahren häufig erlebt – und nur auf den ersten Blick | |
passe es überhaupt nicht zur „Egonummer, die viele abziehen: Egal, wie die | |
Typen sich vorher aufführen: Am Ende musst du kommen. Als ob die den | |
Orgasmus der Frau als Beleg dafür brauchen, dass sie gute Lover sind.“ | |
16 Jul 2025 | |
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