# taz.de -- Antimilitaristisches Aktionsnetzwerk: Der nächste Veteranentag kom… | |
> Wer sind die jungen Menschen, die mit Adbusting-Aktionen gegen den | |
> Veteranentag protestiert haben? Und was hat es mit Sozialer Verteidigung | |
> auf sich? | |
Bild: Adbuster haben Wall-Werbeplakate ausgewechselt und sie mit mit bundeswehr… | |
Zu viert stehen sie um die Tischtennisplatte, vor ihnen klemmt ein | |
Schraubstock, darin eingespannt ist ein kleines Metallröhrchen. „Meistens | |
reicht so ein normaler Sechskant aus dem Baumarkt“, erklärt ein Mann Mitte | |
30 mit langen Haaren, Jeans und Hoodie. | |
An einem Samstag im Mai stehen er und die drei anderen vom | |
Antimilitaristischen Aktionsnetzwerk (AA) im Hinterhof eines linken | |
Jugendzentrums im Nordosten Berlins. Mit der Flex wird ein kleiner Schlitz | |
ins Profil gesägt, fertig ist der Schlüssel. | |
Mit diesem Schlüssel will die Gruppe, die zur Deutschen | |
Friedensgesellschaft (DGF) gehört, jetzt die Stadt und [1][die | |
Deutungshoheit zurückerobern], wie sie sagt. Oder – für wen es eine Nummer | |
kleiner sein soll – die Werbevitrinen deutscher Städte aufschließen, um die | |
Plakate darin – „anzupassen“. | |
Ad-Busting nennt man das. Außenwerbung wird dabei künstlerisch verfremdet, | |
meist versehen mit einer neuen politischen Botschaft. Solange die Plakate | |
nicht entwendet und die Werbevitrinen nicht beschädigt werden, ist das | |
nicht strafbar. | |
Dem Aktionsnetzwerk der DGF geht es um einen ganz bestimmten Tag: den 15. | |
Juni. | |
## Militarismus pur | |
Ebenjenen 15. Juni hatte der Bundestag letztes Jahr mit den Stimmen von | |
Ampel und Union zum jährlichen [2][nationalen Veteranentag] erklärt. Der | |
Dienst aktiver und ehemaliger Soldat:innen in der Bundeswehr soll so | |
gewürdigt werden, hieß es. Der Entschluss hat eine breite Debatte | |
losgetreten. | |
Ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung nennen es die einen und einen | |
Schutz gegen die Vereinnahmung der Bundeswehr vonseiten der Rechten. Eine | |
Werbung für [3][„Kriegstüchtigkeit“] schreiben die anderen und warnen vor | |
Militarismus pur. | |
Bei Antimilitaristischen Aktionsnetzwerk findet man den Veteranentag | |
erwartbarerweise schlecht. „Es gibt sehr viele Menschen, denen man einen | |
Tag widmen könnte“, meint auch Mira, die eigentlich anders heißt. Die | |
meisten treten wie Mira nur mit Pseudonym auf, auch wenn Ad-Busting nicht | |
per se illegal ist, fürchten sie identfizierbar zu sein. „Pfleger:innen zum | |
Beispiel könnte man einen Tag widmen. Aber die Bundeswehr mit ihren | |
rechtsextremen Skandalen braucht keinen Ehrentag“. | |
Ihre Kritik an der Bundeswehr will die antimilitarischen Jugendgruppe also | |
kreativ ausüben. „Es hat auch dieses Street-Art-mäßige“, sagt Max. | |
## Diagnose: Nazi-Prepper-Tag“ | |
Anstatt dass Modelkörper für Discounter Mode und Handyverträge werben, | |
sollen ihre Plakate andere Themen besprechen: „Diagnose: Nazi-Prepper-Tag“ | |
oder „Veteranentag? Bundeswehr? Finde ich scheiße!“ konnte man bereits in | |
Werbevitrinen irgendwo in Deutschland sehen. | |
Zentraler Teil der Ad-Busting-Kampagne zum Veteranentag wird dann die | |
Aktion am 15. Juni gewesen sein. Aus „Nationaler Veteranentag“ will die AA | |
„Nazi-naher Veteranentag“ machen. | |
Aus ganz Deutschland, aus Hamburg, Leverkusen, Jena, Stuttgart sind dafür | |
rund zwei Dutzend junge Friedensbewegte zwischen 20 und 30 Jahren an diesem | |
Wochenende nach Berlin angereist. Sie treffen sich zum Skillsharen, also | |
dem Teilen von Fähigkeiten. Dabei geht es zum einen darum, den Protest | |
gegen den 15. Juni ganz praktisch zu organisieren – der Sechskant etwa oder | |
die rechtliche Vorbereitung auf das AdBusting – aber auch darum, sich | |
auszutauschen und neu aufzustellen in der aktivistischen | |
antimilitaristischen Antikriegsbewegung. | |
Denn mit dem, was die Aktivist:innen vertreten, stehen sie gegen den | |
Zeitgeist. In Jahren des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, des | |
Gaza-Krieges und allgemeiner geopolitischer Aufrüstung wollen | |
antimilitaristische Argumente [4][gut durchdacht] sein. | |
