| # taz.de -- „Alpha“ von Cannes-Gewinnerin Ducournau: Die Krankheit, die ver… | |
| > Cannes Cannes 8: Bei den Filmfestspielen gerät ein ägyptischer | |
| > Schauspielstar in die Fänge des Staatsapparats. Und eine Jugendliche hat | |
| > Angst. | |
| Bild: „Alpha“ von Julia Ducournau mit Mélissa Boros als Alpha | |
| Vielleicht überrascht es nicht allzu sehr, aber der Umstand dass die | |
| Filmfestspiele von Cannes als das bedeutendste Filmfestival überhaupt | |
| gelten, bedeutet nicht, dass dort ausnahmslos Meisterwerke gezeigt werden. | |
| Das wird einem besonders bewusst, wenn ein Tag verstreicht, an dem | |
| eigentlich keiner der gesehenen Filme so richtig überzeugend wirkte. Was | |
| umso mehr gilt für Regisseure, die durch ihr bisheriges Werk dazu | |
| beigetragen haben, dass man viel von ihnen erwartet. | |
| [1][Die Regisseurin Julia Ducournau, die 2021 für ihren zweiten Spielfilm | |
| „Titane“ die Goldene Palme gewann], stellte diesmal im Wettbewerb ihr Drama | |
| „Alpha“ vor. Hauptfigur ist die titelgebende Jugendliche Alpha (Mélissa | |
| Boros), die allein mit ihrer Mutter (Golshifteh Farahani) in Le Havre in | |
| der Normandie lebt. Die Handlung spielt irgendwann in den Achtzigern, was | |
| weniger an historischen Details als an Ausstattungsmerkmalen zu erkennen | |
| ist: Im Film gibt es keine Mobiltelefone. | |
| Als Alpha eines Tages nach einer Party betrunken nach Hause kommt, erwacht | |
| sie mit einer Tätowierung am Arm. Die Mutter, eine Ärztin, ist entsetzt. | |
| Sie fürchtet, ihre Tochter könnte sich durch eine schmutzige Nadel mit „der | |
| Krankheit“ infiziert haben. Befallene husten Staub, ihre Haut versteinert | |
| langsam, bis sie buchstäblich als Statuen enden. | |
| ## Etwas wie dichter Wüstenstaub | |
| Diese etwas gewöhnungsbedürftige, fast harmlose Aids-Metapher verbindet | |
| Ducournau mit einem konkreten Fall von Abhängigkeit. Denn Alphas Onkel Amin | |
| (Tahar Ramin), der eines Tages in der Wohnung auftaucht und sich in Alphas | |
| Zimmer einquartiert, ist Junkie. Alphas Mutter will ihn auf Entzug setzen, | |
| und da bei Alpha selbst noch Testergebnisse ausstehen, darf sie nicht in | |
| die Schule, wo der Rest der Klasse sie als ansteckend meidet. | |
| Julia Ducournau inszeniert diese Geschichte als eine Arte historisches | |
| Science-Fiction-Drama. Die Infizierten erinnern an Zombies, draußen stürmt | |
| es die meiste Zeit heftig, und am Rand der Stadt ist eine Zone, in der so | |
| etwas wie dichter Wüstenstaub weht. Die Bilder haben eine blässlich-kranke | |
| Farbe, bloß in Rückblenden erscheint die Kindheit Alphas bunter, wenn auch | |
| nicht unbedingt freundlicher. | |
| Dass man von dieser Erzählung wenig berührt wird, liegt unter anderem am | |
| unentschlossenen Spiel von Mélissa Boros, deren Alpha vor allem verstört | |
| ist. Ansonsten bleibt sie auf Abstand, selbst wenn die Filmmusik | |
| aufdringlich Drama und Angst heraufzubeschwören versucht. Schmerzlich | |
| einnehmend ist allein Tahar Ramin, der den heroinsüchtigen Amin mit | |
| drahtiger Anspannung gibt. | |
| ## In den Fängen des Regimes | |
| Bemerkenswert spielt auch Fares Fares, der Hauptdarsteller in Tarik Salehs | |
| Thriller „Eagles of the Republic“, in der Rolle des ägyptischen | |
| Schauspielstars George Fahmy. Dessen Karriere wackelt, weil er beim Regime | |
| in Ungnade gefallen ist. Seine Dreharbeiten werden durch die Zensur | |
| torpediert, oder er wird gleich durch andere Schauspieler ersetzt. | |
| Als ihm die Regierung anbietet, die Hauptrolle in einem Film über den | |
| ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fattah al-Sisi zu übernehmen, lehnt er | |
| ab, wird aber erpresst. Fortan gerät er immer mehr in die Fänge des | |
| Regimes, muss teils als Geheimagent dienen. | |
| Ähnlich wie in seinem [2][Film „Die Kairo Verschwörung“], der 2022 | |
| ebenfalls in Cannes im Wettbewerb lief, konzentriert sich Saleh darauf, wie | |
| „normale“ Bürger unfreiwillig zu Handlangern des Regimes werden und daran | |
| allmählich zu zerbrechen drohen. Wie auch damals tut Saleh das in „Eagles | |
| of the Republic“ einigermaßen plakativ, dafür mit einem überzeugenden | |
| Ensemble. Am Ende kommt dennoch ein bisschen viel an Konspiration zusammen. | |
| 20 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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