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# taz.de -- Freilichtmuseum zeigt „Ley-Bude“: Tiny Houses für das Reich
> Die „Ley-Bude“ wurde in den 40ern als Behelfsheim ausgebombte
> Volksgenoss:innen konzipiert. Ein Exemplar steht nun im
> Freilichtmuseum am Kiekeberg.
Bild: Denkanstoß für heutige Krisen? Die „Ley-Bude“ im Freilichtmuseum am…
Rosengarten-Ehestorf taz | Den Anstoß gab die Nissenhütte: Eine dieser
halbrund-röhrenförmigen Wellblech-Behausungen, [1][1916 vom kanadischen
Offizier Peter Norman Nissen erfunden], steht seit den Nullerjahren auf dem
Gelände des Freilichtmuseums am Kiekeberg bei Hamburg. „Dann muss mein
kleines Häuschen doch auch hierher“, habe er sich gedacht, hat bei der
Eröffnung vor einigen Wochen Peter Rathmann erzählt. Der ehemalige
Speditionskaufmann hat dem Museum ein kleines Holzhaus mit schrägem
Pultdach, 20 Quadratmeter Wohnfläche, ohne Strom und Sanitäranschlüsse
gespendet.
Das Museums-Team ist stolz, weil es damit [2][eine „Ley-Bude“ im
Original-Zustand] präsentieren kann: Von einem „unglaublich wichtigen
Gebäude“ spricht Museumsdirektor Stefan Zimmermann. Das Thema treffe den
Nerv der Zeit – Menschen, die kurzfristig Notunterkünfte beziehen müssen,
gibt es auch heute nicht wenige, sei’s wegen Kriegs oder Klimawandels. Oder
diese Tiny Houses, und [3][wo man die so alles einsetzen könnte].
Seinen Namen verdankt die Bude einem Groß-Nazi, Robert Ley, ab 1933
Organisator der Deutschen Arbeitsfront, der sich in Nürnberg kurz vorm
Urteilsspruch selbst aus dem Leben beförderte. Dass es die billig und
schnell zu errichtende Unterkunft geben musste, erzählt etwas über die
Kriegsrealität. Lindern sollte das Behelfsheim [4][nach „Reichseinheitstyp
001“] des 1943 gegründeten Deutschen Wohnungshilfswerks die Not
ausgebombter Volksgenoss:innen, und das in Zeiten, da Baustoffe und
Arbeitskräfte für zivile Zwecke rar waren.
Zwei Räume, ein Ofen als Heizung und Kochstelle, zum Kühlen verderblicher
Nahrungsmittel sollte ein Erdloch mit darüberliegender Klappe im
Holzfußboden dienen. Gedacht waren die kaum komfortabel zu nennenden Buden
für bis zu sechs Menschen, mancherorts werden sie bis heute bewohnt.
## Ergänzung zur Dauerausstellung
300 oder 400.000? Wie viele, zum Schluss für Vertriebene, bis in die
Nachkriegszeit hinein tatsächlich irgendwo aufgestellt wurden, darüber gibt
es keine gesicherten Erkenntnisse: Das Wissen über die Errichtung war
irgendwann viral gegangen, die Einhaltung der vorgesehenen Abmessungen und
Materialien kontrollierte niemand; überhaupt wurde mitnichten so
konzertiert geplant und ausgeführt und über die Standards gewacht, wie es
das Regime gern von sich behauptete.
„Die Bauten mussten nicht genehmigt werden, es gab keine Bauakten, keinen
Eintrag in die Grundbücher“, [5][sagte 2021 die Historikerin Zofia Durda]
dem Hamburger Abendblatt. Da hatte der Plan, das Objekt ins Museum zu
bringen, gerade Gestalt angenommen. Rathmanns Spenden-Bude setzte sich am
Ende durch gegen eine andere angebotene, die immer wieder umgebaut worden
war.
Es werde da eine konzeptionelle Lücke geschlossen, sagte Museumsdirektor
Zimmermann. So beherbergt die Bude die neue Dauerausstellung, „Harburg
unterm Hakenkreuz. Ein Landkreis von 1933 bis 1945“, eine überfällige
Ergänzung zu all der Aufmerksamkeit, die das museumseigene [6][Projekt
„Königsberger Straße]“ dem Leiden und Leben deutscher Vertriebener widmet.
Beschert so eine Hinwendung zur NS-Zeit dem Museum künftig [7][jene Art
„alternativer“ geschichtspolitischer Stunts], wie man sie vermehrt aus
KZ-Gedenkstätten hört? Das also gut vorbereitete Besucher:innen sich
mit sogenannt eigener Forschung gegen das aussprechen, was die Museen
präsentieren? Eine Stimme, wonach die museale Aufbereitung der Ley-Bude das
Leid der deutschen Bombenopfer zu wenig berücksichtige, erhob sich prompt
schon Ende Mai.
Kaum Anstoß erregen dürften die Bilder von Enver Hirsch und Philipp Meuser,
derzeit im Haupt-Ausstellungsgebäude zu sehen: Die beiden Hamburger
Fotografen zeigen noch bis zum 6. Juli eine Auswahl ihrer [8][Porträts
immer noch genutzter einstiger Behelfsheime] – beziehungsweise solchen, die
vor ein paar Jahren noch existerten. 2020 hatten sie darüber [9][ein
schönes Buch] herausgegeben, das nun auch nochmal nachgedruckt wurde.
22 Jun 2025
## LINKS
[1] /Die-letzten-ihrer-Art-kommen-ins-Museum/!219727
[2] https://www.kiekeberg-museum.de/ihren-besuch-planen/ausstellungen/ley-bude/
[3] /Vom-Ahrtal-ins-Tiny-House/!6015124
[4] https://behelfsheime.wixsite.com/berlin/ursprungstypologie
[5] https://www.abendblatt.de/niedersachsen/landkreis-harburg/article401910105/…
[6] https://www.kiekeberg-museum.de/blick-ins-museum/koenigsberger-strasse/
[7] /Gedenkstaettenleiter-ueber-rechte-Besucher/!5588946
[8] https://behelfsheim.com/
[9] /Fotobuch-und-Ausstellung-Behelfsheim/!5713383
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Wohnen
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