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# taz.de -- Neue ZDF-Serie „Tschappel“: Lost im Ländle
> Der tollpatschige Carlo muss den Sommer nach dem Abi im Dorf verbringen.
> „Tschappel“ ist ultra-schwäbische, warmherzige und großartig authentisc…
> Comedy.
Bild: Carlo (Jeremias Meyer, M.), BlaBla (Sebastian Jakob Doppelbauer, l.) und …
Carlo Brenner ist das, was man in Österreich einen „Tschappl“, in Bayern
ein „Tschapperl“ und in Schwaben einen „Tschappel“ nennt. Drei Wörter,…
allesamt einen unbeholfenen und tollpatschigen, aber liebenswerten
Zeitgenossen beschreiben – und sich zumindest für ein ans Hochdeutsche
gewöhnte Ohr in ihrem Klang nahezu nicht voneinander abheben mögen.
In ihrer Serie legen die Autoren Marc Philip Ginolas und Marius Beck
allerdings großen Wert auf derlei kleine Unterschiede: In „Tschappel“, der
ultra-schwäbischen Variante einer Coming-of-Age-Erzählung, geht es um den
Alltag auf dem Dorf aus Sicht der jungen Generation, um das Aufwachsen auf
dem Land, und die eben gar nicht mal so unbedeutenden Besonderheiten, die
das mit sich bringt.
Es geht, anders ausgedrückt, „ums Erwachsawerda – mit alle Freid, Plaga ond
dem ganz normale Kuddelmuddel, wie’s halt so isch.“ Wer hier bereits
Verständnisprobleme hat, für den könnte „Tschappel“ tatsächlich zur
Herausforderung werden – gesprochen wird nämlich fast ausnahmslos
[1][Dialekt]. Sich ihr zu stellen, lohnt sich allerdings: Selten
präsentiert sich [2][deutsche Comedy] so authentisch,
warmherzig-verschroben und eigenwillig wie hier.
Besagter Carlo ([3][Jeremias Meyer]), gerade ins Leben entlassener
Abiturient, steht im Zentrum des Geschehens. Was er mit der neuen Freiheit
eigentlich anfangen soll, weiß er nicht so recht. Weil seine Mitschülerin
Pia (Mina-Giselle Rüffer), in die er heimlich verliebt ist, für ein
„Work-and-Travel“-Jahr nach Australien geht, plant er kurzerhand das
Gleiche. Der Plan scheitert allerdings spektakulär.
Denn ausgerechnet auf dem Heimweg von der Abi-Feier gerät Carlo, nicht
alkoholisiert aber abgelenkt von der Präsenz seines Schwarms, mit dem
geliebten Oldtimer seines Vaters ([4][Bernd Gnann]) in einen skurrilen
Wildunfall. Um den Schaden zu begleichen, muss er den Sommer über in der
alteingesessenen Gastwirtschaft seiner Eltern aushelfen.
Seine Freunde Aydin (David Ali Rashed, bekannt aus [5][„Die Discounter“])
und – nomen est omen – BlaBla ([6][Sebastian Jakob Doppelbauer]) sowie
seine junggebliebene Tante Sabine ([7][Nina Gnädig]) sind nicht nur ständig
an seiner Seite, sondern stürzen sich mit ihm gemeinsam in alltägliche
Abenteuer, die meist in großem Chaos münden. Während Carlo sich nach jedem
gescheiterten Versuch, seinem Leben eine Richtung zu geben, immer wieder
selbst hinterfragt, sind es die unaufgeregten Begegnungen mit den
schrullig-sympathischen Dorfbewohnern, die oft die entscheidenden
Einsichten liefern.
## Zwischen Lakonie und Lebensweisheit
Von dieser Prämisse ausgehend, erzählt „Tschappel“ in acht kuriosen
Miniaturen vom immensen Ereignischarakter einer dörflichen Jubiläumsfeier
im sonst so ereignisarmen Landleben, von der sozialen Bedeutung sogenannter
„Bauwagenpartys“, von Jauchegruben, die in der Sommerhitze zu Pools
umfunktioniert werden. Lauter Dinge, mit denen ein in der Stadt
aufgewachsenes Publikum bislang keinerlei Berührungspunkte gehabt haben
dürfte – nicht einmal in Serien. Denn selbst fiktional erzählende Medien
haben den Mikrokosmos „süddeutsches Dorf“ bisher weitgehend unergründet
belassen. Die Autoren Ginolas und Beck – der selbst in Oberschwaben
aufgewachsen ist und offensichtlich sehr genau weiß, wovon er erzählt –
ändern das nun und erwecken die Eigenheiten des schwäbischen Dorfs bis in
die feinsten Details zum Leben.
„Tschappel“ schließt damit eine Lücke und zeigt eine Lebensrealität, die
zwar Zahlreiche betrifft, aber abseits verklärender
Heimatkitschproduktionen kaum je im Fernsehen repräsentiert ist. Der Serie
gelingt dabei nicht nur der Balanceakt, weder zweifelhafte
„Volkskulturromantik“ zu betreiben noch in ein Lächerlichmachen alles
Ländlichen abzugleiten. Sie überzeugt auch mit ihrem treffenden Blick auf
universelle Themen.
Denn „Tschappel“ bleibt bei allem Special-Schwaben-Interest eine klassische
Erzählung über einen Reifungsprozess, die mit scharfem Witz, stiller
Menschlichkeit und besonderem Gespür für das Absurde im Alltäglichen
wohltuend aus dem TV-Einerlei hervorsticht.
24 May 2025
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## AUTOREN
Arabella Wintermayr
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