# taz.de -- Doku über Terror des iranischen Regimes: Verscharrte Tote | |
> Die Doku „Surviving the Death Committee“ von Nima Sarvestani sorgte am | |
> Berliner HAU für Streit über den aktuellen Konflikt zwischen Israel und | |
> Iran. | |
Bild: Hinter jedem Foto steht ein Einzelschicksal. Ermordete des iranischen Mul… | |
Manche Filme werden zum rechten Zeitpunkt fertig. Auf „Surviving the Death | |
Committee“ des iranisch-schwedischen Dokumentarfilmers Nima Sarvestani | |
trifft das in vollem Umfang zu. Erst in diesem Jahr kam der Film heraus, an | |
dem Sarvestani bereits seit 2019 arbeitet und dessen Thema ihn gar schon | |
seit 1982 umtreibt. | |
Denn in jenem Jahr verhafteten und töteten die islamischen | |
Revolutionsgarden des Irans seinen Bruder Rostam. Der gehörte einer | |
studentischen Untergrundorganisation an. Die Eltern der beiden Brüder kamen | |
über den Verlust nie hinweg. Nima Sarvestani zeigt seinen Vater, wie er im | |
Film ein Bild des getöteten Sohns rahmen lässt und gramgebeugt nach Hause | |
geht. | |
Er fordert Gerechtigkeit für den Ermordeten und ist überzeugt, dass nur ein | |
Gericht außerhalb Irans für eben diese Gerechtigkeit sorgen kann. Die | |
Mutter geht noch einen Schritt weiter: „Nur wenn dieses Regime weg ist, | |
kehrt Ruhe ein und hört das Morden auf“, sagt sie. | |
## Understanding Prison | |
„Surviving the Death Committee“ wurde am Mittwoch in einer deutschen | |
Premiere im Berliner Hebbel Theater im Rahmen der Veranstaltungsreihe | |
„Understanding Prison“ gezeigt. Dabei wurde auch deutlich, dass sich der | |
Wunsch von Sarvestanis Mutter für viele gegenwärtig perfekt zu erfüllen | |
scheint. „Ich war glücklich, und mit mir viele andere, als wir erfuhren, | |
dass viele Führer des Regimes durch die israelischen Bomben umgekommen | |
sind“, sagte Sarvestani. | |
Der Filmemacher betonte: „Es kümmert mich nicht, wer dafür verantwortlich | |
ist. Wichtig ist nur, dass sie tot sind.“ Sarvestani gestand aber auch | |
„gemischte Gefühle“ angesichts der vielen zivilen Opfer angesichts der | |
israelischen Angriffe ein. Aus dem Publikum kam derweil scharfer Protest. | |
„Ich wuchs selbst auf einem Friedhof voller Ermordeter auf. Im Bild Ihrer | |
Mutter erkenne ich meine Großmutter wieder. | |
Und auch wir wollen, dass das Regime hinweggefegt wird“, wandte sich ein | |
Exil-Iraner an den Filmemacher: „Aber es widert mich an, dass in dieser | |
Diskussion die Bombenangriffe gerechtfertigt werden und so getan wird, als | |
ob alle darüber glücklich seien.“ Er plädierte für einen Unterschied | |
zwischen dem Ruf nach Rache und dem nach Gerechtigkeit. | |
## Emotionale Debatte der iranischen Exilgemeinde | |
In der sehr emotional geführten Diskussion drohte eine Zeitlang die große | |
Leistung des Films unterzugehen. Sie besteht darin, nicht nur Einzelfälle | |
der massiven Repression im Iran vorgestellt zu haben. Zahlreiche Angehörige | |
von Getöteten und Verschwundenen werden interviewt. Eine Mutter etwa wird | |
gezeigt, wie sie inmitten von Massengräbern auf einem Friedhof in Teheran | |
das Grab eines ihrer Söhne aufsucht. | |
Sie weiß genau, dass ihr Sohn dort liegt. Denn unmittelbar nachdem er dort | |
verscharrt wurde, tauchte sie nach dem Hinweis eines Bewachers mit einer | |
