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# taz.de -- Demos für queere Sichtbarkeit: Die Pride-Paraden brauchen uns – …
> Um sicher zu sein, müssen CSDs sich verlassen können – auf Unterstützung
> aus der Zivilgesellschaft, Sicherheitskonzepte und Rückhalt aus der
> Politik.
Bild: Support your local Pride: Tausende feiern in Marzahn queere Sichtbarkeit …
BERLIN taz Die aufgeheizte Stimmung rund um den Marzahn Pride hat nur
teilweise mit der Mittagshitze am Samstag zu tun. Sorge macht im Vorfeld
auch, dass sich außerdem ein Neonazi-Aufmarsch angemeldet hatte, der sich
explizit gegen den CSD richtet. Die mehr als 1.000 LGTBIQ+-Personen und
ihre Verbündeten ziehen also nicht nur für queere Sichtbarkeit über die
Allee der Kosmonauten – sondern auch gegen die reale Bedrohung durch
Rechtsextreme. Dass die Pride ohne große Zwischenfälle abläuft, verdankt
sie am Ende einem Dreiklang aus zivilgesellschaftlicher Solidarität,
polizeilicher Sicherung und politischem Rückhalt.
Schon die Ansprache zum Auftakt der Parade zeigt: Die Marzahn Pride
versteht sich als politische Veranstaltung. „Die Teilnahme ist mehr als nur
ein Akt der Solidarität, sie ist eine Notwendigkeit“, sagt
Quarteera-Aktivist:in und Mitorganisatori:in Galina Terekhova.
[1][Der Verein Quarteera richtet die Pride aus, er setzt sich für die
Sichtbarmachung der queeren, russischsprachigen Minderheit im Bezirk ein].
Viele Mitglieder des Vereins sind aus Ländern geflohen, in denen sie als
queere Personen keine Rechte hatten.
Der Christopher Street Day findet zum sechsten Mal im Marzahn statt. Und in
diesem Jahr baut sich mit dem Neonazi-Aufmarsch ein Bedrohungs-Szenario
auf. Dahinter [2][steht die Jugendgruppierung „Deutsche Jugend Voran“
(DJV)]. Schon im vergangenen Jahr hatte sich die DJV an
Anti-CSD-Störaktionen beteiligt. Dazu kommt noch der gewaltsame Angriff von
Rechtsextremen auf ein Vielfalt-Fest im brandenburgischen Bad Freienwalde
am vergangenen Wochenende. Damit wuchsen die Bedenken hinsichtlich der
Sicherheit von CSD-Veranstaltungen.
Zusammenstöße mit Neonazis konnten am Samstag in Marzahn indes abgewendet
werden. Auch war der Neonazi-Aufmarsch deutlich kleiner als angekündigt:
Nach Polizeiangaben nahmen rund 50 Personen daran teil. Der Anmelder hatte
im Vorfeld von bis zu 300 Personen gesprochen. Am selben Tag feierten auch
das [3][brandenburgische Eberswalde und Wittenberg in Sachsen-Anhalt CSDs]
– gegen die Rechtsextreme ebenfalls mobilisiert hatten.
## Sicherheitskonzept und Antifa-Präsenz
Anders als in Bad Freienwalde ist die Polizei bei der Marzahn Pride
deutlich präsent: Mit einem Großaufgebot von mehreren hundert
Einsatzkräften und in enger Absprache mit den Organisator:innen von
Quarteera e.V. begleitet sie die Parade. Die Polizei sicherte dabei nicht
nur die Demoroute und das Straßenfest, sondern auch den S-Bahnhof
Springpfuhl, über den viele der Besucher:innen anreisten.
Dass die Marzahn Pride ohne größere Zwischenfälle verlief, hat wohl auch
mit der räumlichen Auseinanderzerrung der Pride-Demoroute und des
Nazi-Aufmarsches zu tun. Dies hatte Quarteera eingefordert. Auch am
Victor-Klemperer-Platz, an dem die Parade offiziell mit einem Straßenfest
endet, blieb es weitgehend ruhig.
Doch nicht nur das Sicherheitskonzept bewährt sich, auch die
Teilnehmer:innen tragen zum Gelingen bei: Antifa-Aktivist:innen etwa
schirmten Sebastian Schmidtke, den stellvertretenden Vorsitzenden der
Kleinstpartei Die Heimat (ehemals NPD), mit Regenschirmen und Bannern ab.
Er lief abseits des Demozuges mit und streamte die Veranstaltung mit seinem
Handy.
