# taz.de -- Bundestag ändert das Eisenbahngesetz: Alte Gleise, neue Wohnungen | |
> Stillgelegte Schienen sollen in Zukunft leichter anders genutzt und | |
> bebaut werden können. In einer Stadt ist das besonders brisant. | |
Bild: Nach Abschluss des Projekts Stuttgart 21 sollen hier Wohnungen und das ne… | |
Stuttgart taz | Der Bundestag hat in der Nacht auf Freitag entschieden, | |
dass stillgelegte Bahn-Grundstücke leichter bebaut werden können. Im nun | |
geänderten Eisenbahngesetz wird klargestellt, dass der Erhalt eines Gleises | |
oder einer sonstigen Bahnbetriebsanlage nicht von „überragendem | |
öffentlichem Interesse“ ist, wenn zu erwarten ist, dass die Infrastruktur | |
auch langfristig nicht mehr genutzt wird. | |
„Mit unserem Gesetzentwurf schaffen wir eine dringend benötigte | |
Erleichterung für Städte und Gemeinden“, erklärte der verkehrspolitische | |
Sprecher der Unionsfraktion, Björn Simon (CDU). | |
Das Gesetz wurde vor allem mit Blick auf [1][die Bebauung des Stuttgarter | |
Rosensteingeländes] diskutiert. Hier sollte durch die Verlegung des | |
Hauptbahnhofs unter die Erde Platz für 5.000 Wohnungen geschaffen werden. | |
Bisher hätte dieses Gelände, wie es im Bahnsprech heißt, nicht „entwidmet�… | |
also nicht als Wohnfläche genutzt werden können. | |
Der Versuch, das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) im Januar noch zu | |
novellieren, war in den Verhandlungen der damaligen Minderheitsregierung | |
mit der CDU gescheitert. Unter der Ampelregierung war das AEG noch | |
verschärft worden. Ein grüner Gesetzentwurf, der nach Aussage des | |
Bahnpolitikers Matthias Gastel (Grüne) einen Ausgleich zwischen den | |
Baubedürfnissen der Städte und der Entwicklung der Bahn gesucht hat, fand | |
jetzt keine Mehrheit. | |
## VCD: „Herber Rückschlag für die Verkehrswende“ | |
Ist damit auch der Weg frei für die Bebauung der ehemaligen Gleisflächen am | |
Stuttgarter Hauptbahnhof – den sinnvollen Teil des als Ganzes absurden | |
Milliarden-Projekts Stuttgart 21? | |
Fahrgastverbände und Umweltschützer sehen größere Freiheit bei der | |
Geländeumwidmung kritisch. Gerade mit der Reaktivierung von Gleisen lassen | |
sich die Kapazität der Bahn leichter erhöhen und so die Fahrgastzahlen | |
steigern. Die Gesetzänderung sei „ein unnötiger und herber Rückschlag für | |
die Verkehrswende“, sagt etwa der Verkehrsclub Deutschland (VCD). | |
Entwidmungen seien so wieder hauptsächlich an das Ermessen des | |
Eisenbahnbundesamts geknüpft. | |
Ziel der Ampel war es, die Verkehrsleistung im Personenverkehr zu | |
verdoppeln. Mit der Änderung des AEG Ende 2023 wollte der Bund verhindern, | |
dass Gleisflächen bebaut werden und dies zulasten des Bahnverkehrs geht. | |
Durch die bisherige gesetzliche Regelung wurden nach Angaben des Deutschen | |
Städtetags bundesweit mehr als 170 kommunale Projekte blockiert, bei denen | |
[2][Wohnraum entstehen soll]. Im Frühjahr war zuletzt in der Ampelkoalition | |
ein Kompromiss gescheitert. | |
## 5.700 Wohnungen auf dem Rosensteingelände | |
Das sogenannte Rosensteingelände dürfte das größte bisher vom | |
Eisenbahngesetz ausgebremste Projekt sein. Ende 2026 liegt der Stuttgarter | |
Bahnhof laut der aktuellen Planung unter der Erde. Auf dem Grundstück | |
darüber, im Herzen der Landeshauptstadt, sollen 5.700 Wohnungen für 10.000 | |
Menschen entstehen. | |
Noch während der Bund über die Änderung des AEG verhandelte, hatte die | |
Stadt Stuttgart eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht, um | |
die gesetzliche Blockade aufzuweichen. Zudem hat in dieser Woche der | |
Stuttgarter Gemeinderat die Stadt aufgefordert, endlich ein | |
Bebauungskonzept für das Viertel vorzulegen. | |
Die komplette Bebauung des Areals liegt allerdings auch nach der | |
Gesetzesänderung in ferner Zukunft. Mit der Eröffnung des Tiefbahnhofs im | |
Winter 2026 sind noch nicht alle Gleise unter der Erde. Die sogenannte | |
[3][Gäubahn], die Verbindung von Stuttgart nach Zürich, wird noch bis zum | |
Bau des Pfaffensteigtunnels, voraussichtlich Ende 2032, oberirdisch | |
geführt. | |
Für die Gegner des Tunnelprojekts sollte das am besten auch so bleiben. Das | |
Gleisgelände schütze die Stadt vor Überhitzung, postulieren die | |
Bahnhofsgegner. Und: Nur ein wenigstens teilweise oberirdisch geführter | |
Bahnhof sei leistungsfähig genug. | |
Zudem würden auf diese Weise 2,7 Milliarden Euro Baukosten gespart. Die | |
Kombination aus Tief- und oberirdischem Kopfbahnhof war 2010 schon eine | |
Variante, an der [4][der Schlichter des Stuttgart-21-Streits, Heiner | |
Geißler], festhielt. Allerdings bliebe mit dieser Variante dann auch ein | |
großer Teil der neuen Wohnungen im Stuttgarter Zentrum ungebaut. | |
27 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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