# taz.de -- Befristung von Postdocs: Karlsruhe kippt Garantien für Wissenschaf… | |
> Das Bundesverfassungsgericht erklärt das Berliner Hochschulgesetz für | |
> verfassungswidrig. Das Land Berlin habe keine Gesetzgebungskompetenz. | |
Bild: Das Bundesverfassungsgericht gibt einer Beschwerde der Berliner Humboldt-… | |
Karlsruhe taz | Für die Linke ist es ein „bitterer Rückschlag im Kampf | |
gegen Kettenbefristung in der Wissenschaft“. Wissenschaftssenatorin Ina | |
Czyborra (SPD) bedankt sich hingegen für die „rechtliche Klarstellung“. | |
Anlass ist der Erfolg der Humboldt-Universität (HU) mit ihrer Klage beim | |
Bundesverfassungsgericht. Das hatte am Donnerstag bekannt gegeben, dass die | |
vom rot-rot-grünen Senat [1][2021 eingeführte Pflicht], für erfolgreiche | |
Jung-Wissenschaftler:innen Dauerstellen einzurichten, nichtig ist. Das Land | |
Berlin habe dafür keine Gesetzgebungs-Zuständigkeit, heißt es in dem | |
22-seitigen Beschluss. | |
Die Änderung des Berliner Hochschulgesetzes kam 2021 überraschend. Sie | |
wurde von den Abgeordneten erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügt. Die | |
Neuregelung in Paragraf 110 sah vor, dass die Hochschulen allen befristet | |
angestellten Postdocs, also promovierten Wissenschaftler:innen, eine | |
unbefristete Stelle anbieten müssen, wenn sie bestimmte | |
Qualifizierungsziele erreichen. So sollte jungen Wissenschaftler:innen | |
eine sichere Lebensplanung ermöglicht werden. Laut Linkspartei erhalten nur | |
sieben Prozent derjenigen, die nach der Promotion einen Job in der | |
Wissenschaft annehmen, einen unbefristeten Vertrag. | |
Gegen die Neuregelung gab es sofort heftige Proteste. Die Hochschulen | |
warnten, dass sie bald keine neuen Nachwuchs-Wissenschaftler:innen mehr | |
einstellen könnten, wenn alle Stellen unbefristet besetzt sind. Die | |
HU-Präsidentin Sabine Kunst [2][trat sogar zurück,] sie stehe für solchen | |
„Murks“ nicht zur Verfügung, sagte sie. CDU und FDP wandten sich mit einem | |
Normenkontrollantrag an das Landesverfassungsgericht, das jedoch noch nicht | |
geurteilt hat. Und die HU erhob Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. | |
Dort erklärten die Richter:innen die Neuregelung nun für | |
verfassungswidrig und nichtig. Die Übernahmepflicht greife in die | |
Wissenschaftsfreiheit der Hochschule ein, heißt es. Denn sie nehme ihr die | |
Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche Wissenschaftler:innen sie | |
dauerhaft einstellen will. Dieser Eingriff sei auch nicht durch Paragraf | |
110 gerechtfertigt, das das Land Berlin hierfür keine | |
Gesetzgebungskompetenz habe. Im „Arbeitsrecht“ habe der Bund eine | |
„konkurrierende“ Gesetzgebungskompetenz. Und wenn der Bund eine | |
abschließende gesetzliche Regelung getroffen hat, sind den Ländern die | |
Hände gebunden. | |
## Neuregelung war nicht in Kraft | |
Auf Bundesebene gilt bereits seit 2007 das | |
Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz. Es erlaubt, dass | |
Nachwuchswissenschaftler:innen bis zur Promotion maximal sechs Jahre | |
befristet angestellt werden können und nach der Promotion weitere sechs | |
Jahre. Pro Kind verlängert sich die Zeit um zwei Jahre. | |
Die Verfassungsrichter:innen halten diese Regelung für abschließend. | |
Sie sperre landesgesetzliche Regelungen, die einen Anspruch auf | |
unbefristete Weiterbeschäftigung geben. Als Beleg dafür, dass der Bundestag | |
derartiges sogar ausdrücklich ausschließen wollte, führten die Karlsruher | |
Richter:innen einen entsprechenden Antrag der Linken aus dem Jahr 2015 | |
an, der von der Mehrheit des Bundestags abgelehnt wurde. | |
Das Bundesverfassungsgericht stützte die Verfassungswidrigkeit | |
ausschließlich auf die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit des Landes | |
Berlin. Es ließ damit offen, ob stattdessen der Bundestag den Hochschulen | |
Übernahmepflichten für Postdocs auferlegen könnte. | |
Konkrete Auswirkungen hat der Karlsruher Beschluss indes kaum. Denn wegen | |
der Proteste und der verfassungsrechtlichen Zweifel ist die Neuregelung | |
noch gar nicht in Kraft getreten. Mehrfach war eine Übergangsregelung | |
verlängert worden, zuletzt bis zum 1. Januar 2026. Es gibt also keine | |
Betroffenen, deren Übernahme-Zusage nun infrage steht. Außerdem plante der | |
schwarz-rote Senat ohnehin eine [3][Änderung des Hochschulgesetzes], bei | |
der die Übernahmegarantie für erfolgreiche Postdocs wieder abgeschafft | |
werden sollte. | |
## Nun ist der Bundestag gefragt | |
Darauf verwies auch Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) in einer | |
ersten Stellungnahme. Man wolle dem akademischen Mittelbau nun „mehr | |
Sicherheit und Planbarkeit“ geben, indem „innovative neue | |
Dauerstellenkategorien“ (Researcher und Lecturer) eingeführt werden, so | |
Czyborra am Donnerstag. Die Gewerkschaft GEW sieht darin aber nur Symbolik: | |
„Die Einführung dieser neuen Stellenkategorien im Gesetz verpflichtet keine | |
Hochschule dazu, diese Stellen an ihrer Hochschule auch tatsächlich zu | |
schaffen.“ | |
Der Blick der Betroffenen dürfte sich nun auf den Bund richten. Schon die | |
Ampel-Koalition wollte das [4][Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz | |
reformieren]. Vorgesehen war unter anderem, dass der erste Arbeitsvertrag | |
nach einer Promotion in der Regel eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren | |
haben muss. Allerdings sollte die Postdoc-Phase auf vier Jahre (statt | |
bisher sechs Jahre) begrenzt werden. Der Gesetzentwurf fiel jedoch dem | |
Ampel-Aus zum Opfer. | |
Die schwarz-rote Koalition im Bund will nun einen neuen Anlauf unternehmen | |
und das Gesetz bis Mitte 2026 novellieren. Im Koalitionsvertrag heißt es, | |
dass „Mindestvertragslaufzeiten vor und nach der Promotion“ eingeführt | |
werden sollen. Von Übernahmegarantien und Dauerstellen ist jedoch nicht die | |
Rede. | |
10 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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