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# taz.de -- Razzia nach Neonazi-Outing in Görlitz: Türen aufgebrochen? Ja. Du…
> Wegen Plakaten durchsuchte die Polizei ein Hausprojekt in Görlitz. Doch
> die nötigen richterlichen Anordnungen fehlten teils, berichten
> Bewohner:innen.
Bild: Während der Razzia in der „Hospi30“ in Görlitz
Leipzig taz | Es ist kurz nach 6 Uhr morgens, als Dutzende
Polizist:innen am Dienstag vergangener Woche das selbstverwaltete
Hausprojekt „Hospi30“ in Görlitz betreten. Sie suchen Flyer, internetfähi…
Geräte oder Hinweise auf „die sogenannte Antifa“. Die Bewohner:innen
werfen der sächsischen Polizei nun vor, sie habe Räume rechtswidrig
durchsucht. Außerdem sei der Einsatz unverhältnismäßig gewesen.
Hintergrund der Razzia in der östlichsten Stadt Deutschlands sind laut
eines Durchsuchungsbeschlusses, den die taz einsehen konnte, „mindestens 15
Plakate“, die im Mai in Görlitz auftauchten. Auf diesen wird vor einem
lokalen Neonazi gewarnt. Er sei „als gewaltbereit und gefährlich
einzuschätzen“, habe [1][sich im Dezember am Angriff auf eine Gruppe Linker
beteiligt]. Auf dem Plakat sind seine Adresse und ein Foto von ihm zu
sehen.
Das Ziel des bei Antifa-Gruppen gebräuchlichen [2][„Neonazi-Outings“]: Alle
sollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Die Staatsanwaltschaft Görlitz
wertet die Plakate hingegen als „gefährdende Verbreitung personenbezogener
Daten“, die die Person der Gefahr aussetze, „Opfer von
Körperverletzungsdelikten“ zu werden. Zwei Bewohner:innen der „Hospi30“
beschuldigt die Staatsanwaltschaft, beteiligt zu sein und hat beim
Görlitzer Amtsgericht Durchsuchungsbeschlüsse gegen sie erwirkt. Drei
weitere Beschlüsse setzte die Polizei zeitgleich in anderen Immobilien
durch.
Was genau während der Razzia in der „Hospi30“ passierte, davon gibt es
unterschiedliche Versionen. Eine stammt von der Bewohnerin der ersten
Wohnung, die die Polizei an diesem Morgen betrat. Ihren echten Namen möchte
sie im Zusammenhang mit der Razzia nicht veröffentlichen. Als die
Beamt:innen ihre Wohnungstür aufbrachen, habe sie noch geschlafen,
erzählt die Frau. „Polizei! Polizei! Polizei!“, schallte es durch ihre
Wohnung, kurz darauf umringten bewaffnete Polizist:innen ihr Bett. „So
[3][aufzuwachen ist echt ein krasser Schock]“, sagt sie.
## Polizei mit Links-Rechts-Schwäche
Auf Nachfrage hätten die Polizist:innen ihr erklärt, einen Beschluss
gegen die Person zu haben, die in der Wohnung lebe. Wo der Herr denn sei?
Sie habe erwidert: „Hier wohne nur ich allein.“ Daraufhin hätten die
Polizist:innen erst mal herumgedruckst. „Es hat echt ein paar Minuten
gebraucht, bis sie eingesehen haben, dass sie in der falschen Wohnung
sind.“
Wie das passieren konnte? Für die Bewohnerin unklar. „An meiner Wohnungstür
steht nur mein Name. Auch beim Amt ist die Wohnung exakt mit Lage
angegeben. Es hätte keine Verwechslung geben dürfen.“ Später habe sie
gehört, wie Polizist:innen darüber sprachen, dass es auf die
Perspektive ankomme, welche Wohnung links oder rechts liege.
Ansonsten seien die Beamten aber eher wortkarg gewesen. Warum die Polizei
im Haus Wohnungen durchsuchte, habe die Bewohnerin zuerst durch
Medienberichte erfahren. „Als ich den ersten Artikel gelesen habe, hatte
ich die Polizei schon mehrfach gefragt, warum sie im Haus sind. Aber uns
hat die Polizei nichts gesagt, der Presse schon.“
Eine andere Version dieser ersten Razziaminuten erzählt die
Staatsanwaltschaft: Für jede aufgebrochene Wohnung habe es einen
Durchsuchungsbeschluss gegeben. Es sei das „übliche Vorgehen“, den
betreffenden Personen diesen vorzulegen. Im geschilderten Fall sei das
nicht nötig gewesen, so die Staatsanwaltschaft, „da die Bewohnerin vorerst
kein Ziel der Maßnahme war“.
