# taz.de -- Antifa-Demo in Berlin: Antifa schaut nach den Rechten | |
> Zwischen Plattenbau und Polizeischutz beweisen Aktivist:innen am | |
> Freitag im Berliner Bezirk Marzahn: Der Osten gehört nicht den Rechten – | |
> sondern denen, die Haltung zeigen. | |
Bild: Auch in der Platte sind Nazis unerwünscht | |
Berlin taz | Verlässt man das Berliner Zentrum, verlässt man auch die Orte, | |
an denen die Menschen, die gegen Rechts sind, die Progressiven und die | |
Antifaschist:innen zahlenmäßig in der Mehrheit sind. Das zumindest | |
könnte man meinen, wenn man sich etwa die Wahlergebnisse der letzten | |
Bundestagswahl ansieht. Genau deswegen hat die Gruppe „Jugend Antifa Platte | |
Marzahn-Hellersdorf“ an diesem Freitag zum dritten Mal zu einer Demo | |
aufgerufen. Unter dem Motto „Nach den Rechten schauen“ wollen sie nach | |
eigenen Angaben zeigen, dass der Osten Berlins nicht den rechten | |
Jugendgruppen, den Neonazis und der AfD gehört und sie sich für eine | |
[1][antifaschistische, feministische und queere Jugendkultur] in dem Bezirk | |
einsetzen wollen. | |
Es ist voller als die letzten Male. Etwa 150 Menschen haben sich an diesem | |
verregneten Freitag vor dem S-Bahnhof Marzahn versammelt. In schwarzen | |
Regenjacken, Kapuzen auf und Maske vor Mund und Nase lauschen sie einem | |
Redebeitrag von Fridays for Future. Auf dem Frontbanner der Demo steht | |
„Nazis aus der Platte jagen“. | |
Während sich der Bahnhofsvorplatz füllt, kann man Zeug:in skurriler Szenen | |
werden. Drei Aktivist:innen stehen abseits und geben unter anderem | |
FFP2-Masken an die anderen Aktivisti aus. Sie verdecken dabei ihre | |
Gesichter mit Regenschirmen, denn eine Frau versucht, sie in aggressiver | |
Weise zu filmen, wohl um ihre Identität offenzulegen. Es gelingt ihr nicht. | |
Ein weiterer, ebenfalls zunächst penetranter Filmer unterbricht sein | |
Streaming der Demoteilnehmer:innen, um augenscheinlich einen ihm | |
Gleichgesinnten zu interviewen. Dieser trägt einen Hoodie mit | |
Deutschlandfahne, auf dem „Ich liebe Deutschland“ steht. Als die Demo | |
losläuft und unter anderem „Von der Platte für die Platte – ANTIFA!“ ru… | |
nähert er sich immer wieder dem Demoblock und versucht ebenfalls Gesichter | |
zu filmen. Er wird ab da von zehn Polizeibeamt:innen betreut und von | |
der Demo abgeschirmt. | |
Die Nachricht, wo an welcher Straßenecke Gruppen stehen, von denen man nur | |
vermuten kann, dass es rechte Demogegner:innen sind, verbreitet sich | |
im Block jedes Mal wie ein Lauffeuer. Die Aktivist:innen scheinen | |
wachsam zu sein. Denn wozu Neurechte bereit sind, zeigte sich immerhin im | |
Rahmen der letzten „Nach den Rechten schauen“-Demo. Kurz vor deren Beginn | |
griffen etwa 15 bis 20 Neonazis eine Gruppe Antifaschist:innen an, die | |
sich am Ostkreuz versammelt hatten, um gemeinsam und damit geschützter nach | |
Marzahn-Hellersdorf anzureisen. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt, | |
zwei Betroffene wurden danach im Krankenhaus behandelt. Die | |
Organisator:innen teilten nach dem Angriff mit, dass die | |
Täter:innen vermutlich der rechten Partei „Der dritte Weg“ sowie dessen | |
Jugendorganisation angehörten. | |
Es zeigt sich immer häufiger: Wer im linkeren Kern der Stadt lebt, lebt | |
oftmals auch sicherer. | |
Das Berliner Register – eine Initiative, die Meldungen rechter und | |
diskriminierender Gewalt entgegennimmt und dokumentiert – registrierte für | |
das Jahr 2023 allein 531 „extrem rechte oder diskriminierende Vorfälle“ in | |
Marzahn-Hellersdorf. Das sind 45 Prozent mehr registrierte Fälle als im | |
Jahr davor. Wenn man bedenkt, dass nicht alle Vorfälle, die geschehen, auch | |
gemeldet werden, könnte die Dunkelziffer durchaus noch höher ausfallen. Der | |
Bezirk liegt damit weit über dem Berliner Durchschnitt, der bei rund 386 | |
Vorfällen liegt. | |
„Schiss ham se, schön vermummt alle.“ Sagt eine Passantin als die | |
diesjährige Demo auf der Allee der Kosmonauten an ihr vorbeizieht. Sie ist | |
nicht die einzige, die das Motto der Demonstrant:innen wohl nicht | |
teilt. Vereinzelte Pöbler:innen, teils mit Bierflasche in der Hand, | |
rufen immer wieder Sprüche wie „Haut ab“. | |
Eva A. Kommt aus Marzahn. Sie ist bei der Zwischenkundgebung zur Demo | |
dazugestoßen. „Ich wohne gleich da drüben.“ Sie zeigt auf den Plattenbau | |
gegenüber. „Es ist toll, dass die Demo hier ist.“ Auch dass viele Menschen | |
aus dem Berliner Zentrum heute nach Marzahn gekommen sind, findet sie | |
super. Doch: „Es müssten eigentlich noch viel mehr sein!“ | |
Paul M. ist eigentlich nur zu Besuch in Berlin. Der Schweizer habe sich | |
heute spontan der Demo angeschlossen, weil er sich solidarisieren möchte. | |
„Klar, ich bin auch zuhause links organisiert“, aber wie anders das | |
politische Klima in den Berliner Ostbezirken im Vergleich zu anderen | |
Stadtteilen sei, sei ihm erst heute klar geworden. | |
Immerhin. Ein wirklicher rechter Gegenprotest blieb aus. Die zwei, drei | |
Gruppen von Gegner:innen, die aus sicherer Entfernung die Demo | |
beobachteten, und vereinzelte Pöbler, manchmal mit und manchmal ohne | |
Bierflasche in der Hand, kann man wohl noch nicht als solchen bezeichnen. | |
12 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /SS-Lieder-und-Rechtsrock/!6077963 | |
## AUTOREN | |
Annika Reiß | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
Berlin Marzahn-Hellersdorf | |
Berlin | |
Schwerpunkt Antifa | |
GNS | |
Schwerpunkt AfD | |
Maja T. | |
Razzia | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
AfD legt sich mit Burschenschaftern an: Holt das Popcorn raus! | |
Burschenschafter sind sauer, weil Niedersachsens AfD einen der ihren nicht | |
einstellen will. Die Haltung der AfD ist erfreulich, aber unglaubwürdig. | |
Vater von Maja T.: Zu Fuß bis ins Auswärtige Amt | |
Wolfram Jarosch kämpft um sein Kind: Nun ist der Vater von Maja T. nach | |
Berlin gelaufen und hat dort eine Petition übergeben. | |
Razzia nach Neonazi-Outing in Görlitz: Türen aufgebrochen? Ja. Durchsuchungsb… | |
Wegen Plakaten durchsuchte die Polizei ein Hausprojekt in Görlitz. Doch die | |
nötigen richterlichen Anordnungen fehlten teils, berichten Bewohner:innen. |