# taz.de -- Kürzungen an den Unis: Existenz statt Exzellenz | |
> Die drohenden Kürzungen an den Unis führen zu desaströsen Zuständen, | |
> beklagen Studierende und Lehrende. Einige Hochschulen wollen klagen. | |
Bild: Eine „Vorlesung der Zukunft“ ohne Dach über dem Kopf: Studiprotest a… | |
Berlin taz | Es ist ein „Vorlesungssaal der Zukunft“, den Berliner | |
Studierende am Donnerstagnachmittag auf der Weidendammer Brücke in Mitte | |
errichtet haben. Auf dem Pflaster steht ein Holzpult, davor ordnen sich | |
drei Reihen hölzerner Stühle – unter freiem Himmel, über der Spree. | |
Schwarz-gelbes Absperrband trennt den improvisierten Seminarraum und die | |
rund 40 Protestierenden von Passant*innen. Die Botschaft der Studierenden, | |
Hochschulmitarbeitenden und Lehrenden ist deutlich: „Wir wollen dem | |
Berliner Senat den Mittelfinger zeigen.“ | |
Hintergrund der Protestaktion sind die drohenden millionenschweren | |
Kürzungen an Berliner Universitäten und Hochschulen. In Redebeiträgen wird | |
der desaströse Zustand an Unis und Hochschulen geschildert: von überfüllten | |
Seminarräumen über prekäre Anstellungsverhältnisse bis hin zu | |
sanierungsbedürftigen Gebäuden. „Wenn es keine Unigebäude mehr gibt, bleibt | |
uns nur die Straße“, sagt eine Rednerin. Sie fordert vom Senat | |
Unterstützung statt Kürzungen. | |
Allein in diesem Jahr soll der Wissenschaftssektor rund 250 Millionen Euro | |
einsparen. Anfang des Jahres hatte der Senat für Hochschulen und | |
Universitäten deshalb eine Haushaltssperre von acht Prozent verhängt. Das | |
entspricht Kürzungen in Höhe von 107 Millionen Euro. | |
Dass es dabei nicht bleibt, zeigt eine aktuelle Antwort des Senats auf eine | |
Anfrage des Linke-Abgeordneten Tobias Schulze. Rund 27 Millionen Euro | |
kommen demnach aufgrund der „pauschalen Minderausgaben“ noch hinzu. Zudem | |
wurden 10 Millionen Euro an Investitionsmitteln, also Gelder für | |
Bauprojekte und Anschaffungen, gestrichen. Für das Jahr 2025 handelt es | |
sich somit um rund 145 Millionen Euro, die Hochschulen und Universitäten | |
akut einsparen müssen. | |
## Es trifft vor allem die Kleinen | |
Dabei hatte es vor einem Jahr noch gut ausgesehen: Im Februar 2024 hatten | |
Senat und Hochschulleitungen die Hochschulverträge beschlossen, die eine | |
Planungssicherheit bis 2028 versprachen. Fünf Prozent Aufschwung sollten | |
diese den Hochschulen bringen. Doch im November kündigte | |
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) die Verträge im Zuge der | |
ausgerufenen Kürzungspolitik einseitig. | |
Wie so oft trifft es auch hier diejenigen, die ohnehin am wenigsten haben. | |
In diesem Fall die kleinen Hochschulen, die – anders als die großen | |
Universitäten – keine Rücklagen besitzen. Dort wird nun unter anderem an | |
den Personalkosten gespart. Dabei seien die Hochschulen schon zuvor so | |
finanziert worden, dass man den Betrieb gerade so aufrechterhalten konnte, | |
sagt Eckart Hübner, Dekan für Musik an der Universität der Künste (UdK). | |
Die Kürzungspolitik [1][treffe die UdK daher „existenziell“]. | |
„Ich frage mich, ob den handelnden Personen wirklich bewusst ist, dass sie | |
die Existenz einer international exzellenten Hochschule gefährden“, sagt | |
Hübner. Die UdK gilt als eine der besten Kunst-Unis der Welt. Und ist die | |
einzige, die die Disziplinen Bildende Kunst, Gestaltung, Darstellende Kunst | |
und Musik vereint. Jetzt droht sie still und heimlich den Bach | |
herunterzugehen. | |
An der gesamten UdK gilt ein Einstellungsstopp, frei werdende Professuren | |
werden nicht mehr neu besetzt. Die Lehre werde nur durch Lehrbeauftragte am | |
Laufen gehalten, so Hübner. Geht ein:e Professor:in in Rente, gebe es | |
ihr Fach einfach nicht mehr. Die Kopplung von Lehrinhalten an das Alter der | |
Lehrenden sei „planlos“ und „gefährlich“, sagt Hübner. | |
## Schlimmer als unter Sarrazin | |
Durch die Kürzungen könnten zudem Instrumente nicht mehr repariert und | |
seltener gestimmt werden. Dazu komme, wie auch bei den anderen Hochschulen | |