Aber wenn die Polizei einen Beschluss hatte, weshalb legte sie den nicht
vor? Und falls sie keinen hatte, weshalb war sie dann in der Wohnung? Auf
Nachfrage der taz heißt es: Das könne derzeit nicht beantwortet werden,
noch lägen nicht alle Verfahrensunterlagen vor. „Wir versuchen,
aufzuklären, wie der Einsatz genau vonstattenging.“ Die Polizeiinspektion
Görlitz, die den Einsatz geleitet hat, äußerte sich nicht auf taz-Anfrage.
## Verein reicht Klage ein
Im Verlauf der Razzia kam es zu weiteren Ungereimtheiten. Dabei hätte die
Polizei in der WG eines Beschuldigten das private Zimmer seines
Mitbewohners durchsucht, ohne einen Durchsuchungsbeschluss vorzulegen. Dazu
erklärt die Staatsanwaltschaft, sie habe vor der Razzia 26 weitere
Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die sich gegen Unbeschuldigte richten. Ob
ein solcher vorgelegt worden sei, könne die Staatsanwaltschaft nicht
beantworten.
Zum Schluss ging es dann um die Räume des Vereins [4][Hausundhof im
Hinterhof der „Hospi30“]. Der Verein verwaltet das Haus, betreibt unter
anderem eine Mediathek und einen Umsonstladen. Die Räume habe die Polizei
ebenfalls durchsucht, ohne dem anwesenden Vereinsvorstand einen
entsprechenden Beschluss vorzulegen oder zu erwähnen. Stattdessen sei
gesagt worden, es bestehe eine Verbindung zu den Beschuldigten und außerdem
sei „Gefahr im Verzug“. Welche Gefahr, das bleibt bislang unklar, die
Staatsanwaltschaft äußert sich nicht dazu.
In den Räumen hätten die Ermittler drei Computer konfisziert, ohne das zu
protokollieren. Die Staatsanwaltschaft widerspricht dieser Darstellung.
Der Verein wehrt sich nun juristisch und hat einen Anwalt engagiert. Er
halte die Durchsuchung der Vereinsräume nicht nur für unverhältnismäßig,
sondern für rechtswidrig, sagt Anwalt Björn Eberling zur taz. „Wir möchten,
dass das Amtsgericht das feststellt.“ Die konfiszierten Computer sollten
von den Behörden so schnell wie möglich zurückgegeben werden. Allerdings,
räumt Elberling ein, könne es ein paar Wochen dauern, bis das Gericht
darüber entscheidet – juristischer Alltag.
Rund 150 Görlitzer:innen sehen die Durchsuchung in der „Hospi30“
ähnlich kritisch und kamen am Freitag zu einer Solidemo. Anmelderin war
Samara Schrenk, Pflegekraft, Mitglied des Linken-Kreisvostands in Görlitz
und eine der beiden Politikerinnen, die vergangenen Dezember von Neonazis
ins Krankenhaus geprügelt wurden. Mit der Demo sei die 21-Jährige
zufrieden. Aber sie glaube, bei den Durchsuchungen sei es nicht nur darum
gegangen, Beweise zu finden. Es sei „ein Einschüchterungsversuch gegen
alle, die sich in Görlitz gegen Neonazis“ einsetzen. Die Razzia wegen der
Plakate hält Schrenk für unverhältnismäßig.
26 Jun 2025
## LINKS
[1] /Rechte-Gewalt-in-Goerlitz/!6052280
[2] /Antifa-Mitglied-ueber-Outing-von-Rechten/!5055031
[3] /Doku-ueber-fragwuerdige-Polizeieinsaetze/!6032251
[4] https://hospi30.blackblogs.org/ueber-uns/
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
Razzia
Hausdurchsuchung
Polizei Sachsen
Antifaschismus
Schwerpunkt Demos gegen rechts
Opferschutz
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus
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