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# taz.de -- Rettung für Alpenneulinge: Kindliche Neugier und die Drei-Punkt-Re…
> Unser Autor reflektiert bei einer Wanderung in den Alpen über
> Naturerlebnis, Zugehörigkeit, kindliche Begeisterung und elitäre
> Arroganz.
Bild: Tourismus auf der Zugspitze: Man sollte den Berg ernst nehmen
„Schau doch mal, wie blau der Himmel und wie schön die Berge sind!“, ruft
das kleine Mädchen am Tisch nebenan der Mutter zu. Ich bin überrascht, dass
ein Kind so etwas sagt. „Sie hat recht“, sage ich der Mutter trotzdem, weil
sie mich so erwartungsvoll anschaut. „Sie liebt die Berge halt“, erklärt
die Mutter. Wir sitzen auf der Terrasse einer Berghütte und blicken von der
österreichischen Seite aus auf die Zugspitze, den höchsten Berg
Deutschlands. Zwischen dem Bergmassiv und uns liegt ein türkis schimmernder
See. Und jetzt, nach dem euphorischen Hinweis des Mädchens, denke auch ich
beim Anblick des Panoramas: „Wie blau der Himmel und wie schön die Berge
sind!“
Eine andere Begegnung mit drei planlos wirkenden jungen Männern mit viel zu
viel Gepäck und Einkaufstüten, die nur in die Hütte gehen, um Getränke zu
bestellen, und sich dann weit weg von anderen an einen Tisch setzen,
erinnert mich an ein Erlebnis aus dem vergangenen Jahr:
Immer wenn ich meinen Geburtsort auf der Schwäbischen Alb besuche, spaziere
ich zu einem Aussichtspunkt, den ich seit meiner Kindheit kenne. Bei meinem
letzten Besuch erklärte dort eine andere Mutter ihren Kindern, dass man vom
Aussichtsturm aus die Schweizer Alpen sähe. Als ich den Turm daraufhin an
diesem Tag also ein zweites Mal hinaufging, sah ich auf einmal, was ich
viele Jahre nicht gesehen hatte: Da, ganz in der Ferne, aber klar zu
erkennen: die Schweizer Alpen.
Wie exklusiv der Kreis der Bergwanderer sich versteht, merke ich, als der
Vater des naturliebenden Mädchens mit einem reichhaltigen Frühstück und
einer aufregenden Geschichte zum Nebentisch zurückkommt.
Er habe in der Hütte gerade erfahren, dass die Bergwacht am Abend eine Frau
retten musste, weil sie es nicht rechtzeitig vor dem Gewitter zur Hütte
geschafft habe. Dass das doch ein Wahnsinn sei, dass manche Menschen auf
den Berg gingen, obwohl sie keine Ahnung hätten, Menschen, die entweder
ihre Kräfte überschätzten oder den Berg unterschätzten. Und dann seien
diese Menschen auch noch so frech, die Bergwacht um Hilfe zu bitten. Die
anderen am Elterntisch, die aussehen, als hätten sie einen
[1][Outdoor-Laden leergekauft], nicken engagiert, verdrehen die Augen,
lachen.
Mein Freund, mit dem ich auf dieser Wandertour bin und der in den
österreichischen Alpen aufgewachsen ist, kann die Aufregung bei unserem
Aufstieg ein Stück weit verstehen. Tatsächlich sei die Zahl der tödlichen
Unfälle in den Bergen zuletzt gestiegen. Bergfotos auf Instagram zögen
viele leichtsinnige Menschen an. Darüber diskutieren wir, wenn es
zwischendurch einmal nicht so steil ist und wir die Luft dazu haben.
Als wir irgendwann schweißgebadet und glücklich auf den See
hinunterblicken, der jetzt so klein ist wie ein Wassertropfen, einigen wir
uns darauf, dass Arroganz das Problem nicht lösen wird. Als es an einer
Stelle etwas abschüssiger wird, erklärt mir mein Freund die
Drei-Punkt-Regel: Immer mit drei Gliedmaßen am Berg fixieren. Man muss
nicht als Naturliebhaber geboren sein. Man kann sich den Berg auch als
Erwachsener aneignen. Ich bin froh, dass ich jemanden dabeihabe, der mir
zeigt, wie.
5 Aug 2025
## LINKS
[1] /Kriegstuechtigkeit-oder-Wehrhaft/!6094699
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
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