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# taz.de -- Filmfestspiele in Cannes: Mit Vorhängeschloss um den Hals
> Cannes Cannes 7: Wes Andersons phönizische Machenschaften, zärtliche
> Hommage an Jean-Luc Godard und beeindruckende Biker bei den
> Filmfestspielen.
Bild: Abgezirkelt: Benicio del Toro, Mia Threapleton und Michael Cera in „The…
Das US-amerikanische Kino ist nicht tot. So hatte es [1][Thierry Frémaux,
der künstlerische Leiter der Filmfestspiele von Cannes, vorab gegenüber der
Presse beteuert]. Und die US-amerikanischen Regisseure im Wettbewerb geben
ebenfalls keinen Anlass zur Sorge um den Gesundheitszustand. In der
Mehrheit zumindest.
Sich an der Vergangenheit abarbeiten, ist immer ein guter Ansatz, um sich
auch über die Gegenwart ein klareres Bild zu verschaffen. Selbst da, wo man
sich respektvoll vor alten Meistern verneigt. Der Regisseur Richard
Linklater, der im Frühjahr erst auf der [2][Berlinale den Film „Blue Moon“
im Wettbewerb vorgestellt] hatte, bewirbt sich in Cannes mit dem Tributfilm
„Nouvelle Vague“ für eine Goldene Palme. Darin erzählt er in nostalgischem
Schwarz-Weiß von den Dreharbeiten an Jean-Luc Godards Klassiker „Außer
Atem“ von 1960.
Die Entstehung von Godards Spielfilmdebüt, das mit seinem unorthodoxen
Ansatz und seinen technischen Innovationen zu den einflussreichsten Filmen
überhaupt zählt, schildert Linklater fast bescheiden als eine Komödie um
einen dreisten Egomanen, der mit seiner kompromisslosen Art die Leute vor
den Kopf stößt, vor allem seinen Star Jean Seberg, die immer wieder kurz
davor steht, den Dreh hinzuschmeißen.
„Nouvelle Vague“ ist zudem Linklaters erster auf Französisch gedrehter
Film, lediglich Zoey Deutch in der Rolle der Jean Seberg spricht vorwiegend
Englisch. Der Film erweist den [3][Regisseuren der Nouvelle Vague von Agnès
Varda] bis Robert Bresson seinen Respekt, ohne allzu ehrerbietig zu sein.
Linklater hat kein Problem damit, auch mal über Godard zu lachen. Und dass
Godard ohne übertriebene Gesten von Guillaume Marbeck gespielt wird, der
wie der Rest der französischen Besetzung kaum bekannt ist, trägt
entscheidend zum lockeren Drive des Ganzen bei.
## Die obligatorischen Pastellkulissen des Wes Anderson
Bei Wes Anderson ist so ein Ansatz nicht mehr denkbar. Ohne seine
Starmannschaft und seine Tableaux vivants mit aufwendig gebauten Kulissen
wäre ein neuer Film von ihm kein Wes-Anderson-Film mehr. „The Phoenician
Scheme“ setzt da keine neuen Maßstäbe, setzt dafür aber den Hauptstar
Benicio del Toro als windigen Unternehmer Zsa-Zsa Korda wunderbar in Szene.
Zudem gibt Anderson ihm die Möglichkeit, sein komisches Talent auszuleben.
Die wunderbar trockene Mia Threapleton als Kordas Tochter Liesl und Michael
Cera als ihr Hauslehrer Bjorn Lund mit herrlich aufgesetztem schwedischen
Akzent tun ihr Übriges.
Von der Pandemie-Satire „Eddington“, in der Regisseur Ari Asters mit den
USA von heute abrechnen möchte, aber vor allem Fragen nach dem eigenen
Wohlbefinden aufwirft, muss nicht weiter die Rede sein. Dafür sei noch auf
einen eher ungewöhnlichen Film aus der Reihe „Un Certain Regard“
hingewiesen: Der britische Regisseur Harry Lighton stellte dort sein
Spielfilmdebüt „Pillion“ vor. Der Film zeigt Alexander Skarsgård als Ray,
einen Biker, der mit seiner Motorradkluft den schüchtern-unscheinbaren
Colin (Harry Melling) beeindruckt.
Das sehr ungleiche Paar findet an einem Weihnachtsabend zusammen. Colin
bemerkt erstaunt, dass ihm die dominante Art von Ray gefällt. Fortan
unterwirft er sich bereitwillig. Harry Lighton erzählt dies mit dem
leichten Ton einer britischen Komödie, ohne seine Protagonisten
preiszugeben. Er möchte vermutlich vielmehr einfach ein möglichst großes
Publikum für sein Anliegen. Dabei gelingt es ihm, die fragile Balance
zwischen Rollenspiel und einer nicht von Regeln bestimmten Zärtlichkeit
anzudeuten. Vorhängeschloss um den Hals muss aber sein. Eine schöne
Überraschung, vielleicht nicht für jeden Geschmack.
19 May 2025
## LINKS
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[3] /Nachruf-Filmemacherin-Agnes-Varda/!5581833
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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