# taz.de -- Deutsche Bewerbungen für Olympia: Olympischer Vierkampf | |
> Gleich vier deutsche Bewerber träumen von der Ausrichtung Olympischer | |
> Spiele und Investitionen in Infrastruktur. Vergangenen Niederlagen zum | |
> Trotz. | |
Bild: Eine schrecklich nette Olympia-Familie: NRW-Ministerpräsident Wüst (2. … | |
Die Muskelspiele haben begonnen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder | |
stellte unlängst klar: „Wir finden, die Olympischen Spiele sollten in | |
München sein.“ Möglicherweise hat da Berlins Sportsenatorin Iris Spranger | |
(SPD) einen Pluralis Majestatis herausgehört. Denn sie betonte einige Tage | |
später [1][bei der Vorstellung der Hauptstadtpläne], man strebe keine | |
„One-Man-Show wie im Süden“ an. | |
Zur Rhein-Ruhr-Bewerbung hielt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident | |
Hendrik Wüst in aufreizender Unbescheidenheit fest: „Als Sportland Nr. 1 | |
unterstützen wir eine mögliche deutsche Bewerbung für die Olympischen & | |
Paralympischen Spiele.“ Nur in Hamburg ist man noch nicht so richtig im | |
Wettkampfmodus angekommen. An diesem Samstag präsentieren die Norddeutschen | |
ihre Pläne als Letzte, just am Tag der Abgabefrist. | |
Der olympische Vierkampf ist eröffnet. Die Grobkonzepte der Bewerber | |
München, Rhein-Ruhr, Berlin+ und Hamburg für die Ausrichtung der | |
Olympischen Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 liegen nun dem Deutschen | |
Olympischen Sportbund vor. Wer die Statements der Kandidatenteams dieser | |
Tage verfolgt hat, staunt vermutlich nicht schlecht, [2][wie viele | |
Olympiafreaks in der deutschen Politik unterwegs sind]. | |
Denn politische Gewinne waren zuletzt mit Olympiabewerbungen nicht zu | |
erzielen. Die vorherigen sieben Versuche scheiterten allesamt, in München | |
(Winterspiele 2022) und Hamburg (Sommerspiele 2024) – besonders schmerzhaft | |
– letztlich an Bürgerbefragungen. Resigniert schüttelten die | |
Verantwortlichen die Köpfe, eine systematische Aufarbeitung des Scheiterns | |
fand nie statt. | |
Der [3][Rausch der Sommerspiele 2024 von Paris], wo der Weltsport sich mit | |
dem Flair der Wettkampfstätten vor historischer Stadtkulisse prächtig | |
verband, wirkt indes in Deutschland nach. Berlin plant jetzt mit | |
Beachvolleyball am Brandenburger Tor, München mit Dressurreiten vor Schloss | |
Nymphenburg, die Straßenradsportwettbewerbe in Köln dürften unweigerlich | |
den Dom streifen und in Hamburg hatte man bereits bei der vorigen Bewerbung | |
Medaillenentscheidungen vor dem Rathaus im Visier. | |
Mittlerweile sind einstige grundsätzliche Olympiakritiker wie die | |
bayerischen Grünen zu Befürwortern der Spiele geworden. Katharina Schulze, | |
die Fraktionsvorsitzende des Landtages und ehemals Sprecherin von Noylmpia | |
München, erklärte jüngst der FAZ, man könne auch den eigenen | |
Sportler:innen nicht zumuten, dass die Olympischen Spiele vorwiegend an | |
autokratische Staaten vergeben werden. | |
Statt nur zu kritisieren, müsse man wie in Paris zeigen, dass man es besser | |
könne. Die Ablehnung des Naturschutzbundes Bayern teilt sie nicht. | |
Ökologisch seien die Sommerspiele anders als Winterspiele zu bewerten – | |
wegen der wegfallenden künstlichen Beschneiung. | |
## „Nur mit Olympia lösbar“ | |
Es verändert sich einiges. Als der Stadtrat von München sich diese Woche | |
mit großer Mehrheit für eine Olympiabewerbung aussprach, verstieg sich | |
CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl zu einer steilen These: Münchens | |
Infrastrukturproblem sei „nur mit Olympia lösbar“. Finanzhilfen von Land | |
und Bund werde es allein mit dem Zuschlag für die Spiele geben. Der Traum | |
