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# taz.de -- Verfahren wegen Adbusting eingestellt: 900 Euro Auflage für 25 Eur…
> Weil ein Student durch die Verfremdung von Werbeplakaten auf Rassismus in
> der Polizei aufmerksam machte, landete er vor Gericht. Der Sachschaden
> ist minimal.
Bild: Soli-Aktion vorm Amtsgericht Tiergarten in Berlin, 25. 08. 2025
Berlin taz | Hätte S. ein Werbeplakat eines Supermarktes oder einer
Modemarke beschmiert, säße der Student wohl nicht auf der Anklagebank. Er
suchte sich Anfang Juli 2024 für sein sogenanntes „Adbusting“ aber
ausgerechnet zwei Plakate der Berliner Polizei aus. Am Montag, dem 25.
August, gestand er im Amtsgericht Tiergarten seine Tat – er blieb
straffrei, muss nun jedoch eine Geldauflage wegen Sachbeschädigung zahlen.
Im 1. Juli 2024 hatte S. mit einer unbekannten Person Adbusting betrieben,
indem er das Erscheinungsbild zweier großer Werbeplakate der Polizei an den
Gleisen der Berliner S-Bahnhöfe Ostbahnhof und Alexanderplatz irreversibel
veränderte.
Ursprünglich darauf abgebildet waren eine Frau in Polizeiuniform und
Headset, darunter ein Slogan, der um Neuzugänge bei der Polizei warb. Der
Angeklagte und die zweite Person übersprühten den Werbespruch mit Farbe,
fügten einen QR-Code hinzu, [1][der zur Seite „Deutsche Pozilei“ führt].
Dazu die Gedankenblasen: „Eigentlich sind wir bloß staatlich bezahlte
Gewalttäter*innen“, grübelte die Polizistin am Ostbahnhof, „Ich bin diesen
Rassist*innenladen leid!“ die am Alex. Darunter weiterhin gut
sichtbar: Das Logo der Berliner Polizei.
„Dazu möchte ich folgendes sagen“, sagt S. und erhebt sich. Er trägt einen
schwarzen Pulli, auf dem „Sea Watch’s Friend“ steht, und ebenso schwarze
Doc Martens. „Bei der akribischen Arbeit der Polizei […] entsteht der
Eindruck, dass vor allem unliebsame Äußerungen gegen die Polizei verfolgt
werden.“ Dann spricht er über die rechtsextremen NSU-Morde, für die die
Polizei zunächst Migrant:innen verdächtigt hatte. Über den von einem
Polizisten in Oldenburg erschossenen Lorenz A. und darüber, wie die Polizei
hier in Berlin Obdachlose vertreibe und sinnlose Gewalt gegen
Protestierende etwa bei Pro-Palästinensischen Demos anwende.
Für S. ist klar: Er habe die Polizei durch das Adbusting besser
dargestellt, als sie tatsächlich ist, nämlich selbstkritisch. Und das sei
keine Beleidigung. „Vertrauen in die Polizei entsteht nur durch
Kritikoffenheit, Machtkontrolle und Respekt gegenüber allen Menschen […].“
## Ein politisches Verfahren
Der Gerichtsaal applaudiert. Auf den Zuhörer_innenbänken sitzen etwa 20
Menschen, die den Prozess aus Solidarität begleiten, immer wieder gibt es
Störungen, Personalien werden aufgenommen. Zuvor hatten sie vorm
Gerichtsgebäude mit Transparenten und Donuts um Aufmerksamkeit geworben und
eine Fotogalerie [2][vergangener Adbusting-Kampagnen] mit einer Leine über
den Fußgängerweg gespannt.
S. habe mit seiner Aktion „inhaltlich einen guten Punkt gemacht“, sagt ein
Sprecher der Gruppe zur taz. Das Problem seien nicht die Schmierereien,
sondern die rassistischen Strukturen in der Polizei, findet er. Während der
Aktion ist ein rechter Streamer anwesend, filmt die aufgehängten Bilder und
die Demonstrierenden, die ihre Gesichter hinter einem Banner verstecken:
„110 Prozent Rassismus. 0 % Kritikfähigkeit.“
„Es ist ein politisches Verfahren“, sagt Jonas Ganz, der Verteidiger des
Angeklagten. Der Sachschaden, den S. mit seiner Aktion verursacht hatte,
belaufe sich auf wenige Euro und liege damit unter der Bagatellgrenze –
solche Verfahren würden normalerweise aus Trivialität eingestellt. Die
Aktion von S. habe aber einen Nerv getroffen.
Dem Sachwert entsprechend reuevoll hört sich dann das Geständnis an, das
Ganz für S. vorliest: „Mein Mandant bedauert, einen Sachschaden von 25 Euro
verursacht zu haben“, sagt er. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren
gegen eine Auflage von 900 Euro ein. Die ursprüngliche Summe von 50
Tagessätzen zu je 30 Euro (1.500 Euro), die sie verlangt hatte, als sie im
März einen Strafbefehl erließ, milderte das Gericht aufgrund S.’
Studentenstatus um 600 Euro.
Das lag auch an einem Fehler der Staatsanwaltschaft: Dass S. zweifelsfrei
Urheber der Adbusting-Aktion war, sollten die Überwachungsvideos der
Bahnhöfe beweisen. Jenes vom Alexanderplatz konnte die Staatsanwaltschaft
jedoch nicht vorlegen. Dazu meldete sich eine von drei Zeuginnen krank. Zu
einem Urteil hätte es an diesem Tag also ohnehin nicht kommen können. Und
den Prozess auf einen zusätzlichen Verhandlungstag erweitern wollte wohl
auch die Staatsanwaltschaft nicht.
26 Aug 2025
## LINKS
[1] https://deutschepozilei.wordpress.com/
[2] /Antimilitaristisches-Aktionsnetzwerk/!6094137
## AUTOREN
Valérie Catil
Moritz Tübbecke
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Adbusting
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