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# taz.de -- Berliner Senat will bei den Unis sparen: Klagen gegen die Kettensä…
> Studienplätze brechen weg, Professuren gestrichen: Der Berliner Senat
> will sparen und bricht damit geltende Verträge. Eine Klage der Unis
> könnte Erfolg haben.
Bild: Bald ausgelehrt?
Berlin taz | Der Senat habe bei der Finanzierung der Hochschulen
„ordentlich verkackt“, sagt Gabriel Tiedje, Referent der
Studierendenvertretung der TU-Berlin, in aller Deutlichkeit: 142 Millionen
Euro weniger, 25.000 Studienplätze weg, unzählige Entlassungen, zählt er
die Folgen der Kürzungen auf, die auf die Berliner Hochschulen zukommen.
Am Montag wird sich voraussichtlich abzeichnen, ob Berlins Hochschulen
gegen den Senat klagen. Laut BHT-Präsidentin Julia Neuhaus ist die
Klageschrift unter Beteiligung aller Berliner Hochschulen in Vorbereitung.
Die Chancen für eine erfolgreiche Klage stünden gut, zumindest nach einem
am Freitag bei einer Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus vorgestellten
rechtlichen Gutachten der Linken. Gekommen waren neben
Studierendenvertreter auch Gewerkschafter:innen und die
Hochschulpräsident:innen.
Laut Gutachten sei der Senat nicht befugt, die erst im Februar 2024
unterzeichneten Verträge mit den Hochschulen einseitig aufzukündigen, um
finanziell umzustrukturieren. Der Senat darf die Hochschulen zwar um
Nachverhandlungen bitten – diese müssen allerdings nicht zustimmen. Das sei
nie geschehen, der Senat stelle die Hochschulen vor quasi vollendete
Tatsachen, kritisiert TU-Präsidentin Geraldine Rauch auf der
Pressekonferenz: „Den Verhandlungen haben wir nicht zugestimmt.“
Trotzdem setzen die Hochschulen die Gespräche mit dem Senat am Montag fort,
in der Hoffnung, auch ohne Klage eine Einigung zu erzielen. Ob geklagt
wird, hängt also konkret davon ab, wie viel Geld die Hochschulen in der
letzten Verhandlungsrunde bekommen.
## Nicht auf Augenhöhe beteiligt
Kritisiert wird von den Universitätspräsident:innen nicht nur das
knappe Geld, sondern auch, dass sie nicht transparent und auf Augenhöhe
beteiligt werden. „Es muss ein gemeinschaftlicher Prozess sein, den die
Hochschulen treiben müssen und nicht nur, wo wir netterweise ein bisschen
beteiligt werden“, fordert Rauch.
Die TU-Präsidentin kritisiert, dass die Kürzungen in eine Zeit fallen, in
der Wissenschaftssysteme weltweit unter Attacke stünden, beispielsweise die
drastischen Kürzungen von Stipendien- und Studienprogrammen in den USA.
Auch hierzulande geraten Universitäten von allen Seiten unter Druck.
Ein Beispiel sei hier das Papier für „Entbürokratisierung“ [1][der
Leopoldina], der Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle (Saale), in
dem Bereiche wie Gleichstellungsbeauftragte als bürokratische Zusatzkosten
markiert sind, die es zu streichen gelte. Laut Leopoldina seien Beauftragte
für Gleichstellung und Arbeitssicherheit „Nebenzwecke“, dessen Finanzierung
in „Wissenschaftseinrichtungen vermieden und gegebenenfalls rückgängig
gemacht“ werden sollte. Allgemein sei es nun hoffähiger zu behaupten, dass
bestimmte Bereiche wie Gleichstellungsmaßnahmen oder auch Geistes- und
Sozialwissenschaften insgesamt überflüssig seien, kritisiert Rauch.
Erst kürzlich stieß Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) auf massive
Kritik, als sie die komplette Streichung der Geisteswissenschaften an TU
Berlin vorschlug. Dass technische Universitäten Geisteswissenschaften
anbieten, ist jedoch eine Lehre aus der NS-Zeit, um Naturwissenschaften
nicht unreflektiert zu betreiben.
## International renommiert
In der Praxis werden sich die Kürzungen also sehr unterschiedlich
auswirken. So trifft es kritische Sozialwissenschaften häufig härter als
naturwissenschaftliche Bereiche. Zum Beispiel droht die Sozial- und
Kulturanthropologie an der Freien Universität komplett wegzubrechen.
Dabei ist Berlin bekannt für internationalen Austausch und für Institute
kritischer Sozial- und Geisteswissenschaften wie dem Centre for Social
Critique oder dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
International renommiert ist auch das für die 68er-Studierenden-Bewegung
historisch bedeutsame Otto-Suhr-Institut für kritische Politikwissenschaft.
Verdi-Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt betont, dass die Wissenschaft
neben Kunst und Kultur eine der wichtigsten Einnahmequelle für das Land
sind. Besonders über Drittmittelakquise werden Millioneninvestitionen in
die Stadt geholt. Dramatisch dabei sei, dass durch die Kürzungen zwei von
fünf Exzellenzcluster zu entfallen drohen. Die Forschungsverbünde haben
besonders viele Drittmittel angelockt.
„Bei Schwarz-Rot hat die Wissenschaft keine Priorität“, ergänzt
Wissenschaftspolitiker Tobias Schulze (Linke). Er spricht von einem
„anti-wissenschaftlichen Reflex“, der von Berlin, über den Bund, bis
international den Wert der Wissenschaft für die Gesellschaft und Demokratie
nicht mehr anerkennt.
## Schlechte Arbeitsbedingungen
Gewerkschaftssekretärin Seppelt bemängelt bei der Pressekonferenz, dass
besonders die prekär in Fristverträgen Beschäftigten unter den Kürzungen
leiden werden. Für Verdi ist klar, dass sie keine Kündigung von
Tarifverträgen zulassen: „Wer an die Tarifverträge geht, wird mit unserer
Gegenwehr rechnen müssen“, sagt Seppelt.
Dabei komme man nicht gerade aus fetten Jahren für die Beschäftigten,
erläutert Seppelt. Gerade die Arbeitsbedingungen für
Nachwuchswissenschaftler:innen sind schlecht. Laut aktuellem
Hochschulreport des Deutschen Gewerkschaftsbunds sind 82 Prozent der
wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen befristet angestellt. Der
vorherige rot-rot-grüne Senat wollte mit einer Entfristungspflicht für
Postdocs nachhelfen. Erst am vergangenen Donnerstag urteilte das
Bundesverfassungsgericht, dass dies die Kompetenzen des Landes Berlin
überschreite.
Ob Berlin auch in Zukunft als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts
bestehen kann, wird sich diesen Montag zeigen. Für TU-Präsidentin Rauch und
ihre Kolleg:innen ist klar, dass sie sich „diesen Prozess auf keinen
Fall aus der Hand nehmen lassen“. Zu Montag wurde breit durch die
Hochschulen auf eine Demonstration vor der Senatsverwaltung für
Wissenschaft mobilisiert.
13 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.leopoldina.org/leopoldina-home/
## AUTOREN
Luna Afra Evans
## TAGS
Hochschulpolitik
Kürzungen
Geisteswissenschaften
Hochschulgesetz
Studierende
Sparpolitik
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