von der olympischen Erlösung wirkt sonderbar verzweifelt. Klagten die | |
Olympiagastgeber der Vergangenheit nicht darüber, dass das IOC große | |
Gewinne einstrich und sie auf den Kosten sitzen ließ? | |
So konkret wie in München sind die Pläne bislang nirgendwo sonst. Mit den | |
Olympischen Spielen soll das U-Bahnnetz mit einer neuen U9-Strecke und | |
einer Erweiterung der U4 aufgebessert werden. Mit dem noch zu bauenden | |
Olympischen Dorf in Daglfing sollen 4.000 bezugsfertige Wohnungen für etwa | |
10.000 Münchner entstehen. Die Nutzung zahlreiche Wettkampfstätten von den | |
ersten [4][Olympischen Spielen in München 1972] ist geplant. Touristischer | |
Wiedererkennungseffekt: die Einbindung des Oktoberfestgeländes auf der | |
Theresienwiese. | |
Ob all das so kommt, entscheiden die Münchner schon am 26. Oktober. Eine | |
forsche Vorgehensweise. Möglich ist ein schnelles Scheitern, aber auch ein | |
frühes Aufbruchssignal, das einen nicht unbedeutenden Vorsprung verschaffen | |
könnte. Eine Unterstützung durch die Bevölkerung wäre ein Booster im | |
Wettkampf mit der Konkurrenz. | |
## Nolympia mobilisiert | |
In Berlin dagegen hat nicht das Bewerberteam, sondern die seit den 1990er | |
Jahren mobilisierungsbegabte [5][Nolympia-Bewegung] angekündigt, eine | |
Volksbefragung zu initiieren. Der Berliner Senat zieht einer möglichen | |
Abstimmungsniederlage Dialogveranstaltungen vor. Der vorausschauende DOSB | |
schreibt den Bewerbern nicht zwingend ein Referendum vor. | |
Berlin+ versucht nicht nur mit seiner vergleichsweise größeren | |
internationalen Strahlkraft zu punkten, sondern setzt neuerdings auf | |
Teamwork und Spiele in mehreren Bundesländern. Bei der Präsentation der | |
Pläne wartete Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner mit der größten | |
Ministerpräsidentendichte auf (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und | |
Schleswig-Holstein). Dazu kam Bündnispartner Armin Schuster, der Sächsische | |
Staatsminister des Inneren, der erklärte: „Berlin+ ist das einzige wahre | |
Gemeinschaftswerk.“ | |
## Klassische olympische Reize | |
Beim Rhein-Ruhr-Konzept fällt hingegen auf, dass die Macher auf klassische | |
olympische Reize setzen. Mit einem Schwimmbecken in der Schalker Arena will | |
man Rekorde setzen. Kraulen vor 60.000 Menschen, das hat es noch nie | |
gegeben. Zehn Millionen Tickets will Rhein-Ruhr verkaufen. Auch das wäre | |
eine neue olympische Bestmarke. Ganz klein haben sich die Olympiaplaner | |
hier allerdings gefühlt, als 2021 die Bewerbung für die Sommerspiele 2032 | |
bereits im Vorfeld an der fehlenden Vernetzung mit dem IOC scheiterte. Im | |
eigenen Eifer hatte man nicht mitbekommen, dass sich die Herren der Spiele | |
bereits auf Brisbane in Australien verständigt hatten. | |
Wer aus dem olympischen Vierkampf als Sieger hervorgehen wird, ist schwer | |
zu prognostizieren. Auch weil der DOSB das Gremium, das 2026 eine | |
Vorauswahl treffen soll, erst noch bestimmen will. Es soll sich aus Sport, | |
Politik und Gesellschaft zusammensetzen. Deren Entscheidung muss dann noch | |
von der DOSB-Mitgliederversammlung bestätigt werden. | |
Es ist eine Entdemokratisierung von Entscheidungsprozessen, die den | |
Gewinner schon mal auf die nächste Etappe vorbereitet. Denn im Wettstreit | |
mit der internationalen Konkurrenz werden nach den bisherigen Regeln nicht | |
die IOC-Mitglieder den Ausrichter der Olympischen Spiele bestimmen, sondern | |
ein kleines erlesenes Gremium um die IOC-Präsidentin Kirsty Coventry. | |
31 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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