# taz.de -- Kriegstüchtigkeit oder Wehrhaft: Der romantische Kamerad aus der U… | |
> Müssen wir „kriegstüchtig“ werden? Warum nicht „wehrhaft“? Das frag… | |
> unser Autor gerade, als er einem Bundeswehr-Soldaten begegnet… | |
Bild: Bald wieder Turnschuhe statt schwerer Stiefel | |
In meinem Job ist man ständig auf der Suche nach Geschichten. Manchmal | |
findet man sie nicht, wenn man sie sucht. Manchmal liegen sie einfach auf | |
der Straße. Oder sie setzen sich in der U-Bahn neben einen. Wie kürzlich, | |
als die letzte Redaktionskonferenz in meinem Kopf fortdauerte, obwohl ich | |
schon auf dem Nachhauseweg war. | |
„Muss Deutschland kriegstüchtig werden? Was heißt kriegstüchtig? Warum | |
nicht wehrhaft?“, schwirrte mir noch durch den Kopf. | |
„Könnte der Krieg bald nach Deutschland kommen? Was passiert dann? Ist | |
Deutschland darauf vorbereitet?“, lauteten die Folgeerwägungen. | |
Dann setzte sich ein junger Mann in Uniform neben mich. Ich hatte einen | |
Verdacht, der Nachname auf seinem Namensschild gab mir Gewissheit: ein | |
junger Soldat mit sogenanntem Migrationshintergrund, sogar mit einem | |
türkischen! | |
## Auf Antwortsuche | |
Der Feierabend war gelaufen und das Fragefeuerwerk in meinem Kopf ging | |
jetzt erst richtig los: „Spiegelt die Bundeswehr die Vielfalt der | |
Gesellschaft wider? Ist eine vielfältige Bundeswehr eine demokratischere? | |
Und weil wir von Verteidigung sprechen, was verteidigen wir denn | |
überhaupt?“ | |
Ich musste ihn also ansprechen. Ich gab mich als Schreibtischtäter zu | |
erkennen, der nicht abschalten kann, und von Beruf aus authentische | |
Antworten auf weltbewegende Fragen sucht. | |
Der Soldat schaute erst irritiert, zögerte kurz, schmunzelte dann über | |
unsere biografische Gemeinsamkeit, die ich beiläufig mit einer | |
eingestreuten türkischen Vokabel angedeutet hatte, entschied sich | |
schließlich, mit mir zu sprechen, unterstrich aber, dass er auf keinen Fall | |
mit Namen zitiert werden wolle, streckte mir die Hand entgegen und verriet | |
mir seinen Vornamen. Ich begleitete ihn zum Bahnhof, er war auf dem Weg zur | |
Kaserne, und fragte los, denn wer weiß, ob der scheue Soldat nicht doch | |
noch wegrennt. | |
Warum er zur Bundeswehr gegangen ist, fragte ich ihn, und erwartete eine | |
idealistische, mindestens engagierte Antwort. Weil er nach der Schule nicht | |
so recht gewusst habe, was er machen soll, antwortete der Soldat. | |
## Doch noch eine Geschichte? | |
Ob die Menschen seit Beginn [1][des russischen Angriffskriegs] anders auf | |
ihn reagieren, wenn er in Uniform unterwegs ist, fragte ich ihn. Nein, wie | |
immer, meistens sei er ihnen egal, antwortete der Soldat. | |
Ob er den Eindruck habe, dass der Krieg eine geistige Zeitenwende in der | |
Gesellschaft angestoßen habe, fragte ich ihn. Das könnte schon sein, aber | |
unabhängig davon sollten die Leute sich doch bitte ein bisschen besser | |
informieren über die Weltlage, antwortete der Soldat. | |
Angekommen an seinem Gleis, hatte ich schon aufgegeben. Der Soldat erzählte | |
mir aber völlig unerwartet, dass er die Bundeswehr bald verlassen werde. | |
Ha! Also war da doch noch eine Geschichte! Weil er sich also doch nicht mit | |
der Bundeswehr identifizieren konnte? Oder weil er Rassismus erlebt hatte? | |
Sogar Rechtsextremismus? | |
Nein, der Job sei einfach nicht familienfreundlich und er sei halt ein | |
romantischer Mensch, er vermisse seine Frau immer so sehr, antwortete der | |
Soldat. Ich gab dem romantischen Soldaten einen Handschlag, wünschte ihm | |
alles Gute – und ging endlich in den wohlverdienten Feierabend. | |
1 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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