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# taz.de -- 70 Jahre documenta: Es geht heiter weiter – wie auch sonst?
> Die documenta ist seit dem Antisemitismus-Skandal vor drei Jahren schwer
> gebeutelt. Wie kann sie denn jetzt ihr 70-jähriges Jubiläum begehen?
Bild: „7.000 Palmen“ von Cosima von Bonin vor dem Fridericianum in Kassel z…
Wie viel sich schon vor diesem Schriftzug abgespielt hat? Vor den großen
Lettern, die den Namen des Museums „Fridericianum“ über dem Portal des
spätbarocken Baus in Kassel nachzeichnen, über einem der ältesten
Museumsgebäude Europas. Hier ließ Joseph Beuys für die documenta 1982
aufsehenerregend 7.000 Basaltblöcke zu einem archaischen Felsen aufbauen,
jeder Block stand für eine der berühmten 7.000 Eichen, die der
Aktionskünstler in Kassel pflanzen lassen wollte.
Unter dem Blick des goldenen Schriftzugs wurde aber auch im Jahr [1][2022
das große Protestbanner „People’s Justice“ der indonesischen Künstlergr…
Taring Padi entrollt, mit seinen antisemitischen Zeichen], mit der bösen
Fratze eines Zigarre rauchenden Juden mit Schläfenlocken und Raffzähnen.
Das Banner, im Auftrag des Kuratorenkollektivs ruangrupa für die documenta
15 aufgestellt, war Symbol und Anstoß für eine Krise, die die gesamte
Institution der documenta erfasste und darüber hinaus den Kulturbetrieb.
„War diese documenta der Dammbruch für einen neuen Antisemitismus? (…) Ist
auf dieser Weltausstellung mit besonderer Schärfe deutlich geworden, dass
die Kunst unserer Gegenwart sich gerade im Bewusstsein ihrer politischen
Wirkung allen möglichen Mächten der Aufmerksamkeit, der Erregung und des
Einflusses an den Hals wirft?“, fragten kürzlich Heinz Bude, Gründer des
documenta-Instituts, und Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne
Frank in Frankfurt am Main, in ihrem Buch „Kunst im Streit“.
## Beuys lässt grüßen
Doch jetzt, zum 70-jährigen Jubiläum der ersten documenta-Schau 1955, gilt
es, schwere Symbole mit neuen, leichten Bildern zu überblenden: mit den
„7.000 Palmen“ der Kölner Künstlerin Cosima von Bonin. Zigtausend Wimpel …
Palmenform – es sind natürlich viel mehr als 7.000 – werden vorm
Fridericianum und überall in Kassel fröhlich im Wind flattern und wieder
ein bisschen Heiterkeit in die schwer gebeutelte Institution der documenta
bringen.
Eine ironische Heiterkeit. Es wäre nämlich auch ziemlich schön und kühn
gewesen, auf die 7.000 deutschen Eichen von Beuys über vierzig
klimagewandelte Jahre später mit 7.000 echten südländischen Palmen zu
antworten. So als riesige Pflanzaktion.
Doch auch Beuys’ „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ blieb mehr schö…
Ausspruch als wahr geworden im autogerecht nach dem Krieg wiederaufgebauten
Kassel. Cosima von Bonin feiert da lieber kurzweilig den Moment für alle in
der Stadt und für diejenigen, die in dem charakteristischen Grün und Weiß
ihrer Palmen auch die konzeptuelle Malerei Daniel Burens, seine bekannten
Streifen, seine Wimpelketten für die documenta 1982 wiedererkennen.
## Die unschuldige Zeit
Beuys, Buren, 1982 – die Palmenwimpel verweisen auf eine geradezu
unschuldige Zeit der documenta, wenn jetzt an diesem Wochenende mit einem
großen öffentlichen Festakt an die erste Ausgabe von 1955 gedacht wird. Mit
der hatten der Kasseler Künstler und Kulturmann Arnold Bode und der
Kunsthistoriker Werner Haftmann die Tradition einer großen Schau für die
Gegenwartskunst von Weltrang einst etabliert. [2][Haftmann, von dem man
mittlerweile weiß, dass er ein glühender Nazi war].
Wie, wenn nicht auch leichtfüßig, könnte die documenta jetzt weitermachen?
An diesem Samstag werden sie alle noch einmal zusammenkommen: die
künstlerischen Leiter:innen der vergangenen documenta-Ausgaben, Carolyn
Christov-Bakargiev oder Adam Szymczyk, auch die neue Chefkurator:in für
die documenta 2027, Naomi Beckwith. Nur ruangrupa nicht. Alles nur eine
Episode?
7 Jun 2025
## LINKS
[1] /Symposium-zur-documenta-15/!5974450
[2] /Naziverstrickungen-der-fruehen-documenta/!5777263
## AUTOREN
Sophie Jung
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