kleinen Schaufel am Friedhof auf und grub so lange, bis sie auf die | |
Überreste ihres Sohnes stieß. | |
Über die Dokumentation der Taten und der Opfer hinaus, lockte Sarvestani | |
gemeinsam mit Überlebenden des iranischen Gefängnissystems auch [1][einen | |
der berüchtigsten Folterer des Regimes] in eine Falle. Sie nutzten einen | |
Familienstreit, um Hamid Nouryi, eine Schlüsselfigur bei den | |
Massenhinrichtungen im Jahr 1988, nach Schweden zu locken. Auf dem | |
Stockholmer Flughafen nahm ihn die Polizei fest. | |
## Spektakulärer Fahndungserfolg | |
Er wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt. Sarvestanis Kamera war | |
stets dabei: im Prozess, bei den Zeugenaussagen, auch zuvor bei den | |
Absprachen über die Falle. Auch den traurigen Epilog hielt sie fest. Denn | |
nur wenige Monate nach der Urteilsverkündung wurde der zu lebenslanger Haft | |
verurteilte Mörder und Mordorganisator gegen schwedische Staatsbürger in | |
iranischer Haft ausgetauscht. Es war ein spektakulärer Erfolg von Irans | |
sogenannter Geiseldiplomatie – der Festnahme ausländischer Staatsbürger | |
oder derer mit doppelter Staatsbürgerschaft, um sie als Faustpfand bei | |
Verhandlungen einzusetzen. | |
Sarvestani zeigte sich auf Nachfrage „enttäuscht von der schwedischen | |
Politik, nicht aber von der schwedischen Justiz, die arbeitete sehr | |
konsequent“. Seine Doku, bei der während ihrer Realisierung die Verhaftung | |
und Verurteilung von Nouri in die Wege geleitet wurde, zeigt aber auf, | |
[2][wie Verbrechen im Iran aufgeklärt und gesühnt werden können]: Derzeit | |
noch außerhalb des Landes, hoffentlich bald nach den Normen des | |
Völkerrechts, aber in einer sich befreit habenden iranischen Gesellschaft. | |
Sarvestani zeigte sich überzeugt, dass dies in naher Zukunft geschehen | |
werde. Das war der versöhnliche Abschluss eines Abends, der auch die Gräben | |
innerhalb der exiliranischen Gesellschaft offenbarte. | |
19 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Filmfestival-Cannes/!6087286 | |
[2] /Regisseurin-Maryam-Moghaddam/!6077647 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Iran | |
Folter | |
Prozess | |
Dokumentarfilm | |
Iran-Israel-Krieg | |
Social-Auswahl | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Filmemacher | |
Iran-Israel-Krieg | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spielfilm „Yurt“: Identitätssuche in gegensätzlichen Welten | |
Mit seinem Debüt „Yurt“ wagt sich der Filmemacher Nehir Tuna an die | |
Geschichte der eigenen Jugend zwischen säkularer Schule und islamistischem | |
Wohnheim. | |
Analyse zum Krieg zwischen Iran & Israel: Drehbuch mit offenem Ende | |
Wie realistisch sind die Ziele von Netanjahus Regierung? Und welche | |
Möglichkeiten bleiben dem Mullah-Regime? Szenarien, wie es weitergehen | |
könnte. | |
Eskalation in Nahost: Israel muss Irans Volk schonen | |
Bisher hat Israel im Kampf gegen seine Feinde wenig Rücksicht aufs | |
humanitäre Völkerrecht gezeigt. Im Iran wäre das ein strategischer Fehler. | |
Jafar Panahi beim Filmfestival Cannes: Poesie im Knast | |
Cannes Cannes 9: Der iranische Regisseur Jafar Panahi zeigt seinen ersten | |
Film seit seiner Freilassung. Mario Martone porträtiert eine schreibende | |
Diebin. |