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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Zerren am Alltag
> „Pioneers of Black British Cinema“ zeigt Highlights des Schwarzen
> Britischen Kinos, darunter Horace Ovés „Pressure“ und Kurzfilme von Ngozi
> Onwurah.
Bild: Szene aus Horace Ovés „Pressure“ (UK, 1976)
Für Tony beginnt die Identitätsfrage beim Frühstück: Während er ein
klassisch britisches Frühstück aus Eiern und gebratenem Schinken vertilgt,
mopst sein großer Bruder eine Avocado aus dem Laden des Vaters. Während er
sie am Küchentisch schält, zieht er Tony mit seinem an weiße Brit_innen
assimilierten Vorlieben auf – von seinen Essensvorlieben bis zum
Gary-Glitter-Poster hinter ihm an der Wand. Tony ist als einziger der
Familie nicht in Trinidad geboren, sondern in Großbritannien. Doch weder
seine Assimilation noch sein Geburtsort helfen ihm im Alltag und bei der
Jobsuche nach dem Schulabschluss. Horace Ovés Film „Pressure“ war der erste
Langfilm eines Schwarzen Regisseurs in Großbritannien.
Der Film ist Teil der fünfteiligen Reihe [1][„Pioneers of Black British
Cinema“], die Henning Koch zusammengestellt hat. Die Reihe läuft im Rahmen
der Veranstaltungsreihe Arsenal on Location im [2][City Kino Wedding].
„Pressure“ zeigt einen Jugendlichen zwischen dem Black-Panther-Aktivismus
seines Bruders, dem Konservativismus seiner Eltern und dem Rassismus der
weißen britischen Gesellschaft. Produziert wurde der Film mit Geld des
British Film Institutes. Was dazu führte, dass der Film nach seiner
Premiere in Großbritannien zunächst unsichtbar gemacht wurde. Das BFI hatte
ihn aus dem Verkehr gezogen.
Für die Gründe finden sich unterschiedliche Angaben: Teils wird auf die
explizite Darstellung von Polizeigewalt in „Pressure“ verwiesen, teils auf
den zeitlichen Kontext. Im Sommer 1976 war es im Londoner Stadtteil Notting
Hill zu Ausschreitungen zwischen Schwarzen Jugendlichen und Polizisten
gekommen.
Anders als die Geschichte des Schwarzen Kinos in den USA ist das
Großbritanniens in Deutschland bis heute eher unbekannt. Doch als in den
Jahren direkt vor dem Amtsantritt Margaret Thatchers als Premierministerin
eine Dekade konservativer Herrschaft in Großbritannien begann, entstand
Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre eine Reihe von Spielfilmen, die
dem Schwarzen Kino Großbritanniens neuen Schwung verliehen: Horace Ovés
„Pressure“ (1976), Norman Beatons „Black Joy“ (1977), „Babylon“ von…
Rosso (1980) und 1981 Menelik Shabazz’ „Burning an Illusion“.
Der Film von Menelik Shabazz folgt dem Leben seiner Protagonistin Pat
Williams, die sich nur zögernd auf eine Beziehung mit dem jungen Del
einlässt. Nach kurzen Momenten des Glücks beginnt die gesellschaftliche
Realität an dem Paar zu zerren. In einem Essay zum Film formuliert die
britisch-nigerianische Drehbuchautorin Ade Solanke das Neue an „Burning an
Illusion“: „Das Radikalste an ‚Burning an Illusion‘ ist, dass er von
Schwarzen Menschen handelt, die nicht radikal sind.“
Die größte Wiederentdeckung sind die Kurzfilme der britisch-nigerianischen
Filmemacherin Ngozi Onwurah, die am Samstag im Rahmen eines
Kurzfilmprogramms laufen. Die vier Filme des Programms spannen den Bogen
von Onwurahs Abschlussfilm am Saint Martins College of Art and Design,
„Coffee Colored Children“ (1988), bis zu dem politischen Kurzkrimi „White
Men Are Cracking Up“ von 1994. Als letzterer fertiggestellt wurde,
arbeitete Onwurah schon an ihrem Langfilm „Welcome to the Terrordome“, der
leider nicht Teil des Programms ist.
Onwurahs filmisches Werk beginnt mit Rückgriffen auf ihre eigene
Autobiografie. Die Filme machen Rassismuserfahrungen und die vielfältigen
Formen der Fetischisierung Schwarzer Körper sichtbar. Während Onwurahs
frühe Filme vage die magischen Bilder von Filmemacherinnen wie Julie Dash
anklingen lassen, evoziert die Mischung aus Genreversatzstücken und
Offkommentar in „White Men Are Cracking Up“ das Kino Cheryl Dunyes, einer
der großen Regisseurinnen des US-Kinos der 1990er Jahre.
In der Kürze von fünf fantastisch guten Programmen macht „Pioneers of Black
British Cinema“ Lust auf eine hoffentlich bald folgende Möglichkeit,
Schwarzes Kino aus Großbritannien in all seiner Vielschichtigkeit in einer
größeren Reihe zu entdecken.
25 Jun 2025
## LINKS
[1] https://www.arsenal-berlin.de/en/cinema/film-series/city-kino-wedding-pione…
[2] https://citykinowedding.de/pioneers-of-black-british-cinema/
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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