# taz.de -- Polen startet Grenzkontrollen: Doppelt hält besser | |
> Polen reagiert auf die Kontrollen auf deutscher Seite. Angeblich soll die | |
> Maßnahme nur illegale Schleuser treffen. | |
Bild: Übergangslösung? Polnische Grenzschützer kontrollieren ein Fahrzeug, d… | |
Frankfurt (Oder) taz | Es ist Stau auf der „Autobahn der Freiheit“. Einst | |
eine wichtige Verbindung zwischen Polen und Deutschland nach dem Mauerfall, | |
ist der Autobahnübergang Swiecko am vergangenen Montagmorgen ein Symbol für | |
die neue Abschottungspolitik beider Länder. Mehrere Kilometer lang stehen | |
Lkws in zweier Reihen und warten, dass sie über die Grenze an der A 12 | |
fahren dürfen. Kein ungewöhnliches Bild. [1][Deutsche Bundespolizisten | |
kontrollieren bereits seit Oktober 2023 stichprobenartig an der Grenze zu | |
Polen.] | |
Seit Montag sind sie nicht mehr allein. Wenige Kilometer von den deutschen | |
Beamten entfernt steht nun auch die polnische Militärpolizei und der | |
Grenzschutz und winkt vorbeifahrende Autos raus. Der Unterschied: Viel zu | |
tun gibt es in den Morgenstunden Richtung Polen nicht. Vereinzelt winken | |
die Beamten Fahrzeuge zu sich und kontrollieren Ausweise und schauen in das | |
Wageninnere. Laut polnischem Grenzschutz stehen besonders Busse, | |
Kleinbusse und Autos mit mehreren Insassen im Fokus. Schlagbäume, | |
Absperrungen oder weiße Zelte, Letztere gibt es auf deutscher Seite, will | |
Polen nicht aufstellen. | |
Der Grund dafür, dass nun auch Polen kontrolliert, ist eine Veränderung der | |
deutschen Praxis an den Grenzen von Anfang Mai. Damals schickte die neue | |
Bundesregierung unter Friedrich Merz nicht nur tausende zusätzliche | |
Polizist*innen an die Grenzen. [2][Die Beamt*innen wurden auch | |
erstmals angewiesen, Geflüchtete zurückzuweisen], die um Asyl bitten. Es | |
war der Bruch mit dem Europarecht und dem Dublin-System, nach dem jeder | |
Asylantrag geprüft werden muss, da waren sich viele Rechtsexpert*innnen | |
einig. | |
Dass die Zurückweisungen insgesamt rechtswidrig sind, legt auch ein Urteil | |
des Berliner Verwaltungsgerichts von Anfang Juni nahe, weitere Verfahren | |
sind anhängig. Trotzdem hält die Bundesregierung bis heute an der Praxis | |
fest, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt feiert sie als Erfolg. Dabei | |
verschweigt er allerdings, das die Bilanz mit 330 Zurückweisungen | |
Geflüchteter eher kläglich ausfällt. | |
## Rechte Milizen an den Grenzen | |
Ganz unabhängig davon, um wie viele Fälle es tatsächlich geht: Für die | |
polnische Regierung ist die deutsche Praxis ein Affront. Zumal einer, der | |
die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk unter Druck setzt. Zuletzt | |
begannen rechte Milizen eigenhändig Grenzkontrollen durchzuführen und aus | |
Deutschland Zurückgewiesene zu drangsalieren. Das kann sich Warschau nicht | |
bieten lassen. | |
Welche Folgen die polnischen Grenzkontrollen haben, ist noch unklar. | |
Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos, für SPD) erklärte | |
vergangene Woche, dass mit Verzögerungen im Warenverkehr und | |
Schwierigkeiten für tausende Pendler zu rechnen sei. Auch die Industrie- | |
und Handelskammern in Brandenburg und Sachsen warnten vor negativen Folgen | |
für die Wirtschaft. Zunächst hat Polen die Grenzkontrollen bis zum 5. | |
August angesetzt. Innenminister Tomasz Siemoniak signalisierte die | |
Bereitschaft, auch früher auf Kontrollen zu verzichten, sofern Deutschland | |
seinerseits aufhören würde. „Die Kontrollen richten sich gegen diejenigen, | |
die an der illegalen Schleusung von Migranten über die Grenze beteiligt | |
sind. Normale Reisende haben nichts zu befürchten“, erklärte Innenminister | |
Siemoniak vorab. | |
Etwa 70 Kilometer südlich von Stau auf der Autobahn bei Swiecko ist es die | |
Neiße, die Deutschland und Polen trennt. Aus dem deutschen Städtchen Guben | |
schlängelt sich eine schmale Straße an den Fluss, eine Biegung nach rechts, | |
und man ist auf der Brücke und damit auch schon fast im polnischen Gubin. | |
Auch hier erwarten einen Militärpolizisten, dabei sind aber auch | |
Beamt*innen des polnischen Grenzschutzes. Sie lehnen unter einem | |
Baldachin oder stehen einige Meter weiter an einem großen olivgrünen | |
Container. | |
Der martialische Anblick der Männer in Flecktarn-Uniformen mit ihren roten | |
Bérets steht in seltsamem Widerspruch zur idyllischen Umgebung. Der Verkehr | |
fließt praktisch ungehindert, Familien auf Radtour klappern über die | |
Brücke, und Jugendliche sitzen im Schatten unter einem Baum und essen Eis. | |
Wie blicken die Pol*innen in Gubin auf die Kontrollen? Viele bleiben beim | |
Betreten des Einkaufszentrums stehen, beobachten, wie mehrheitlich | |
Kleinbusse zur Seite gezogen werden. „Wo sind die Männer von der | |
Bürgerwehr?“, wundert sich ein älterer Herr mit Rollkoffer im Vorbeigehen. | |
Auch in dem 16.000 Einwohner*innen-Ort versammelten sich am Wochenende | |
selbsternannte Grenzschützer, die auf der Brücke nach illegalen | |
Migrant*innen Ausschau hielten. Von ihnen trifft man am Montag niemanden | |
mehr. | |
Die angebliche Sorge und Angst vor Geflüchteten, die von rechten Portalen | |
und Medien instrumentalisiert werden, findet man kaum. Auf dem Markt hinter | |
dem Einkaufszentrum will sich kaum jemand zu den Kontrollen äußern. „Es | |
wurde zu einem größeren Problem gemacht, als es eigentlich ist“, erzählt | |
eine Verkäuferin, vor ihr Schalen mit Blaubeeren und Erdbeeren. Die | |
Regierung musste handeln und offizielle Beamte einsetzen, meint sie. Viele | |
seien auf die Propaganda rechter Politiker reingefallen. | |
7 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Anastasia Zejneli | |
Frederik Eikmanns | |
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