Mindestens zwei weitere Personen taten es Schmidtke gleich und bedrängten
dabei die Aktivist:innen. Dabei kam es Handgreiflichkeiten auf beiden
Seiten, die Polizei intervenierte. „Da ist das Spannungsverhältnis zwischen
der Pressefreiheit einerseits und dem Schutz und den Rechten der
Teilnehmenden“, sagt SPD-Bundestagsabgeordnete Annika Klose der taz, die
als parlamentarische Beobachterin die Pride begleitete.
## Breite Solidarität auch auf CSD in Eberswalde
Dass die gewalttätigen Attacken in Bad Freienwalde nicht zuletzt linkes und
queeres Mobilisierungspotenzial freigesetzt hat, zeigte sich am
Samstagnachmittag auch beim CSD in Eberswalde. Mindestens 2.000 Menschen
zogen bei der erst zweiten Pride der Stadt im Norden Berlins vom
Hauptbahnhof einmal quer durchs Zentrum. Zahlreiche Demonstrant:innen
waren dabei trotz des parallel dazu stattfindenden Marzahn Pride aus Berlin
angereist, darunter auch Ex-Kultursenator Klaus Lederer, inzwischen
queerpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.
Auf dem Marktplatz veranstaltete AfD zeitgleich ein sogenanntes Sommerfest.
Eine trostlose Zusammenkunft von kaum mehr als 50 Leuten. Als der CSD unter
der Parole „Ganz Eberswalde hasst die AfD“ – durch Polizeigitter von der
Veranstaltung getrennt – am Marktplatz vorbeizog, präsentierte gerade ein
Liedermacher seine musikalischen Zumutungen. Viel zu hören war davon dann
nicht mehr.
Vereinzelt sammelten sich an einigen Ecken der Strecke zwar deutlich
erkennbare Teenie-Nazis mit verschränkten Armen. Anders als vorab
befürchtet, blieben Angriffe auf den Zug aber aus. Der CSD durch die
weitgehend leeren Straßen von Eberswalde wurde indes auch von einem großen
Polizeiaufgebot begleitet. „Der Zug ist laut, aber er ist friedlich“,
erklärte ein Sprecher der Brandenburger Polizei.
Wichtig für Marzahn ist auch die politische Rückendeckung. Berlins
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) findet vergangen Woche deutlich
Worte gegen den Neonazi-Aufmarsch. Jeder Angriff auf Queere und andere
marginalisierte Gruppen sei ein „direkter Angriff auf unsere Gesellschaft,
auf unsere Werte und auf unsere Demokratie“, sagte Kiziltepe vor dem CSD.
## Alltag und Bedrohung in Marzahn
Doch gehören queerfeindliche Bedrohungen für die meisten auch hier in
Berlin zum Alltag – und das nicht erst seit die AfD in Marzahn-Hellersdorf
bei der Bundestagswahl Anfang des Jahres zur stärksten Kraft gewählt wurde.
„In Berlin zu Leben ist ein Privileg. Aber die Stimmung gegen uns ist
aggressiver geworden“, sagt ein Quarteera-Mitglied. Sie ist aus Russland
geflohen und lebt in Marzahn mit ihrer Freundin.
Das politische Selbstverständnis der Pride teilen auch die
Teilnehmer:innen. „Früher waren CSDs noch ein großes Fest ohne viel
Polizei. Heute geht es darum, Farbe zu bekennen“, sagt etwa Anette, die
selbst heterosexuell ist und zum ersten Mal in Marzahn mitläuft. Ein
anderer Teilnehmer spricht von einem „Rückschritt grundlegender
Menschenrechte, der einfach nur Angst macht“ und der ihn als Transmann
direkt betreffe.
Auf dem CSD-Fest am Victor-Klemperer-Platz betont auch Berlins
Queerbeauftragter Alfonso Pantisano die notwendige Verteidigung von
sexueller Vielfalt und appelliert zugleich an die Geschlossenheit
migrantischer und queerer Gruppen: „Wir müssen füreinander da sein. Trans
für BIPoCs und BIPocs für Trans“. Doch und gerade auch der Schutz von
Minderheitenrechte sei Aufgabe der Politik, so Pantisano.
Solange queeres Leben Bedrohungen ausgesetzt ist, brauchen auch künftige
CSDs den Schutz von Zivilgesellschaft, Polizei und Politik. Und gerade aus
der Politik, da könnten sich gern noch mehr und auch gewichtigere Stimmen
zu Wort melden.
Mitarbeit: Rainer Rutz
22 Jun 2025
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## AUTOREN
Nina Schieben
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