## Abgrenzung und Differenzierung | |
Auch gegenüber den eigenen Reihen, zur eigenen Mutterorganisation der | |
Deutschen Friedensgesellschaft und den Vereinigten KriegsdienstgegnerInnen, | |
braucht es mitunter Abgrenzung. In den letzten Jahren fielen diese | |
Organisationen nämlich vor allem [5][mit ihrer Russlandfreundlichkeit] auf. | |
Damit will die friedensbewegte Jugendorganisation nichts zu tun haben. | |
Doch wie kann eine progressive, antimilitaristische Position heute | |
aussehen? Eine eindeutige Haltung hat das AA nicht. Während manche von | |
ihnen jede Form von Krieg und Gewalt ablehnen, sind andere offener für eine | |
verantwortungsethische Verteidigung. | |
Für Max geht es darum, der Gesellschaft Alternativen zu Waffen aufzuzeigen. | |
Im Vorfeld von kriegerischen Handlungen also bereits dafür zu sorgen, dass | |
diese gar nicht entstehen. | |
„Wir verurteilen aber eine*n ukrainischen Soldaten*in nicht dafür, dass | |
er oder sie sich dafür entschieden hat zu kämpfen“, sagt er. Doch | |
gleichzeitig sollten auch die zwangseingezogenen Soldaten auf der anderen | |
Seite gesehen werden und insbesondere russische Kriegsdienstverweigerer | |
gestärkt werden, in dem ihnen beispielsweise Asyl gewährt wird. | |
## Soziale Verteidigung | |
Mit Blick auf den Veteranentag steht für die AA fest, die Normalisierung | |
des deutschen Militärs darf nicht vorangetrieben werden. „Gerade | |
Deutschland mit seiner Geschichte sollte einen Anfang machen mit der | |
Entmilitarisierung“, meint Mira. | |
Während dort rechtsextremistische Menschen aktiv seien, möchte sie diese | |
Leute nicht unterstützen und nicht ehren, sagt sie. Anstatt in eine Armee | |
zu investieren sollte lieber in den Klimaschutz oder das Gesundheitswesen | |
investiert werden. „Denn was will ein Putin mit einem überfluteten | |
Ahrtal?“, fragt Max. | |
Er nennt auch ein Konzept, das bereits seit den 1970ern zirkuliert und | |
derzeit wieder vermehrt aufkommt: die Soziale Verteidigung. Bei der | |
sozialen Verteidigung geht es nicht um die Verteidigung von Territorium | |
durch Waffen, sondern vielmehr darum, die Strukturen der Zivilgesellschaft | |
durch Streiks, Verweigerung, bewusstes Missverstehen oder Sabotage vor | |
Gewalt zu schützen. | |
Das Konzept orientiert sich an den Grundlagen des zivilen Ungehorsams und | |
Strategien des gewaltfreien Widerstands. „Das heißt Betriebe und | |
Organisationen leisten Widerstand, die Post, das Krankenhaus, die | |
Verwaltung“, erklärt Max. Man würde beispielsweise keine Wohnung an | |
Besatzer vermieten oder sie im Krankenhaus behandeln, sie aus den | |
zivilgesellschaftlichen Strukturen ausschließen also. | |
## Waffe an den Kopf | |
In der Stadt Cherson in der Ukraine habe das sehr gut funktioniert, sagt | |
Max. Bei der ersten Besatzung durch das russische Militär Anfang 2022 wurde | |
die Stadt innerhalb weniger Tage eingenommen. „Die Leute dort haben aber | |
Demonstrationen abgehalten und Lieder gesungen und ukrainische Fahnen | |
geschwenkt, die russischen Soldaten waren davon ganz überrascht“. | |
Im Gegensatz zu der östlicheren Stadt Mariupol, die monatelang umkämpft | |
war, hätte es vergleichsweise sehr wenig Tote gegeben. Für Max ein Beweis | |
für den Erfolg der sozialen Verteidigung. | |
Und was, wenn militarisierte Angreifer eine Waffe an den Kopf halten, weil | |
ihnen die Wohnung nicht vermietet wird? Oder, wenn sie, wie jetzt in der | |
Ukraine, mit Drohnen und Raketen die zivilgesellschaftlichen Strukturen | |
attackieren? | |
Auf diese Fragen blickt Max etwas ratlos: „Ja, das ist schwierig“, meint | |
er. Auch wenn er darauf keine Antwort hat, fest steht für die | |
Friedensbewegten: Die Bundeswehr und deren Zelebrierung ist keine Option. | |
16 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Veteranentag-in-Berlin/!6091226 | |
[2] https://www.veteranentag.gov.de/ | |
[3] /Militaerhistoriker-ueber-Kriegstuechtigkeit/!6087358 | |
[4] /Die-Deutschen-und-der-Krieg/!6059911 | |
[5] /Ostermarsch-2025/!6079296 | |
## AUTOREN | |
Amelie Sittenauer | |
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