Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Grundrechtereport 2025: „Jeder weiß, dass das rechtswidrig ist“
> Bürgerrechtsorganisationen präsentieren jährlich einen „alternativen
> Verfassungsschutzbericht“. Diesmal ging es nicht zuletzt um
> Polizeigewalt.
Bild: Solidarität mit Maja T.: Mehrere hundert Menschen demonstrieren am 05. J…
Freiburg taz | „Es geht nicht mehr um einzelne Skandale, vielmehr wird den
Grundrechten der Boden unter den Füßen weggezogen“, kritisierte der Jurist
und Journalist Maximilian Steinbeis bei der jährlichen Vorstellung des
[1][Grundrechtereports] in Berlin.
Der Grundrechtereport versteht sich als „alternativer
Verfassungsschutzbericht“. Seit 1997 veröffentlichen ihn zehn
Bürgerrechtsorganisationen von der Humanistischen Union bis Pro Asyl als
Taschenbuch. Laudator Steinbeis ist Herausgeber des renommierten
„Verfassungsblogs“. Er appellierte insbesondere an die deutschen
Konservativen, sich wieder mehr für „Recht und Ordnung“ zu engagieren. Das
„ständige Gejammer über rechtliche Fesseln und Hürden“ führe dazu, dass…
Recht immer häufiger ignoriert und umgangen werde.
Steinbeis nannte drei Beispiele: die Auslieferung der nonbinären
[2][Antifaschist*in Maja T. nach Ungarn], bevor das
Bundesverfassungsgericht über einen Eilantrag entscheiden konnte; die
[3][Bereitschaft von Kanzler Friedrich Merz] den israelischen
Premierminister Benjamin Netanjahu in Berlin zu empfangen, obwohl gegen
diesen ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt; der
Entzug des Aufenthaltsstatus von vier ausländischen Studierenden, die sich
an propalästinensischen Protesten in Berlin beteiligt hatten.
„Jeder weiß, dass jeder weiß, dass das rechtswidrig ist“, benannte
Steinbeis die Gemeinsamkeit der drei Vorfälle. Wie bei US-Präsident Donald
Trump gehe es auch in Deutschland darum, ganz bewusst das Recht zu
ignorieren. Es werde die Botschaft gesetzt: „Seht her, was wir machen
können weil wir es können.“ Dass der Grundrechtereport dagegen weiter „in
der Sprache des Rechts“ argumentiere, sei klug, so Steinbeis. So könne man
die Konservativen zumindest in Widersprüche verwickeln.
## Viele trauten sich nicht mehr, zu protestieren
Über den juristischen Umgang mit [4][pro-palästinensischen Besetzungen an
Berliner Hochschulen] sprach die Anwältin Jessica Grimm. Die Strafverfahren
wegen Hausfriedensbruchs würden überwiegend eingestellt. Falls es zu
Urteilen komme, gebe es kleinere Geldstrafen oder Freisprüche wegen
Beweisproblemen. „Es fällt auf, dass die Gerichte sich um die Frage
drücken, ob solche Protestaktionen nicht doch von der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit gedeckt sind“, so Anwältin Grimm.
Auch wenn die Strafverfahren bisher eher glimpflich verliefen, so hätten
sie doch einschüchternde Wirkung. „Viele der Protestierenden hatten noch
nie mit Polizei und Justiz zu tun“, so Grimm, „sie befürchten, dass es bei
der nächsten Verurteilung zu einem Eintrag ins Führungszeugnis kommt; und
ausländische Studierende sorgen sich, dass sie bei der nächsten
Verurteilung ausgewiesen werden“. Viele trauten sich daher nicht mehr, zu
protestieren.
Die Medienwissenschaftlerin Sevda Can Arslan engagiert sich in der
[5][„Initiative 2. Mai“], die gegen tödliche Polizeigewalt in Mannheim
protestiert. Anlass war ein Polizeieinsatz im Mai 2022. Ein Arzt hatte die
Polizei gebeten, den 47-jährigen psychisch Kranken Ante P. zurück in die
Klinik zu bringen, er könne sich sonst selbst gefährden.
P. reagierte aggressiv auf die Polizisten, am Ende des Einsatzes war er aus
ungeklärten Gründen tot. Das Landgericht Mannheim verurteilte einen
Polizisten, der P. viermal mit der Faust auf den Kopf geschlagen hatte,
wegen Körperverletzung im Amt. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung
im Oktober 2024 allerdings wieder auf. Der Polizist habe sich zumindest bei
zwei Faustschlägen auf sein Notwehrrecht berufen können.
Arslan wies auch auf die Verantwortung von Journalisten hin. „Wenn die
Polizei selbst betroffen ist, sollte man ihr nicht alles unbesehen glauben,
sondern selbst recherchieren“, forderte die Medienwissenschaftlerin, die
auch zu Polizeigewalt und Journalismus forscht.
Inzwischen müssen Aktivist:innen und Angehörige der Opfer selbst vor
Gericht, weil sie von Polizisten zivilrechtlich verklagt wurden. Sie hatten
die tödlichen Polizeieinsätze als „Mord“ oder „unethisch“ bezeichnet.…
wird versucht, Kritik an der Polizei juristisch zu unterbinden“, so Arslan.
21 May 2025
## LINKS
[1] http://www.grundrechte-report.de/
[2] /Prozess-gegen-Maja-T/!6068242
[3] /Internationales-Strafgericht/!6068599
[4] /Hoersaal-Besetzung-an-der-HU-Berlin/!6082936
[5] https://initiative-2mai.de/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Grundrechtereport
Grundrechte
Maja T.
Israelkritik
Versammlungsfreiheit
Polizei
Polizeigewalt
Social-Auswahl
Schwerpunkt Grundgesetz
Grundrechtereport
Polizei Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Grundrechtereport für 2024: Freiheitscheck im Taschenbuchformat
Der Grundrechtereport versteht sich als Bericht über den Zustand der
Demokratie im Land. Bei der Bilanz 2023 geht es um Zuwanderung – und
Amazon.
Grundrechtereport 2023: Das „Nie wieder“ des Grundgesetzes
Die Ex-Verfassungsrichterin Susanne Baer nennt das Grundgesetz eindeutig
antirassistisch. Erstaunlicherweise sei das kaum wahrgenommen worden.
Verbot von Nakba-Demonstrationen: Palästinenser im Visier
Wiederholt hat die Polizei Versammlungen mit Palästina-Bezug verboten,
Veranstalter klagen nun dagegen. Auch der Grundrechte-Report übt Kritik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.