und Unis, ein Baustopp für die maroden Gebäude. Die Aussichten sind düster: | |
„Wenn das so bleibt, können wir in den nächsten Jahren nicht mal mehr Strom | |
oder Miete zahlen“, sagt Hübner. | |
Seit Anfang des Jahres laufen Verhandlungen zwischen Hochschulleitungen und | |
Senat. Diese sollen noch bis Juli andauern. Bei einem Fachgespräch der | |
Linken Ende Mai kritisieren die Redner:innen die Lage als | |
„undurchschaubar“ und „verheerend“. Der wissenschaftspolitische Sprecher | |
der Linksfraktion, Tobias Schulze, spricht von „Zuständen, wie wir sie uns | |
in der Geschichte der Berliner Wissenschaft nicht einmal in den schlimmsten | |
Sparzeiten unter Thilo Sarrazin vorstellen konnten“. | |
Verständnis für die Kürzungen hat Schulze vor dem Hintergrund teurer | |
Prestige-Projekte wie der Umzäunung des Görlitzer Parks, der | |
Olympiabewerbung und der Eröffnung einer 24-Stunden-Bibliothek nicht. | |
„Während der Senat die Substanz dieser Stadt kaputt macht, leistet er sich | |
solche Dinge“, kritisiert Schulze. | |
Die Gleichstellungsbeauftragte der Alice Salomon Hochschule (ASH), Nina | |
Lawrenz, kritisiert die soziale Ungleichheit hinter den Kürzungen. Das | |
Streichen von Programmen wie Kinderbetreuung, Unterstützung für Geflüchtete | |
oder Erstakademiker:innen etwa treffe „die Studierenden, die ohnehin | |
schon in marginalisierten Positionen sind“. Dadurch sei die Einhaltung von | |
Quoten, wie sie in den Hochschulverträgen vorgesehen sind, gefährdet – | |
wodurch die Hochschulen wieder „cis-männlicher“, „weißer“ und bürger… | |
würden. | |
## SDS macht mobil | |
Gegen die einseitige Kündigung der Hochschulverträge haben sich mehrere | |
Hochschulen zusammengeschlossen, um eine Klage gegen den Senat zu prüfen – | |
allen voran TU und Freie Universität (FU). Die Humboldt-Universität (HU) | |
ist bisher nicht dabei. [2][TU-Präsidentin Geraldine Rauch] begründet das | |
„zögerliche Durchgreifen“ mit dem „massiven Druck auf die | |
Hochschulleitungen“ seitens des Senats. „Die Hochschulen werden in ihrer | |
Autonomie geschwächt – aber niemand will es sich dauerhaft mit der eigenen | |
Landesregierung verscherzen“, sagt sie. | |
Um den Druck auf die Hochschulleitungen zu erhöhen und sie zur Klage zu | |
bewegen, sind das Bündnis Studis gegen Rechts und der | |
Sozialistisch-demokratische Studierendenverband (SDS) der Linkspartei am | |
Mittwochvormittag vor die Präsidien von HU und FU gezogen. Schon in den | |
Wochen zuvor hatte das Bündnis mit Infoständen und Flyeraktionen auf die | |
Situation an den Hochschulen aufmerksam gemacht. | |
In den Gesprächen zeige sich, dass vielen Studierenden die Situation noch | |
nicht bewusst sei, sagt Mirco Schwer von den Studis gegen Rechts. Das | |
beobachtet auch Gabriel Tiedje vom Asta der TU. Für viele sei die Situation | |
noch „sehr abstrakt“. Die öffentliche Vorlesung am Donnerstag soll ein | |
erster Schritt sein, um das zu ändern. | |
5 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Studenten-Protest-gegen-Sparkurs/!6067912 | |
[2] /TU-Praesidentin-ueber-Berlins-Sparzwang/!6071647 | |
## AUTOREN | |
Johanna Weinz | |
## TAGS | |
Sparpolitik | |
Schwarz-rote Koalition in Berlin | |
Berliner Hochschulen | |
Deutsche Universitäten | |
Technische Universität Berlin | |
Schwarz-rote Koalition in Berlin | |
Hochschulpolitik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
TU-Präsidentin über Berlins Sparzwang: „Wir werden die Klage vorbereiten“ | |
Die Präsidentin der TU Berlin Geraldine Rauch wehrt sich gegen den Sparkurs | |
des Berliner Senats – und hofft auf das Sondervermögen von Union und SPD. | |
Studenten-Protest gegen Sparkurs: Und was bleibt von der Kunst? | |
In Berlin fehlen Lehrkräfte für den Kunstunterricht. Die Universität der | |
Künste soll das Problem lösen, doch gegen die Pläne gibt es Widerstand. | |
Haushaltskrise in Berlin: Unis kürzen Angebot | |
Berlins Hochschulen müssen massiv sparen. Studienplätze drohen wegzufallen, | |
die Humboldt-Universität und die UDK kündigen einen Einstellungsstopp an. |