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# taz.de -- Kunstausstellung zu Orten in Berlin: Wie eine Decke der Himmel
> Für Harry Hachmeister ist es das Gym, für Ahu Dural Siemensstadt. Eine
> Ausstellung in Berlin blickt auf die Orte, die ein Leben prägen.
Bild: Glasierte Keramiken von Harry Hachmeister in der Ausstellung „Heaven Ca…
Fitnessstudios sind eigenartige Soziotope. Insbesondere die männlich
dominierten Freihantelbereiche sind von spezifischen Codes geprägt. Alles
ist auf Körpermodellierung und -Optimierung ausgerichtet. Anerkennung
erhält, wer stark aussieht, viel Gewicht stemmen kann und die eigene
Muskulösität zu inszenieren weiß. Fast gleicht das Training einer
performativen Praxis. Oder einer bildhauerischen. Nur, dass eben weder
Marmor noch Ton bearbeitet wird, sondern der eigene Körper.
Für [1][trans maskuline Personen] kommen weitere Bedeutungsebenen hinzu.
Das Gym steht für das Versprechen, [2][sich die gewünschte Männlichkeit
gewissermaßen antrainieren zu können]. In herkömmlichen Studios
aufzutauchen, sich einzufügen, gar die Sammelumkleide zu benutzen, bedarf
jedoch Mut. In Gyms, die sich gezielt an ein queeres Publikum richten, wird
der Pumpraum hingegen zum Safe Space.
Ein solches hat der Künstler Harry Hachmeister in der [3][Between Bridges
Residency] eingerichtet, wo er noch bis Ende Juni Stipendiat ist. An drei
Tagen pro Woche wird dort kostenloses Training für trans*, inter und
nicht-binäre Personen angeboten.
## Windschiefe Kerzenständer
Zum Berliner Gallery Weekend öffnete Hachmeister die Türen auch für andere.
Unter dem Titel „Clay Bodies & Gym Buddies“ konnte man sein Atelier
besichtigen, auch den Fitnessbereich. Den vorderen Raum hatte er eigens
dafür in ein Haushaltswarengeschäft für Getöpfertes verwandelt. Windschiefe
Kerzenständer und bucklige Salzstreuer, Eierbecher, Zwiebeltöpfe und
Handtuchhaken gab es zu kaufen.
Auf selbstironische Weise Dinge zu verbinden, die gemeinhin männlich oder
weiblich konnotiert sind, ist eine Spezialität Hachmeisters. Einen Eindruck
davon verschaffen kann man sich derzeit auch in der Galerie Parterre in
Prenzlauer Berg, wo Galerieleiter Björn Brolewski in der Ausstellung
„Heaven Came Down Like a Blanket“ Arbeiten Hachmeisters mit Zeichnungen von
Katharina Reinsbach sowie Skulpturen, Installationen und Wandarbeiten von
Ahu Dural zusammenbringt.
Im Gym wähnen könnte man sich kurzzeitig auch da. Mit den Hanteln und
Gewichten, die Hachmeister gleich in den ersten Raum der Galerie gestellt
hat, könnte man allerdings gewiss keine Muskeln heranzüchten. Nicht aus
schwerem Gusseisen bestehen sie, sondern sind aus zarter Keramik,
zerbrechlich statt massiv, uneben verformt statt fabrikmäßig genormt. Keine
gleicht der anderen. Irgendwie niedlich sind sie und kein bisschen
respekteinflößend.
Ums Eck an der Wand hängen weitere Keramikarbeiten Hachmeisters,
Wandteller, auf denen Menschen sich freundschaftlich bis romantisch
umschlungen halten. Halbnackte Männer beim Kuscheln mit Hund, beim
Liebesspiel oder auch – da sind sie wieder – als Gym Buddies. Ein Spiel mit
Posen, Gesten, Rollen ist auch Hachmeisters siebenteilige Fotoserie
„Sweeter than Anything“. Immer wieder anders – sexy und cool, selbstbewus…
und scheu, feminin, maskulin und ganz viel dazwischen – inszeniert sich der
Künstler darauf, mit freiem Oberkörper auf dem Sofa, vor ihm auf dem
Couchtisch zwei Gläser Wein. Das Setting eines Dates, nur ohne Gegenüber.
## Städchen in Holzblöcke stecken
Ahu Durals Installationen, in denen die Künstlerin Fotos aus dem
Familienalbum mit an Möbelstücken erinnernden Objekten kombiniert, erzählen
von anderen Orten. Von Siemensstadt, wo Durals Mutter in der Fabrik
arbeitete und die Familie in einer Hochhaussiedlung lebte. Architekturen,
Gegenstände, Formen, die sich eingeprägt haben, verschmelzen zu neuen,
laden zum Nachdenken über Migrationsgeschichte, Frauenbilder, Konsum- und
Arbeitswelten ein.
Durals Mutter musste – man kann es im Ausstellungstext nachlesen – bei
ihrem Vorstellungsgespräch zeigen, wie viele Stäbchen sie innerhalb von 60
Sekunden in gelöcherte Holzblöcke stecken konnte. In der Kunst der Tochter
tauchen diese Holzblöcke nun wieder auf, Tisch- oder Stuhlbeine, die in
hochhackigen Damenschuhen münden, sind ein anderes Element, das mehrfach
vorkommt, das Leben, die Kämpfe der Mutter, sie spiegeln sich darin.
Wer oder was prägt einen wie? Was bedeutet Nähe, im räumlichen wie
menschlichen Sinne? Darum geht es auch bei Katharina Reinsbach. Auch sie
zieht es zur Wohnung ihrer Kindertage zurück und an den benachbarten
Kleistpark, den sie kreisförmig verdichtet. Auf anderen Zeichnungen winden
sich Körperglieder ineinander. Zwischen den Arbeiten von Dural und
Hachmeister gehen sie in ihrer Zartheit fast ein wenig unter. Es lohnt sich
jedoch, eine Extrarunde für sie zu drehen.
20 May 2025
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## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
Kunst
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