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# taz.de -- SPD-Parteitag in Berlin: Stahl, Helme und Krieg
> Die SPD ringt um ihren außenpolitischen Kurs und die Wehrpflicht. Ein
> Affront gegen Verteidigungsminister Pistorius wird in letzter Minute
> abgewendet.
Bild: Konfrontation – zumindest innerparteilich – beigelegt. Juso-Chef Tür…
Berlin taz | „Wir sind zu langweilig“, beklagte der ehemalige
Arbeitsminister Hubertus Heil zum Auftakt des dreitägigen SPD-Parteitags.
Von wegen. Während der erste Tag von überraschenden Wahlergebnissen geprägt
war – [1][Parteichef Lars Klingbeil] wurde mit nur rund 65 Prozent im Amt
bestätigt – dominierten am zweiten Tag die Inhalte und in letzter Minute
eingebrachte Anträge, sogenannte Initiativanträge. Besonders beim Thema
Außenpolitik und Wehrpflicht ging es hoch her.
Die Genoss*innen bemühten sich, die am ersten Tag aufgerissenen Gräben
wieder etwas zuzuschütten. So wurde [2][beim Thema Wehrpflicht] bis zum
Schluss um einen Kompromiss gerungen. Mit Erfolg. Die Jusos hatten gegen
die von Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Spiel gebrachte Rückkehr
zur Wehrpflicht einen Initiativantrag eingebracht und die SPD aufgefordert,
sich gegen einen Zwangsdienst auszusprechen.
Der Minister wollte in seinem Wehrdienstgesetz bereits Regelungen einbauen,
die bei einem Fehlen von Freiwilligen greifen würden. Er wehrte sich im
Vorfeld des Parteitags „gegen die Stimmen, die meinen, wir müssten jegliche
Verpflichtung ausschließen“. Eine Botschaft an die Jungsozialist*innen.
Schließlich einigte sich der Parteitag mit wenigen Gegenstimmen darauf, die
Entscheidung ob Wehrpflicht oder nicht, so lange wie möglich
hinauszuschieben. Im mehrheitlich verabschiedeten Kompromiss heißt es, dass
die Partei sich zu einem „neuen Wehrdienst“ nach dem sogenannten
schwedischen Modell bekenne, wie es auch im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU
verabredet ist.
## SPD uneins bei Wehrpflicht
Der Wehrdienst solle attraktiver werden, von mindestens 60.000 zusätzlichen
Soldat*innen sowie 200.000 Reservist*innen ist die Rede. Das sind
die Zielzahlen, die auch Pistorius immer wieder nennt. Und der Beschluss
folgt auch der Argumentation des Verteidigungsministers: „Wir müssen
reagieren können, wenn die sicherheitspolitische Lage oder die Bedarfe der
Bundeswehr dies erfordern.“
Falls es nicht genug Freiwillige gebe, will die SPD allerdings keine
aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger
einführen, „bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung
ausgeschöpft sind“. Alles offen, also? „Am Ende entscheidet die Regierung�…
so ein Verteidigungspolitiker lakonisch.
Pistorius hatte allerdings auch Forderungen aus der Union eine Absage
erteilt, eine Wehrpflicht möglichst schnell einzuführen. Dafür würden
Kasernen und Übungsplätze fehlen.
## Aufruf zur Einhaltung des Völkerrechts
Mit großer Mehrheit einigte man sich auch auf eine kritischere Tonart
gegenüber Israels Vorgehen in Gaza und im Iran. Mit großer Mehrheit folgten
die Delegierten dem Antrag des Parteivorstands, der Israel zur Einhaltung
des Völkerrechts aufruft und „diplomatische Anstrengungen“ fordert, „um …
fragile Waffenruhe zwischen Israel und Iran zu erhalten“.
„Auch Israel ist an das Völkerrecht gebunden und muss die
Verhältnismäßigkeit des Einsatzes wahren. Diese Verhältnismäßigkeit ist
nicht mehr gegeben“, heißt es in einem Antrag für den Parteitag, der mit
großer Mehrheit beschlossen wurde. Gleichzeitig bekannten sich die
Sozialdemokrat*innen zur Zweistaatenlösung, verurteilten den Terror
der Hamas und forderten die Freilassung der Geiseln.
Israel dürfe sich zwar verteidigen, sagte die Abgeordnete Derya
Türk-Nachbaur. „Aber Selbstverteidigung hat Grenzen, und die Grenze ist das
Völkerrecht.“ Sie kritisierte auch ihre Partei: „Wir haben als SPD
vielleicht zu lange um Worte gerungen.“ Deutschland müsse sich
grundsätzlich unmissverständlich zum Völkerrecht bekennen, hieß es von
verschiedenen Redner*innen.
## Parteitag fordert nationalen Stahlgipfel
Emotionale Reden gab es schon mittags, als es um die Wirtschaft ging. Vor
allem das Thema Stahl erhitzte die Gemüter der Genoss*innen: Ein Antrag,
der sich zur Produktion von grünem Stahl in Deutschland bekennt und von
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) unter anderem die
Einberufung eines nationalen Stahlgipfels fordert, wurde einstimmig
angenommen.
Zum Hintergrund: Kürzlich hatte der größte europäische Stahlkonzern
ArcelorMittal seine Pläne gestoppt, an den Standorten in Bremen und
Eisenhüttenstadt auf CO2-arme Stahlproduktion umzustellen. Bremens
Bürgermeister Andreas Bovenschulte, dessen Senat diesen Weg gemeinsam mit
dem Bund massiv finanziell unterstützen wollte, zeigte sich am Samstag
erbost: Das Vorgehen von ArcelorMittal sei „nicht akzeptabel“, die
Ministerin dürfe „nicht länger in den Kulissen stehen“.
Im Beschluss heißt es: „Wenn nicht in grünen Stahl investiert wird,
bedeutet es wegen steigender CO2-Preise innerhalb weniger Jahre, dass die
Stahlindustrie schlicht und ergreifend in Europa nicht mehr
wettbewerbsfähig sein wird“.
Auch an anderen Stahl-Standorten, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen,
ist die Sorge groß, dass Standorte geschlossen werden, auch wenn die
dortigen Betreiber bislang an ihren Transformationsplänen festhalten. „Die
Stahlindustrie ist das Rückgrat unserer Industrie. Millionen Menschen sind
von dieser Branche abhängig“, sagte Timo Ahr aus der Saar-SPD.
## Ablehnung für Ausnahmen beim Mindestlohn
Kritik gab es an den im Koalitionsvertrag formulierten Plänen, die
Möglichkeit einer wöchentlichen statt einer täglichen Arbeitszeit zu
schaffen – eine Abkehr vom Acht-Stunden-Tag.
Dass Agrarminister Alois Rainer (CSU) im Schulterschluss mit dem
Bauernverband beim [3][Mindestlohn] Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte in
der Landwirtschaft schaffen möchte, stieß bei vielen Redner*innen auf
Ablehnung. „Das wäre ein Mindestlohn zweiter Klasse“, sagte Katharina Räth
aus Franken. „Das ist völliger Schwachsinn, das machen wir nicht mit.“ Ein
solcher „Mindestlohn unterhalb des Mindestlohns“ sei „unmoralisch“, so …
weiter. Die von der Mindestlohnkommission am Freitag beschlossene
Lohnuntergrenze hatten die Genoss*innen jedoch stirnrunzelnd akzeptiert.
Auf dem Parteitag war das kein Streitthema.
28 Jun 2025
## LINKS
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[3] /Entscheidung-der-Mindestlohnkommission/!6096868
## AUTOREN
Sönke Gorgos
Anna Lehmann
## TAGS
SPD-Parteitag
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